Hilfe! - neuer Yamaha C3: Niedergewicht Aufgewicht

Ich würde sofort einen Klavierbauer die Sache begutachten lassen . Und dann entsprechend wie dessen Meinung ausfällt , evtl. sofort Geld und Flügel zurück!
Aber ich hätte gleich einen Klavierbauer an meiner Seite wenn ich einen Flügel kaufen möchte.

Ist das üblich? Der Klavierbauer würde doch lieber selber einen Flügel verkaufen, bzw. der Händler sieht es wohl nicht gern, wenn die Konkurrenz zu ihm ins Geschäft kommt und ihm potenziell den Kunden vergrault.
Bei einem Privatkauf kommt klar ein Fachmann mit. Aber im Geschäft?
 
Ist das üblich? Der Klavierbauer würde doch lieber selber einen Flügel verkaufen, bzw. der Händler sieht es wohl nicht gern, wenn die Konkurrenz zu ihm ins Geschäft kommt und ihm potenziell den Kunden vergrault.
Bei einem Privatkauf kommt klar ein Fachmann mit. Aber im Geschäft?

Soll ein Händler etwa eine Eingangskontrolle machen, ob sich zum eigentlichen Kunden vielleicht noch jemand dazugesellt, der etwas Ahnung hat?

Beim Neukauf muß man sicherlich nicht das maximale Mißtrauen mitbringen, aber bei gebrauchten Instrumenten darf man erwarten, dass bei klarem Interesse das Instrument nicht nur von außen angeschaut wird, genauso wie ich beim Kauf eines gebrauchten Autos erwarte, dass ich einen Blick unter die Motorhaube werfen darf.

Mir als Händler wäre es recht, denn wenn ein Externer auf Mängel aufmerksam macht, dann kann ich entscheiden, ob und wie ich die nachbessere oder ob ich einen Preisnachlass gewähre. Und bei Kauf wird der Mangel im Vertrag als "Gekauft wie gesehen" explizit deklariert, damit der Kunde nicht später daherkommt und Nachforderungen stellen muss, die vielleicht sogar berechtigt sind.
 
Wieso Eingangskontrolle? Es geht nicht um "jemanden, der etwas Ahnung hat", sondern einen professionellen Klavierbauer. Davon gibt es in einer Stadt üblicherweise so wenige, dass man sich untereinander (er)kennt. Und der Händler ist für Kundenberatung bzw. Verkaufsgespräche im eigenen Ausstellungsraum. Das fällt also ganz ohne zusätzliche Kontrolle auf.

Ich könnte mir vorstellen, dass es "böses Blut" erzeugt, wenn der beratende Klavierbauer - und Konkurrent - dem Kunden vom Kauf abrät. Oder auch nur dem widerspricht, was der Händler behauptet hat.

"Gekauft wie gesehen" ist kein Freifahrtschein für alle Mängel und die Gewährleistung wird dadurch auch nicht aufgehoben. Das ist ein relevanter Unterschied zum Kauf von privat.
 
Warum so unhöflich?
Genau deswegen frage ich ja gerade!
 
Ich wurde neulich recht offensiv eingeladen, doch mit dem Fachmann meines Vertrauens zu kommen.
 
Da gebe ich nun auch meinen Kommentar hinzu:
Ja, die Tastengewichte sind im Allgemeinen unterschiedlich verteilt und in den heutigen Produktionen ziehmlich ähnlich gewichtet. ( Bass - Mittellage - Diskant - kleine Unterschiede findet man immer bei den Produzenten). Mit dieser Gleichheit der Gewichtung sollst Du die Garantie haben gleich gut auf allen Modellen spielen zu können, wo auf der Welt Du gerade dich aufhälst.
Falls Du nur bei Dir zu Hause spielst und nie daran denkst woanders zu spielen so kann man die Gewichtung der Tastatur vorsichtig deinen Bedürfnissen anpassen. Dazu brauchst Du eine guten, engagierten Klavierbauer, der die, doch zeitaufwendige, Arbeit an Deinem Instrument durchführen will.
Als Pianist und Klavierbauer habe ich so gut wie nie dieses Probleme bei einem neuen Yamaha erlebt. Nur bei alten Instrumenten.
Ich sehe keinen Erfolg bei einem eventuellen Wandel des Kaufes oder einer Reklamation. Hast Du das Instrument nicht persönlich ausgesucht oder sogar im Internett bestellt ?
Schön, wenn Du allen engagierten Mitglieder erzählen könntest wie weit Du mit deinem Problem gekommen bist.
 
