Hilft Wissen beim Klavierüben, wie ist das Verhältnis von Wissen und Empfindung?

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Alter Tastendrücker

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In einem anderen Faden ist das hier angesprochene Thema zu meiner großen Überraschung diskutiert worden. Bin ich allein mit meiner Meinung, dass Wissen in aller Regel die Empfindung , die Sensibilität für Musik befördert.
Insbesondere stilistische und musikgeschichtliche Kenntnisse sind m. E. unentbehrlich. Sie helfen auch und gerade dem erwachsenen Anfänger. Harmonielehre und Formenlehre sind gleichfalls hilfreich!
 
Lustig. Diese Frage habe ich mit meinem KL letzte Woche diskutiert.

Meiner Meinung nach hilft Wissen nur, wenn ich es auch musikalisch empfinden kann.

Ich meine damit, dass mir Funktionskenntnis im Stück nur etwas nützt, wenn ich auch dazu wahrnehmen kann, dass sich Spannung auf oder abbaut, oder es reibt, oder, oder. Mit anderen Worten, wenn ich irgendeinen musikalischen Wiedererkennungseffekt habe. Wenn es den für mich nicht gibt, dann nützt das Wissen mit Glück etwas im nächsten oder übernächsten Stück, ist aber im aktuellen nicht "anwendbar".
Das gleiche gilt für historische Hintergründe. Wenn ich ein Bild herstellen kann, wie das klingen müsste, dann hilft's.

Bei zu vielen Informationen, aus denen ich keine Vorstellung bilden kann, kommt es vor, dass ich mir dann auch selber kein Bild (mehr) machen kann. Dann hilft nur noch YouTube und einfach nachmachen.

Für den zweiten Teil des Beitrags gab es einen langen, kopschüttelnden Blick ...
 
Kann mir schon vorstellen, wie es zu der gegenteiligen Meinung kommen kann: vom Lesen und intellektuellen Verstehen alleine kommt es zu keiner Förderung der Musikalität. Man darf also mit Musiktheorie-Büchern nicht umgehen wie wir normalerweise mit Büchern umzugehen gewohnt sind (lesen und verstehen).
Erst seit ich jede Aussage, jedes Beispiel in solchen Büchern am Klavier nachspiele, mir Zeit nehme und hören lerne, tut sich da was.
 
Es ist immer wieder interessant und auch deprimierend, wie selbst Musikstudierende Theorie und Gehörbildung von der Tätigkeit als nachschöpfendem Interpreten zu trennen verstehen.
 
Die Theorie zu verstehen ist das eine. Die musikalischen Wirkungen (z.B. des "Trugschluss") zu erspüren, zu erfahren, das geht nur übers Hören - und über's selber musizieren und experimentieren.

Auf der anderen Seite kann man diese wichtige "musikalische Wirkung" tatsächlich auch durch blosses Musik-Hören (er)lernen und erfahren, Theoriekenntnisse sind dazu gar nicht zwingend notwendig (meiner Meinung nach).

Niemand, der einen Trugschluss musikalisch "verstanden" hat, muss wissen, dass dieses Konstrukt "Trugschluss" heisst.
Der gestaltet das dann einfach passend und richtig im Detail. Aufgrund dieses Verständnisses.

Eine Vielzahl exzellenter Musiker hat uns viele solcher musikalischen Wirkungen in Abertausenden von Einspielungen gezeigt und vorgeführt. Lerne von den Besten...! Angenehmer kann Lernen eigentlich doch gar nicht sein, als mit wachen Sinnen und viel Genuß sehr gute Musik zu hören.

Deswegen finde ich u.a. das Hören so unendlich wichtig beim Studium der Musik - sowohl im privaten Hobby, als auch im Musiker-Beruf.
 
...um eine Glühbirne zu wechseln, muss man weder das Wissen der Physiker noch eine Elektrikerlehre haben. Es geht darum, dass die Lampe schönes Licht gefällig im Raum ausbreitet.
;-)
...difficile est saturam non scribere...
 
