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Bei der Vermarktung von Künstlern mit körperlichen Einschränkungen spielt der Aspekt eine Rolle, dass die meisten Rezipienten einigermaßen gesund sind, über mehr oder minder intakte Sinnesorgane verfügen und es deshalb nur schwer nachvollziehen können, dass man erhebliche oder komplette Ausfälle in manchen Fällen durchaus kompensieren kann. Wer sich ein wenig mit dem Spiel von Tasteninstrumenten befasst hat, kennt die guten Gründe dafür, weshalb man die wenigste Zeit den Blick auf die Tastatur richtet und somit auch als Besitzer eines intakten Augenlichts im Prinzip die meiste Zeit blind (aber nicht ziellos und unwissend) auf den Tasten agiert.Blind zu sein (oder eine - möglichst hübsche - Frau...) hat natürlich außerdem in der heutigen Marketinggesellschaft zusätzliche Vorteile. Dass blind Klavierspielen können etwas völlig Unproblematisches ist (und Blinde im Hinblick auf das günstige unmittelbar audiomotorische Spiel sogar im Vorteil sind, einziger Nachteil ist das erheblich erschwerte Notenlesen), wissen ja sehr viele Leute nicht, und das kann man natürlich marketingmäßig ausnutzen.
Für stark sehbehinderte oder blinde Pianisten ergibt sich am ehesten ein gravierendes Problem beim Lesen und Einstudieren des Notentextes - wenn dann aber das auch bei normalsichtigen Spielern gängige Stadium des Auswendigspielens erreicht ist, sind die Unterschiede zwischen sehenden und nicht sehenden Spielern nicht mehr allzu groß. Ich spreche aus Erfahrung: Seit vielen Jahren bin ich extrem kurzsichtig, kann aber mit entsprechend hochwertigen Kontaktlinsen unter normalen Bedingungen musizieren. Früher war ich auf eine sehr starke Brille angewiesen, deren Einsatz ich mir in der Einstudierung zunutze machen konnte. Auswendiglernen? Ganz einfach: Lesen - Brille absetzen und blind weiterspielen - zum Lesen Brille wieder aufsetzen. Kein Weglegen der Noten, kein Schließen der Augen oder ähnliche Maßnahmen erforderlich. Die Kompensation hat durchaus positive Nebenwirkungen: Gute Schulung des Gedächtnisses und ein überdurchschnittliches Hörvermögen - sicherlich keine schlechten Voraussetzungen für den Alltag eines Berufsmusikers.
LG von Rheinkultur