Bei meinem neuen Flügel ist ein Unterschied von bis zu 7-8 g zwischen Bass und Diskant, teilweise ist im Mittelbereich eine Taste um 5 Gramm "leichter" zu betätigen, als die benachbarten. Ist das normal bzw. im Toleranzbereich

Das Niedergewicht habe ich dann mit Münzstücken nach diversen Anleitungen hier im Forum bei getretenem rechten Pedal ausgemessen (Bass ca. 65g, Diskant ca. 58-59g) Jetzt frage ich mich, ob diese Unterschiede normal sind.
Hallo.
Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Du Dir Sorgen machen musst. Denn diese kleinen Unterschiede sind vollkommen normal und liegen noch gut im Toleranzbereich. Ein kleiner Gradient vom Bass zum Diskant ist garantiert kein Grund zur Sorge, sondern eher erwünscht, und auch wenn es irgendwo mal um 5g von Taste zu Taste schwankt, muß man sich darüber noch keine grauen Haare wachsen lassen, erst recht nicht, wenn es um ein quasi neues Instrument geht. (Skeptisch wäre ich eher gegenüber Leuten, die behaupten, das wäre inakzeptabel und müsste komplett neu ausgewogen werden!! Ein Schelm, wer... ;-)

Das wäre zwar möglich, der hohe Aufwand würde aber so gut wie nichts bringen, weil in diesem Bereich eigentlich niemand noch einen Unterschied spüren kann. (Es gibt quantitative wissenschaftliche Reihenuntersuchungen zu sogenannten JND, just noticable differences, d. h. minimale Sinnesreize, die Menschen noch unterscheiden können, weil auch z. B. die Industrie wissen möchte, wie sie bestimmte Gebrauchsgüter auslegen muß. Nicht nur optische, akustische oder olfaktorische, auch taktile JND sind gut untersucht und da zeigt sich, dass Menschen immer mindestens 10% Gewichtsunterschied benötigen, um einen Unterschied zu ertasten, egal wie lange sie das trainieren...)

Heißt, bei 65g Niedergewicht im Bass wirst Du verblindet so gerade eben und nur im direkten Vergleich ertasten können, dass die Tasten mit 58-59g im Diskant minimal leichter sind. Sprünge von 5g von Taste zu Taste in der Mittellage liegen ebenso so dicht an der Grenze, dass sich das Ausbügeln solcher einzelner "Ausreißer" nur bei einem Spitzeninstrument und für Leute mit Höchstanforderungen lohnt, und das auch erst, nachdem es eingespielt und aklimatisiert ist...

Alles andere ("komplett neue Regulation erforderlich" oder "Reklamation und sofortiger Umtausch da Totalschaden" , usw.) ist eher Psychologie - wobei die gerade unter Musikern besonders wichtig ist und daher auch gerne geschäftsträchtig genutzt wird.
Worüber es amüsante Anekdoten gibt ;-)
 
Das wäre zwar möglich, der hohe Aufwand würde aber so gut wie nichts bringen, weil in diesem Bereich eigentlich niemand noch einen Unterschied spüren kann. (Es gibt quantitative wissenschaftliche Reihenuntersuchungen zu sogenannten JND, just noticable differences, d. h. minimale Sinnesreize, die Menschen noch unterscheiden können, weil auch z. B. die Industrie wissen möchte, wie sie bestimmte Gebrauchsgüter auslegen muß. Nicht nur optische, akustische oder olfaktorische, auch taktile JND sind gut untersucht und da zeigt sich, dass Menschen immer mindestens 10% Gewichtsunterschied benötigen, um einen Unterschied zu ertasten, egal wie lange sie das trainieren...)

Und ich würde sagen, dass das in 90%, vielleicht auch 99% der Fälle zutreffend ist. Die Industrie fährt gut mit diesem "Good Enough"-Prinzip.