Ich sag' ja gar nicht, dass Wissen falsch ist. Und wäre der Erwerb desselben nicht mit einer erklecklichen Arbeit und Mühe verbunden... dann wäre ich da auch mit dabei... wie ich das z.B. in meinem Job bin. Da baggere ich mich schon mal in neue komplexe Themen hungrig rein...
 
Aber schon schön, wenn man einen Namen dafür hat!
Aber im Grunde ist es egal, ob man es "Trugschluss" nennt oder "Dieter".
Die Begriffe bzw. Namen dienen vor allem der Kommunikation ÜBER Musik. Daher würde ich im Bezug auf das Thema auch nicht ein rein lexikalisches Wissen sehen (welches man sich anlesen kann), sondern eher ein prozedurales Wissen, welches sich darauf bezieht, was am Instrument bei einem Trugschluss geschieht, "wie man das macht".
Und das auch eben nicht auf einer reinen Kopfebene, sondern inklusive Gefühl bzw. Höreindruck.

Bei mir sorgt das Wissen regelmäßig dafür, dass ich im weiteren verlauf eines Stückes Elemente wiedererkenne ... natürlich spielt dabei das Hören eine große Rolle.

Hören würde ich allerdings nur Ähnlichkeit, durch Wissen zu Musiktheorie weiß ich nach einem kurzen Blick in die Noten oder auf meine Finger, dass es das selbe ist ... selbst wenn es leicht anders klingt. Und das hilft mir beim Lernen ... nachdem ich erkannt habe, dass es das gleiche ist, muss ich nur noch schauen, ob es exakt das gleiche ist (nur in einer anderen Tonart), oder ob z.B. ein Motiv "umgedreht", eine Melodie augmentiert oder diminuiert, die Rhythmik verändert oder der ganze muskalische Gedanke abgekürzt wurde.

Bereits vorhandenes Wissen kann das, was "neu dazukommen muss" reduzieren ... jedenfalls empfinde ich das so. Bei allen möglichen Lerninhalten ist das für die Menschen völlig normal, und ich fände es extrem seltsam, wenn das beim Klavier (oder bei Musik allgemein) wirklich anders wäre.
Mit hilft mein theoretisches Wissen immer weder ... auch das Wissen über Musikgeschichte ... mMn kann man ein Menuett nur dann "gut" spielen, wenn man dabei auch diesen Formationstanz im Kopf hat. Es muss klingen, als würde jemand umher stolzieren, und alle paar Schritte Verbeugungen, Knixxe und ähnliches vollziehen. Manchmal hilft es sogar zu wissen, "WIE" man sich im Barock bei Hofe verbeugt hat (Kratzfuss mit Hutschleife) ... das ist eben kein simpler Kotau (den wird man in einem Menuett nicht unterbringen können).
Das Wissen, was dabei helfen kann, ist nichtmal rein musikalisch.
 
Zuletzt bearbeitet:
In einem anderen Faden ist das hier angesprochene Thema zu meiner großen Überraschung diskutiert worden. Bin ich allein mit meiner Meinung, dass Wissen in aller Regel die Empfindung , die Sensibilität für Musik befördert.
Insbesondere stilistische und musikgeschichtliche Kenntnisse sind m. E. unentbehrlich. Sie helfen auch und gerade dem erwachsenen Anfänger. Harmonielehre und Formenlehre sind gleichfalls hilfreich!
Nach meiner Erfahrung ist es, je weiter man fortschreitet umso wichtiger, ein Stück stilistisch und harmonisch zu verstehen. Je mehr man musikalisch gestaltet kann, umso wichtiger ist es, das auch bewusst (!) zu tun.
Ich erfahre momentan sehr häufig im Unterricht, dass mein KL sagt, er verstehe einen Takt/eine Phrase nicht. Meistens ist es so, dass ich ihn/sie auch nicht verstanden habe. Durch musikalische Analyse und historischen Zusammenhang kann ich dann (erst) die Stelle verstehen und dann sinnvoll umsetzen. Das macht richtig Freude!

Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die großen Pianisten (von einem weiß ich es) sich sehr, sehr viele Gedanken machen und nicht einfach intuitiv aus dem Bauch heraus, wie das hier der ein oder andere propagandiert, spielen....
 

Ein GAAANZ banales Beispiel:
Bach Präludium C-Dur WtC I und Chopin Nocturne Des-Dur op. 27,2.
Bach schreibt 16tel; Chopin schreibt 16tel.
Bachs Instrumente hatten kein Pedal, also hören wir genau, was geschrieben steht; 2 tenuto Stmmen unten, darüber eine 16tel Linie, die nicht mit Pedal zum Akkord verschliffen wird (ob Legato oder Staccato oder irgendwie artikuliert, sei jetzt mal egal);
Chopin: der Bass und die weiteren 16tel bilden eine auf typisch romantische Art ausgebreitete Harmonie. Also viel Pedal und eine Gestaltung, die den entstehenden vielstimmigen Akkord zum Leuchten bringt, bevor dann die edel wohlklingende Melodie einsetzt.
So weit, so gut. Aber CPE Bach schreibt, dass man über gebrochene Akkorde die Finger liegenlassen darf, Der Klang des Clavichords ist viel obertonreicher als der des modernen Klaviers. Also doch Pedal und/oder Fingerpedal. Warum schreibt Bach aber 2 Stimmen tenuto und macht sich die Mühe, das ganze Stück so aufwändig zu notieren (Zeitverlust und eventuell Papierverschwendung).
Andererseits Chopin: die absteigende Melodielinie erfordert eigentlich Pedalwechsel auf dem modernen Flügel.
Nur um diese Fragen (und viele weitere) zu stellen, ist etwas Wissen schon recht nützlich! Damit hat man noch keine verbindlichen Antworten, die es vielleicht gar nicht gibt!
 
Sag doch einfach, das du stinkefaul bist, anstatt immer wieder Diskussionen über den Sinn und Unsinn gewisser Kenntnisse anzuzetteln.:021::021::021::021:
Die Peinlichkeit dahingehend kennt kaum Grenzen: ich kenne nicht einmal alle Tonarten auswendig, nur eine handvoll... und auf der Klaviatur spielen könnte ich sie auch nicht alle ohne Nachzudenken.
Als strahlendes Vorbild taugt so etwas nicht gerade:030:
 
Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die großen Pianisten (von einem weiß ich es) sich sehr, sehr viele Gedanken machen und nicht einfach intuitiv aus dem Bauch heraus, wie das hier der ein oder andere propagandiert, spielen....
Grosse Pianisten spielen nicht nur "einfach aus dem Bauch heraus irgendwas", sondern besitzen noch dazu einen enormen Erfahrungsschatz im Musizieren - was das Musizieren dann leitet und veredelt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber im Grunde ist es egal, ob man es "Trugschluss" nennt oder "Dieter".
Die Begriffe bzw. Namen dienen vor allem der Kommunikation ÜBER Musik.

Sie dienen auch dazu, sich selbst darüber klar zu werden, was man eigentlich spielt.
Du brauchst einen Begriff, keinen Namen. Du kannst nicht begreifen, was Du spielst, wenn Du keinen Begriff hast.

Du kannst den Trugschluß auch "Dieter" nennen, ihm eine Nummer geben, ihn mit einer Farbe assoziieren oder sonstwie abspeichern - entscheidend ist, daß Du den "Dieter" jederzeit wiedererkennst. Wenn er in Takt 80 in fis-moll und in Achtelnoten erscheint, sagst Du Dir dann: "Hallo Dieter, da bist du ja wieder, hab dich in Takt 20 schon mal getroffen, wenn auch in es-moll und in Halbenoten."
 
