Du wirst aber doch zugeben, dass es aus Sicht eines an der klassischen Klaviermusik geschulten Ohres irgendwie lächerlich und/oder erbärmlich wirkt, den ganzen A-Teil eines Stückes aus einem einzigen Motiv aufzubauen, ohne viel davon, was man unter "Verarbeitung" eines Motivs verstehen würde.
Also mir gefällt es überhaupt nicht, es klingt für mich leer und, ja, auch wichtigtuerisch (was ich oben mal aussen vorgelassen hatte, um meinen Standpunkt erst mal nicht zu verwässern ;) ).
Aber: man sollte nicht so argumentieren, als ob so ein Urteil auf objektiven Prinzipien fusst. Schlüsselsätze sind hier "aus Sicht eines an der klassischen Klaviermusik geschulten Ohres" oder auch Gomez' frühere Aussage "Es wäre auch töricht, sich kleinen New Age-Piano-Stückchen mit einem analytischen Begriffsinstrumentarium zu nähern, das an Musik aus der sogenannten bürgerlichen Hochkultur geschult ist" (deshalb hat mich verwundert, dann im gleichen Zusammenhang oben zitierte Statements (Zweck und Mittel,...) zu lesen, die
natürlich von einem bestimmten kulturellen Kontext geprägt sind).
Ich denke, man muss das wirklich strikt auslegen: die Ästhetik, die (trotz aller individuellen Unterschiede) dem "klassisch geschulten Ohr" (und das sind wohl die meisten Ohren hier im Forum) gemeinsam ist, ist auf andere Art von Musik nicht übertragbar (wenn jemand anders denkt, dann bitte um Diskussion!). Die Musik, und die Leute, denen sie gefällt, haben offensichtlich andere Ideale.
Es mag vage Fälle geben, aber nur weil es die gibt, heißt das nicht, dass man das Kriterium für die Fälle, die irgendwie klar sind, auch gleich wegschmeißen kann. Man hört auch nicht auf, von Häusern zu sprechen, nur weil nicht klar ist, ob der Buckingham Palace eines ist.
Natürlich soll man Musik kritisieren dürfen, aber ohne dabei die nicht weiter begründbaren Annahmen, auf denen solche Kritik beruht, unter den Tisch zu kehren, und so zu tun, als ob es ein völlig objektives "besser" oder "schlechter" gibt.
Zur Klarstellung: das sage ich jetzt nicht, um Homie (ungebeten) zu verteidigen, weil manche Kommentare ja etwas persönlich wurden, sondern weil ich bis jetzt von niemandem schlüssig so ein objektives "besser" oder "schlechter" definiert bekommen habe. Auf die Generationen nach Bach wirkte seine Musik schlimmstenfalls überladen, komplex, schwerfällig. Warum? Nicht, weil es auf einmal ein besser Qualitätsverständnis gab, sondern weil sich die Wertesysteme/Ästhetik ja über die Zeit verschiebt.
Jetzt kann man natürlich fragen: gibt es Musik, die unter allen denkbaren Wertesystemen schlecht dasteht? Ich denke, es wird nicht einfach sein, für eine solche Behauptung zu argumentieren.
Interessant fände ich auch den Versuch, die verschiedenen individuellen Wertesysteme (oder wie auch immer man es nennen möchte) etwas expliter zu machen und miteinander zu vergleichen. Sicher schwierig, sind wir uns doch oft nicht selbst explizit im Klaren,
warum uns etwas anspricht (Gründe für Ablehnung sind vielleicht sogar leichter zu erklären)...