Die restlichen 10%, oder auch nur 1%, haben eine andere Sensorik in bestimmten Bereichen und werden eben nicht von diesem Grundsatz abgedeckt. Und die werden durch kleinste Unebenheiten im Anschlagsgewicht, Masseverteilung innerhalb der Mechanik, leichten Schwebungen bei Chören, Unreinheiten in der Obertonzusammensetzung bei älteren/defekten Saiten oder Intonationsunterschiede bei einzelnen Hämmern schlicht in den Wahnsinn getrieben.

Merke: Auch wenn es die meisten nicht hören, spüren oder "begreifen", gibt es diese feinen Unterschiede - und wem dies just passieret, dem bricht das Hirn entwei.

Der Film "Pianomania" ist in dieser Hinsicht sehr aufschlußreich darüber, wie zwei zu den 1% gehörenden Künstlern, also Pianist und Klaviertechniker, dort anfangen zu arbeiten, wo die restlichen 99% es für gut genug befunden hätten.
 
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Mediokrates: Das war doch der mit "in den gleichen Fluss kann man ruhig auch zweimal steigen" oder?
 
Hallo.
Und ich würde sagen, dass das in 90%, vielleicht auch 99% der Fälle zutreffend ist. Die Industrie fährt gut mit diesem "Good Enough"-Prinzip.

Die restlichen 10%, oder auch nur 1%, haben eine andere Sensorik in bestimmten Bereichen und werden eben nicht von diesem Grundsatz abgedeckt.
Ja, ich verstehe sehr gut, dass es manche gerne so hätten und sich in ihrem brennenden Idealismus bei dieser Vorstellung auch nicht beirren lassen möchten. Aber nüchtern und realistisch betrachtet ist es leider nicht so, denn unserer Sinnesphysiologie sind nunmal Grenzen gesetzt. Und diese Schwellen sind von grundsätzlicher Art und inzwischen von der Grundlagenforschung gut charakterisiert und quantifiziert. (Trotz aller individuellen Unterschiede, die es dabei natürlich gibt, wobei diese Variationsbreite zur Charakterisierung selbstverständlich vollständig erfasst werden muß.)

Wie bekannt, kann sie auf manchen Kanälen überraschend groß ausfallen und sich im Laufe des Lebens auch stark ändern, wenn z.B. Alter und Lebensgewohnheiten zuschlagen... Das junge Ohr gilt in Sachen Empfindlichkeit z.B. tatsächlich als herausragend und ist, wenn man so will unser bester Sensor, es wird in seinem Frequenzbereich auch von den empfindlichsten Messgeräten kaum übertroffen, da es fast schon den Aufprall einzelner Luftmoleküle detektieren kann, also nahe am thermischen Rauschen arbeitet. Aber wie gesagt, beim Tastsinn, der vergleichsweise bei weitem nicht so empfindlich ist, liegt die Diskriminierungschwelle um Größenordnungen schlechter, da braucht es die besagten etwa 10% Unterschied, d.h. es gibt sicher niemanden, der noch eine Größenordnung besser wäre und 1% auseinanderhalten kann. Das wäre so als würde ich behaupten es gäbe womöglich auch ein paar Leute, die ohne Hilfsmittel nicht nur 2,5m sondern auch noch 25m überspringen könnten... oder irgendwo Menschen, die statt maximal 2,5m groß auch 25m groß wachsen könnten usw. - Nö, wer sowas für möglich hält und die absoluten Grenzen nicht anerkennen und beziffern mag, der wird sich täuschen und befindet sich im Irrtum.

Nun ist es natürlich dummerweise so, dass man in künstlerischer Hinsicht, wo es um Begeisterung und Idealismus und die allerhöchsten Ansprüche geht, nicht gerne an irgendwelche Grenzen erinnert werden möchte, erst recht nicht als hochsensibler Musiker. Und genau da, bei der Frage, welches Instrument ist wann gut genug, also beim Abgleich mit der Realität, kann es dann leider problematisch werden. (Wie meist, wenn wir unser Selbstbild herausgefordert und in Gefahr sehen: Jeder kennt die Ergebnisse der Klangvergleiche von Geigen hinterm Vorhang, die kaum oder auch gar nicht auseinanderzuhalten waren, obwohl die meisten Zuhörer starke Unterschiede gehört haben wollten und behaupteten sie auch sicher zuordnen zu können. Und je nachdem, wem man da zu widersprechen wagt, können die beteiligten Hirne im Konfliktfall dann aus sehr verschiedenen Gründen entzwei springen...)
 