Das fängt schon bei der Bezeichnung "Musiktheorie" an. Für mich ist das primär aus der Praxis, für die Praxis.

Das schwebt also nicht losgelöst irgendwo herum, sondern sollte einen konkreten Bezug haben zu dem, was ich höre, spiele, empfinde. Sonst ist es nur eine elaborierte Variation der mentalen Masturbation.

Grüße
Häretiker
 
Dann solltest Du aber auch vermeiden mit anderen über Musik zu sprechen!

Der wichtige andere Aspekt: Man benutzt die etablierten Begriffe zur Kommunikation. Es gibt ja Leute, die spielen nicht nur alleine.

Erinnert mich an einen Gitarristen, der mitspielen wollte in der Band. Konnte keine Noten und keine Tabs. "Isch mach allet aus dem Gehör, ne?" Leider hörte er dann auch nicht immer und konnte mit Begriffen wie "große Sexte" oder "dorisch" auch nix anfangen. Das war dann schon anstrengend.

Grüße
Häretiker
 
Dann solltest Du aber auch vermeiden mit anderen über Musik zu sprechen!
Wenn Du meine Beiträge sprachlich nicht verstehst, solltest Du vermeiden, Dich mit mir zu unterhalten.

Ist Dir die Bedeutung des Wörtchens auch geläufig?

Sie dienen auch dazu, sich selbst darüber klar zu werden, was man eigentlich spielt.
 
Ich habe ein Deja-vu und das betrifft die Beiträge von dir, lieber @Dreiklang.

Du hast dich etwa 2010 hier im Forum angemeldet und in den vergangenen 11 Jahren haben wir immer wieder intensive und durchaus freundliche Diskussionen über immer die gleichen Themen geführt: Werktreue oder besser "Ernstnehmen des Notentextes verbunden mit dem Wissen, wie die Zeichen stilistisch einzuordnen sind", Üben mit Metronom, weitreichendes Wissen über Musik, Interpretation, Stilistik, Analyse u.a..

Und nun lese ich im Forum quer, was sich in den letzten Wochen hier so getan hat und empfinde beim Lesen vieler deiner Beiträge, lieber Dreiklang, eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Staunen, Verärgerung und Amüsiertheit. Es ist, als hätte es die vielen Diskussionen, in denen auch ich neben vielen anderen versucht habe, die Perspektive von Musikern verständlich zu machen, nie gegeben. Und täglich grüßt das Murmeltier.

Mich stört dabei nicht deine Herangehensweise an Musik. Du kannst gern so viel mit Metronom üben, wie du willst. Du kannst Stücke nur zur Hälfte spielen und sie Spezialversion nennen, du kannst Werktreue ablehnen - das alles stört mich nicht. Mich stört aber, wenn du Behauptungen aufstellst, die falsch sind. Selbstverständlich nutzt jeder Musiker das Metronom, aber wie, das ist die Frage. Selbstverständlich werden im Klavierunterricht auch Tonleiter und Arpeggien gespielt, aber wie und wann, manchmal auch ob, das ist die Frage. Selbstverständlich gibt es keinen Musiker, der sich bei der Interpretation und beim Üben nicht ernsthaft mit dem Notentext auseinandersetzt, wozu auch die Kenntnis dessen gehört, was zur Zeit des Aufgeschriebenen vom Komponisten vorausgesetzt wurde, wie die Zeichen zu deuten sind. Sogar der extravagante Pogorelich bezeichnete sich als "Diener des Komponisten" und setzte sich sehr mit dem Notentext auseinander.

Bleib also ruhig bei deiner Herangehensweise, von der du ja überzeugt bist, benutze aber nicht solche Falschaussagen über Profis, Musikhochschulen und Klavierpädagogik, um deine Herangehensweise zu rechtfertigen!

Liebe Grüße

chiarina
 

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