Ich hatte recht am Anfang meines Klavierunterrichtslebens einen Vertrag bei einem Konzertpianisten abgeschlossen. Zu Beginn und Ende der Stunde musste ich immer eine Fesselübung spielen, gaaanz langsam in Zeitlupe, damit auch ja viel Zeit dabei herumgingung, so zumindest mein Eindruck. Außer dem Hinweis, welchen Finger ich wann herunterdrücken sollte, gab es auch keine weiteren Erklärungen und ich verstand nie, wozu diese Übung gut sein sollte, zumal ich noch nie Schwierigkeiten mit ähnlichen Situationen in Stücken hatte. Obwohl ich diese Übungen zu Hause nie wiederholt hatte, kam dann aber regelmäßig in der darauffolgenden Unterrichtsstunde die Bemerkung, es sei doch jetzt schon viel besser geworden.
Überhaupt gab es nur wenige Korrekturen, ich hatte immer das Gefühl, dass nur nach Schema F unterrichtet wurde. Man spielt halt nach x Monaten Stücke y und z und hat Schwierigkeiten mit a und b, dafür gibt es die Übungen c und d. Vorgespielt hat er mir meine Stücke hingegen ausführlich, dabei ging auch wunderbar viel Zeit drauf....
Ich habe diesen "Unterricht" dann nach der Probezeit von drei Monaten wieder beendet.
Da sah der Unterricht bei der KL, die ich bis vor zwei Jahren hatte, schon ganz anders aus, obwohl auch sie Konzertpianistin war. Ihr merkte man zwar an, dass sie ansonsten nur "fertige" Schüler (Klavierstudenten und musikalisch hochbegabten Schülern des Konservatoriums) unterrichtete, aber bei ihr hatte ich nie das Gefühl, dass sie unterrichten musste. Sie zeigte sich immer begeistert und engagiert und überzog regelmäßig und erheblich und zierte sich ausgiebig, dafür weiteres Honorar zu verlangen. Bei ihr habe ich innerhalb einer einzigen Unterrichtseinheit Unmengen an Informationen mitbekommen, viel Hintergrund zum Komponisten und seiner Zeit, zur Entstehung und Einordnung des Stückes selbst, zu den Möglichkeiten, dieses Stück insgesamt und im Einzelnen zu interpretieren. Überhaupt spielte die Gestaltung die Hauptrolle und sie gab auch während meines Spieles ständig "Regieanweisungen", sang mit, klatschte schwierige Rhythmen mit. Einziges Manko: Ihre Stückeauswahl war für mein technisches Vermögen recht optimistisch und obwohl der Unterricht toll war und ich viel gelernt habe, wäre weniger wahrscheinlich besser für mich gewesen. Der Unterricht war sehr schnell und sie hat auch meine technischen Fehler sofort entdeckt und korrigiert, ist aber weder so lange dran geblieben, bis ich den Bewegungsablauf wirklich verinnerlicht hatte, noch wurde das "Problem" in der nächsten Stunde wiederaufgegriffen. Verständlich, denn ihr eigentliches Klientel hatte so etwas auch gar nicht nötig.
Dieses Manko der fehlenden Basistechniken (Stichwort: Verspannung!) versucht meine jetzige Kl auszugleichen und ist damit bisher meine erfolgreichste KL. Sie arbeitet wirklich ganz gezielt an meinen Schwächen, bleibt hartnäckig dran, korrigiert sehr detailliert und erinnert mich in ihren Erklärungen und Ideen, bestimmte Stellen zu üben, sehr an vielschreibende und beliebte KL dieses Forums. Man könnte fast glauben, sie lese hier mit. Sie ist aber "nur" Schulmusikerin mit Hauptfach Klavier. Mit Pädagogik und Didaktik hat sie sich beschäftigt und das merkt man.
Ich behaupte, es ist nicht nur die Ausbildung, die einen guten KL ausmacht, zum Lehrer wird man geboren und man muss für diese Tätigkeit brennen, wenn man wirklich erfolgreichen Unterricht erteilen möchte.