Wie kann man das Hirnzerspringen bei der Feinabstimmung vermeiden? Eine mögliche Antwort dazu ist mir als hübsche Anekdote in Erinnerung, die Franz Mohr gerne erzählte, Horowitz' Klavierstimmer. (Vielleicht kennt jemand den entsprechenden Link auf Youtube, ich finde ihn gerad nicht.) Horowitz probiert eine knappe Stunde vor Konzertbeginn nervös auf seinem Flügel herum und beschwert sich über dessen unmöglichen Zustand. Etwas mit dem Anschlag stimme einfach nicht und überhaupt sei das ganze Instrument auch noch katastrophal verstimmt, es müsse unbedingt einen Tick niedriger (oder höher, ich weiß es nicht mehr). So wie es sei könne er jedenfalls unmöglich darauf spielen es wäre unerträglich. Mohr, ganz Psychologe, wendet sich betroffen und höchst besorgt an Horowitz und sagt sinngemäß, Maestro das ist ja fürchterlich, ich weiß nicht, wie das bloß passieren konnte. Aber ich werde natürlich alles mir irgend Mögliche tun, um den Flügel unter Hochdruck auch in der kurzen Zeit doch noch irgendwie zu retten. Vielleicht können wir es noch schaffen. Wollen Sie nicht vielleicht solange draußen noch einen Kaffee nehmen? Geben Sie mir ein halbe Stunde. Horowitz nickt betrübt und schleicht bange von der Bühne.

Kaum ist die Tür hinter ihm zu, stammelt der erbleichte Azubi, den Mohr dabei hat, Meister, Sie wissen doch, es ist vollkommen unmöglich den Flügel in einer halben Stunde neu zu regulieren und etwas tiefer zu stimmen, wie können Sie so etwas Unmögliches nur versprechen? Mohr erwidert mit seinem Kölschen Gemüt (et hat noch emmer jot jegange...) Sie können jetzt gleich wahrscheinlich etwas ganz ungeheuer Wichtiges für Ihre berufliche Zukunft lernen. Der Flügel ist so gut präpariert, wie es geht, da kann ich nichts mehr machen. Wir sollten deshalb jetzt noch eine halbe Stunde plaudern, und dann schaun und hoffen wir mal... Als Horowitz später besorgt zurückkommt und fragt, Franz, haben Sie es schaffen können, entgegnet Mohr mit ernster Miene, Maestro, wir haben alles gegeben, ich bin überzeugt, er sollte ihnen jetzt gefallen und nun so sein, wie Sie es immer bevorzugen. Bitte probieren Sie doch noch einmal! Horowitz setzt sich und lächelt nach den ersten Tönen seelig: Wunderbar, Franz, ganz wunderbar. Wenn ich Sie nicht hätte. Das hätte kein anderer geschafft. Ich lade Sie nach dem Konzert zum Essen ein....

Ich finde diesen charmanten Umgang Mohrs bezeichnend und lehrreich. Natürlich kann so etwas auch schiefgehen, oder schwierig werden. Was, wenn z.B. Horowitz darauf bestanden hätte beim "Blitz-Regulieren und Nachstimmen" dabei zu bleiben? Da ist es nur gut, wenn wenigstens einer noch einen klaren Kopf behalten kann. Und genau deswegen hat mich beim diesem Pianomania-Film, den ich damals auch gesehen hatte, die meiste Zeit doch ein etwas ungutes Gefühl beschlichen, weil da die für meine Begriffe unglücklichste Antwort auf die Frage nach der nötigen Feinabstimmung gegeben wird - sie wird idealistisch verklärt, überhöht, und endlos zelebriert:

Und die werden durch kleinste Unebenheiten im Anschlagsgewicht, Masseverteilung innerhalb der Mechanik, leichten Schwebungen bei Chören, Unreinheiten in der Obertonzusammensetzung bei älteren/defekten Saiten oder Intonationsunterschiede bei einzelnen Hämmern schlicht in den Wahnsinn getrieben.

Merke: Auch wenn es die meisten nicht hören, spüren oder "begreifen", gibt es diese feinen Unterschiede - und wem dies just passieret, dem bricht das Hirn entwei.

