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Klavigen hat Vortragsanweisungen mit Hinweisschildern verglichen, was schon nicht schlecht ist.
Ich fand sehr gut, was klavigen geschrieben hat, auch das über den Unterschied zwischen den Worten als solchen und dem Sinn eines Texts.
Vortragsanweisungen sind halt oft sehr pauschal und sagen nicht sehr viel darüber aus, wie man das nun im konkreten Einzelfall machen soll. Ein berühmter Mann hat einmal gesagt: "Das ganze Leben ist ein Quiz".
Aber solche Hinweise stehen auch direkt im Ablauf der Noten, eine Melodie, ein Thema, sogar ein Motiv streben auf etwas hin und das erfordert die Gestaltung durch den Interpreten. Es gibt ja simple Regeln, die nicht gerade allgemeingültig sind aber immerhin deutlich machen, daß ein Musikvortrag keine reine Angelegenheit der Intuition ist. Zum Beispiel die Vorstellung, daß man auf einen Ton hinspielt,
Ja, ganz wichtig. Aber es ist oft garnicht klar, auf welchen Ton man hinspielt, von welchem Ton aus, und ob das "Hinspielen" mit einer Änderung der Lautstärke und/oder des Tempos einhergeht.
Die schöne Regel: wenn's hoch geht, wird's lauter - wenn's runtergeht wirds leiser, stimmt ja in vielen Fällen garnicht. Und der höchste Ton ist auch selten der lauteste. Es klingt zwar so, aber meist liegt der Lautstärkehöhepunkt einige Noten vor dem "Zielton". Und es ist auch eigentlich kein Höhepunkt sondern eine ganze Gruppe von lauteren Noten.
daß eine Dissonanz mehr Gewicht hat als ihre Auflösung,
Auch richtig. Je nach den Umständen kann "mehr Gewicht" aber unterschiedliches bedeuten: lauter, langsamer, rhythmisch verzerrt.
daß man bei Mehrstimmigkeit die Führungsstimme erkennen und nicht vertikal spielen soll,
Man darf aber auch die Nebenstimmen nicht vernachlässigen. Eine Melodie, die eh schon völlig klar hervorsticht, wie z.B. bei der Träumerei, muß man nicht noch künstlich herausknallen. Da schafft man mehr Klarheit, wenn man sich um die Balance der Begleitstimmen (die nicht immer leiser sind als die Melodie!) kümmert.
die Grundbetonungen im Taktschema,
Das ist die Grundlage. Interessant wirds dann, wenn dieses "Grundschema" durchbrochen wird - und das ist aus dem Notentext oft garnicht ersichtlich. Das ergibt sich oft aus melodischen oder harmonischen Gründen.
die Tatsache, daß eine Melodie nicht umbedingt nach dem Taktschema betont werden muß...
Vielleicht sollte ich deine Sätze erstmal zu Ende lesen :)
und so weiter und so fort. Das sind natürlich keine Grundregeln auf deren Ausführung man bestehen kann sondern Stilmittel, um zu verdeutlichen, was in der Musik passiert - wenn es paßt. Allen gemeinsam ist aber die Idee, daß in der gesamten abendländischen Musik ein gemeinsamer Nenner in Form einer eindeutigen Sprache besteht, die im Prinzip jeder verstehen kann, wenn er sich genug Mühe gibt.
Mit solchen Aussagen wäre ich vorsichtig. Wäre es so, dann gäbe es ja nur gute Berufsmusiker. Musik kann im Prinzip jeder hörend verstehen, wenn sie gut gespielt ist. Aber das Gut-Spielen-Können ist etwas, was über ein lernbares faktisches Wissen weit hinausgeht. Man braucht eine Seelenverwandtschaft mit dem Komponisten ^_^
Und so, wie drei durchaus sorgfältige wahrheitsliebende Journalisten selbst über ein banales Ereignis drei unterschiedliche Artikel verfassen, entstehen in der Musik halt unterschiedliche Interpretationen. Die "ursprüngliche" Musik entspräche einer objektive Zusammenfassung eines Ereignisses. Rein theoretisch müßte man sich auf eine solche Fassung eines Stückes einigen können, es würde aber vermutlich enorm viel Zeit brauchen und, wenn des Projekt nicht vorzeitig blutig endet, das Ergebnis vermutlich recht langweilig ausfallen. Das hatte ich eigentlich im vorigen Beitrag im Hinterkopf, als ich "Grenzen" schrieb, zugegebenermaßen sehr unglücklich formuliert.
Ach so, ja dann verstehe ich das. Quasi der kleinste gemeinsame Nenner. Die "ursprüngliche Musik" wäre für mich etwas anderes - nämlich das, was der Komponist im Kopf hatte, als er das Stück aufschrieb. Und das ist etwas anderes als die Notenkürzel auf dem Papier. Ganz weit weg davon.