Der Film "Pianomania" ist in dieser Hinsicht sehr aufschlußreich darüber, wie zwei zu den 1% gehörenden Künstlern, also Pianist und Klaviertechniker, dort anfangen zu arbeiten, wo die restlichen 99% es für gut genug befunden hätten.
Ich erinnere mich nicht mehr an die Details. Aber ich glaube Aimard bleibt bei der Feinabstimmung fast immer in der Nähe des Flügels und formuliert stellenweise m. E. immer höhrere Ansprüche und feinere Nuancen, die man kaum nachvollziehen, geschweige denn technisch am Klavier noch so differenziert einstellen kann. Von denen ich sogar glaube, dass er sie selber nicht klanglich auseinanderhalten könnte, sondern dass sie irreal sind und nur in seiner idealen Vorstellungswelt existieren. Nur darf man das einem Hochsensiblen, der unter Hochdruck steht, natürlich niemals sagen. So weit, so Künstler, siehe Horowitz. Aber nun lässt der Klaviertechniker nie auch nur mal ansatzweise irgendwo erkennen, dass es eigentlich nicht mehr besser geht, und er das auch weiß, sondern er meint fast immer, genau zu verstehen, was Aimard will und erweckt den Eindruck, es mit seinem Können auch jederzeit technisch umsetzen zu können.

Genau da allerdings beschleichen mich große Zweifel. Soll jetzt nicht heißen, nur weil ich das in weiten Teilen nicht nachvollziehen kann, wüssten da beide grundsätzlich nicht was sie täten. Aber dass es bei beiden über quälend lange Zeit möglicherweise doch genau so war, und auch der Techniker keinen klaren Kopf behalten konnte (im Unterschied zu Franz Mohr), diesen Eindruck hatte ich in diesem Film schon. Auch wenn es anmaßend klingt, und ich das vielleicht falsch beurteile, aber ich denke, dass am Ende der Prozeß eher von Erschöpfung und unerbittlichem Termindruck auf beiden Seiten beendet wurde, als von der beruhigenden Gewissheit eine bestmögliche Abstimmung erreicht zu haben. Insofern trägt der Film seinen Titel zu Recht, denn manische Charaktere werden nie mit etwas fertig... Aber fertig werden muß man, denn irgendwann kommt die Realität dazwischen, da beginnt das Konzert oder die Aufnahme nun mal.

Wie auch immer. Übertriebener Perfektionismus ist meines Erachtens jedenfalls unangebracht, er verbraucht Energie, die anderswo produktiv wäre und dafür verloren ist, und das alles kann im Extremfall sogar krank machen. Davor sollte man auch einen Künstler schonen, wozu dieser natürlich seinem Techniker vertrauen muß. Höchste Ansprüche sind legitim. Der technische Grundsatz "gut genug reicht aus" bedeutet im Gegensatz dazu aber nicht zwangsläufig, sich mit Mittelmaß abzufinden. Er kann auch genau umgekehrt bedeuten, sich über die Grenzen des Machbaren sehr gut im Klaren zu sein und unter realistischen Gegebenheiten das Optimum herauzuholen und gerade an diese Grenze zu gelangen, also das Allerbestmögliche zu erreichen, die höchsten Ansprüche zu erreichen, nur halt ohne zeitraubendes, Nerven kostendes und im Grunde sinnloses "Overdoe". Diese Grenzen zu kennen, zu respektieren, und beim Arbeiten das maximal mögliche Niveau auch zu erkennen, wenn es erreicht ist, und den Rest den unvermeidlichen Unwägbarkeiten zu überlassen, also der Gunst der Stunde und dem Vermögen des Künstlers zu überlassen, statt ellenlang weiter gequält irgendwo herumzufeilen: darin zeigt sich meines Erachtens wirklich wahre Könnerschaft.

Kommt hinzu, dass große pianistische Könner auch erstaunliche spieltechnische Resserven haben, um gegen widrige Umstände anzuspielen und auch einem nicht ganz gefügigen Instrument ihren Ton aufzuprägen. Insofern glaube ich auch, dass die Antwort, die der Film Pianomania zum Thema Klavierabstimmung geben will, nicht so bewundernswert ist, wie sie erscheinen möchte, sondern eher problematisch und manchen vielleicht in die Irre führt, wenn er glaubt, es läge vor allem und auch ganz entscheidend am Instrument... Oft vielleicht nicht... Trotzdem hoffe ich, Perfektionisten wie Pierre Laurent Aimard und andere Weltklassepianisten, oder auch entsprechend gestrickte Amateure in diesem Thread, nicht mit meiner Portion pragmatischer Ignoranz und dem "Good-Enough" beleidigen zu können. Aber ein Augenzwinkern, wo gerne schon mal allzu abgehobene Ansprüche vertreten werden, möge erlaubt sein ;-)

Bleibt noch eine dritte Antwortmöglichkeit, der Gedanke an einen Film mit Yuja Wang, der die Auswahl eines Flügels vor dem Konzert nicht deshalb ein Graus ist, weil Sie kaum etwas für ihre höchsten Ansprüche und Vorstellungen finden kann, sondern genau umgekehrt: ja, sagst sie, die klingen und spielen sich in Nuancen schon etwas verschieden, aber ich kann unmöglich sagen was da jetzt am Besten sein soll. Die sind doch alle sehr gut. Stakst auf ihren Stöckeln zwischen den Flügeln rum und meint lachend zu den Technikern: sagen Sie sie mir einfach, welchen ich nehmen soll, ich finde das alles auch nicht so wichtig. Ich kann auf allen spielen. Es belastet mich eher, dass die Leute unbedingt wollen, dass ich die Auswahl so wichtig nehmen und dafür so viel Zeit aufwenden soll... (denn die Klamottenauswahl ist ihr vermutlich viel wichtiger. Das andere Extrem halt.) :-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Manchen Künstlern ist es wichtig, anderen nicht. Sicher ist auch Psychologie dabei. Manche übertreiben dabei und/oder steigern sich in etwas hinein. Aber aus der Horowitz-Anekdote zu schließen, dass es kein anderer merken könnte oder dass es immer Einbildung wäre, ist Unsinn. Manche Leute spüren den Unterschied sehr wohl.

Gerade im ppp, wenn ein Hauch zwischen Ton oder nicht-Ton entscheidet, kann man Unterschiede in der Regulierung gut feststellen - aber natürlich nicht nur da.
Manchmal manifestiert sich der Unterschied nicht direkt im Druckgefühl, sondern eben im Ton. Auch, wenn die Fingerspitze nicht zwischen 50 und 51g unterscheiden kann, merkt man doch beim Spielen einen Unterschied - zumindest eben manche. Andere spielen durch Ungleichmäßigkeiten durch.

Manche stört ein Rauschen der Lüftung, das andere gar nicht wahrnehmen. Menschen sind unterschiedlich.
 
PS @ Yuja Wang: Das mag wohl auch mit der Stückauswahl zu tun haben. Wenn sie Prokofiev spielt - zB Toccata, oder Precipitato aus Sonate 7 - dann ist das etwas anderes, als was Aimard mit Bach macht. Ich könnte mir vorstellen, dass jemand, der viele eher perkussive Stücke spielt, sich angewöhnt, durch Ungleichmäßigkeiten durchzuspielen, bzw. sie zu dominieren.
Wie gesagt: Charakter- bzw. Geschmackssache.
Sie behauptet übrigens nicht, dass sie die Unterschiede nicht bemerken würde(!), sondern dass sie sich nicht dafür interessiert.
Den "besten" Flügel zu finden, ist wieder etwas anderes. Denn auch, wenn einem die Unterschiede deutlich auffallen, hat der eine Flügel den einen Vorteil, der andere einen anderen Vorteil. Keine Lust auf die Abwägung zwischen den Flügeln zu haben, heißt nicht, die Unterschiede nicht zu erkennen.
 
Aus Deinem Beitrag ziehe ich folgende Schlüsse:
  • Du hast selbst noch nie mit einem Pianisten der Extraklasse gearbeitet
  • Einen Klaviertechniker der Extraklasse hast Du auch noch nie selbst erlebt
  • Wie sich ein tatsächlich perfekter Flügel anfühlt und anhört - und was an Arbeit darin steckt, dorthin zu kommen, weißt Du auch nicht.
  • Welch tiefes Gefühl der Befriedigung sich einstellt, wenn die eine Nuance am Ton sich plötzlich genau so darstellt, wie man es stundenlang versucht hat hinzubekommen, weißt Du nicht und tust es als übertriebenes Getue ab
  • "Hört ja eh keiner" bringt Dich zum Nicken
  • Die Herren Knüpfer und Aimard sind sowieso esoterische Spinner
  • Und er kam zu dem Ergebnis: Nur ein Traum war das Erlebnis, denn - so schloss er messerscharf - es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Behalte Dir Deinen naiven Glauben bei, er ist beruhigend, weil man dadurch erst gar nicht in Grenzgebiete vorstößt und sich fürderhin auf dem Gedankengut des hier bereits augeführten Herrn Mediocrates ausruhen kann.

Lass Dich vor allem nicht dadurch irritieren, dass es erstaunlicherweise dennoch Menschen gibt, die einen 1928er Lafite in einer Blindverkostung bennenen können oder Klaviertechniker, die alleine durch Stimmen die Obertonzusammensetzung eines einzelnen Tons beeinflussen können oder spüren, dass bei einem eigentlich perfekten Konzertflügel ein Hammerstiel strukturell defekt ist und den 10 Minuten vor einem Konzert noch schnell leimen oder Pianisten, die mehrere Klaviertechniker in den Wahnsinn treiben, weil angeblich ein Ton nicht "richtig" ist - und sich dann rausstellt, dass tatsächlich eine abgebrochene Intoniernadel noch im Hammer verblieben ist.

Das ist dann halt jenseits Deiner Vorstellungswelt und dann ist das halt so.

Vermutlich würdest Du auf meinem Flügel spielen und danach völlig hin und weg sein, weil der einfach geil ist, perfekt reguliert und intoniert und auch noch einen wunderbaren Charakter hat. Mithin würdest Du genau so reagieren, wie praktisch alle Pianisten und Klaviertechniker, die mal auf 60103 im aktuellen Zustand gespielt haben, darunter auch Techniker, die tatsächlich mal für die Herren Horowitz, Gulda, Pollini, Aimard und Konsorten gearbeitet haben.

Und dennoch würde ich sagen, dass der Flügel gerade mal bei 95% seines Potentials ist (für ein 135 Jahre altes Instrument), noch viele winzige Wunden hat, in die ich meine Finger legen kann und die ich nach und nach dann doch noch ausgebügelt haben will. Gottseidank betrachten mich meine Techniker nicht als kompletten Spinner, sondern arbeiten tatsächlich immer wieder an diesen kleinen Wunden und ich schätze mal, dass ich so in ca. 10 Jahren dann bei vielleicht 97% bin ;-)
 
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Wow, was hier alles angeblich nicht nur irgendwo herausgehört, sondern auch bei mir herausgelesen werden kann...
Wobei die erstaunlichen Fähigkeiten, meine Aussagen zu entstellen oder mir Behauptungen unterzuschieben, die ich gar nicht aufgestellt habe, allerdings meine Vermutungen bestätigen, dass manche halt glauben auch da etwas zu erkennen, wo eigentlich gar nichts vorliegt, weil sie es eben auf ihre Weise so sehen wollen. Des Kaisers neue Kleider halt...

Was wären Künstler und Kreative ohne ihre Einbildungskraft. Nur wenn sie halt überschießt, oder man sich gegenseitig übertrumpfen möchte, und meint, man könne und müsse das Gras wachsen hören, dann werden so manchen berechtigte Zweifel kommen. Aber bittesehr, was nützen die schon, solange keiner es kritisch überprüfen wird. Denn schließlich lässt sich genau mit diesem Bedürfnis - mundus vult decipi - auch gut Geld verdienen.

Ich für mein Teil finde jedoch etwas Realitätssinn und Bescheidenheit viel besser und bin davon überzeugt, damit kann man auch tatsächlich zum Ziel kommen, ohne sinnlos teuren Aufwand. Wenn das naiv sein soll, meinetwegen. Ich muß auch schmunzeln, wenn jemand aus Besitzerstolz seinen zwar liebevoll und aufwendig restaurierten, aber im Grunde ziemlich rückständigen und klapprigen Oldtimer für technisch weit überlegen hält. Denn früher war ja bekanntlich alles so viel besser. Kann man so glauben, kann man aber auch hinter vorgehaltener Hand mal drüber lachen.

Vielleicht stellt sich ja auch die eine oder der andere mal unwillkürlich die Frage, wieso in allen großen Konzerthäusern und bedeutenden Tonstudios die Flügel nach 10 oder spätestens15, 20 Jahren gegen nagelneue ausgetauscht werden? Müssten da nicht viel mehr, oder sogar überall alte bis uralte Schätzchen herumstehen, die dann dauernd von Spezialisten maximal gehätschelt würden, ähnlich wie bei Geigen auch? Das käme doch garantiert auch wirtschaftlich viel günstiger. Warum ist das nicht so?

Weil Flügel im Vergleich zu Geigen schon rein konstruktiv höchst labile Instrumente sind, die unter größter Belastung stehen, enorme schädliche Scherkräfte aushalten müssen, und nach jedem großen Konzert wegen erschöpfter Zugspannung schlapp in den Saiten hängen. Weshalb sie das im täglichen Profibetrieb dauernd nötige Nachregulieren und Stimmen schon bald immer schlechter wegstecken, deshalb vorzeitig altern und nach 10 oder 15 Jahren abgenudelt sind, wenn sie viel bespielt wurden. Kann man dann überarbeitet wegen der großen Namen zum Glück noch einigermaßen weiterverkaufen, denn manche Amateure oder Connaisseure haben das nötige Geltungsbedürfnis und auch das nötige Kleingeld, oder geben sogar ihr letztes Hemd dafür her.

Der dünne irgendwie verblichene Klang gefällt manchen Leuten so sogar und kommt auch kleineren Lokalitäten entgegen, die sonst von Neuinstrumenten akustisch komplett erschlagen würden. Aber so gut wie jeder Profi will von solchen alten Kisten nichts mehr wissen, weil sie keinen großen runden Ton mehr haben, der in einem gefüllten großen Saal noch trägt und sie auch gegen kein Orchester mehr bestehen könnten. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei, wie bei alten Sängern auch, da bewirken auch teure Frischzellkuren keine Wunder. (Ausnahmen und speziell bewußt auf antik getrimmte Einspielungen bestätigen die Regel.)

Ich will hier niemandem den Spass verderben, der Unsummen in so ein geliebtes Möbelstück investiert und dann verständlicherweise anderen vom großartigen unnachahmlichen Ergebnis berichtet. Wer darf es wagen, dem zu widersprechen, wer würde es bei einem persönlichen Treffen tun? Denn es stimmt ja, diese Stücke sind für diesen einen Menschen etwas ganz und gar Besonderes. Sie sind besonders alt und bekommen ihr verdientes Gnadenbrot bei ihren Liebhabern. Es geht ihnen beiden gut. Was will man mehr...:-) Aber Liebe macht bekanntlich blind, und manchen steigen solche Geschichten derart zu Kopf, das man, wenn es etwas zu viel wird, auch mal versuchen darf, für etwas mehr Bodenhaftung zu plädieren, nicht wahr?

PS.: die ABM Geschichte von der abgebrochenen Intoniernadel fand ich noch nie besonders eindrucksvoll. Fraglos ein genialer Pianist. Aber dass man ein Stück Metall im Hammerfilz je nach Anschlag durchaus heraushören dürfte, leuchtet mir durchaus ein. Dass man dazu zwangsläufig überirdische Fähigkeiten bräuchte dagegen nicht. Und eine gewisse Schlitzohrigkeit hatte der auch - so fanden ein paar Aufnahmetechniker am Ende einer letzten Session bei dem Flügel, den er eigentlich abgelehnt hatte, und der deshalb im Hintertgrund stand, einen kleinen Keil verklemmt am Gestänge des Haltepedals. Der Maestro hatte ihn raffinierterweise immer schön mitresonieren lassen, nur beim letzten mal vergessen den Keil zu entfernen und daher gerne alle im Glauben gelassen, die irisierenden Klänge beruhten allein auf seiner rein individuellen Magie des Anschlags... Kochen aber genau besehen alle auch nur mit Wasser.
 
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Ich lasse es dann jetzt besser gut sein. Ich wüsste aber schon gerne, wie die Sache bei Jennifer nun weitergegangen ist?
 

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