(1) Versuche, die Schrift zu verfälschen, gab es zu allen Zeiten.
Allerdings sind meine Ausführungen gar nicht verstanden worden.
(1) Ich habe auf deine Ausführungen gar nicht geantwortet. Sonst hätte ich dich gefragt, wie du das hier meinst:
Daß Christus ein ER ist, liegt darin begründet daß seine Braut, die Kirche, eine SIE ist. Die Rollen sind also von Anfang an klar verteilt.
Denkst Du da an die - historische unhaltbare - ekklesiologische Interpretation des Hohenlieds oder inwiefern sonst spielt die Metapher von der "Braut Kirche" eine so große Rolle für das Mannsein Christi?
Aber vielleicht habe ich das "Versuche, die Schrift zu verfälschen, gab es zu allen Zeiten" wenigstens verstanden: Gehe ich Recht in der Annahme, dass du ein ahistorisches Schriftverständnis hast, das davon ausgeht, dass die Bibel als ganze "offenbart" worden ist? Und nicht als Korpus über einen Zeitraum von rund 700 Jahren (wenn wird von der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil bis zur Apocalypse Iohanni rechnen und die vorherige mündliche Tradition außer Acht lassen) verschriftet worden ist, mit allen Verständnisproblemen, welche das mit sich bringt? Nun, dann will ich dir nichts hineinreden, aber die Negierung der Notwendigkeit einer historisch-kritischen Bibelforschung ist eine schlechte Basis für eine Diskussion.
(2) Klar, dann hätte man noch eine weitere menschengemachte Religion geschaffen. Das ändert aber rein gar nichts am Christentum. Da hat noch jemand anders ein Wörtchen mitzureden.
Ähnliches gilt für (2). "Menschengemacht" ist jede Religion, denn sie kombiniert ein Bündel menschlicher Vorstellungen von Gott oder den Göttern, die sich in einem Bündel daraus abgeleiteter Begehungen und Riten Ausdruck schafft. Habt ihr etwa keine Kirchenmusik? Nun, woher wissen wir, dass Gott Bach und Beethoven bevorzugt und, so hoffe ich wenigstens, über das "Neue Geistliche Lied" nur milde den Kopf schüttelt? Hat er es überhaupt nötig, ein Gehör zu haben? Die ganze Kirchenmusik ist historisch eine Projektion von Ausdrucksmitteln der paganen Hymnik und der abendländischen Herrscherpanegyrik auf Gott, also etwas durch und durch "Menschengemachtes" wie das allermeiste im religiösen Leben jedweder Gemeinde, und nur weniges wie das Vaterunser, der Missionsbefehl oder das Abendmahl kann, mit einigem Optimismus, auf Christus selbst zurückgeführt werden. Und auch bei diesen Dingen ist ihr Verständnis durch und durch "menschengemacht", sonst hätten wir etwa nicht die Auswahl zwischen Gedächtnismahl, Trans- und Konsubstantiation und tatsächlich präsentem Leib.
Du wirst jetzt vermutlich antworten, der große Unterschied bestehe aber darin, dass deine Religion von Gott selbst offenbart worden sei. Nun, diesen Anspruch hat der Neuplatonismus auch erhoben: Das Eine hat seine umfassende Güte durch den Akt der Schöpfung gezeigt, obwohl es das ja gar nicht nötig hatte. Konzeptuell kein so riesiger Unterschied gegenüber "unserem" Gott. Nur dass die Neuplatoniker nicht auf altbekannte Mythologeme wie die Sintflut oder den Tod und die Auferstehung des Gottes rekurrierten, weil ihnen das intellektuell zu bieder war.
Bitte verstehe das nicht als Kritik an deinen Überzeugungen, denn Glauben ist einer Kritik ja eo ipso ohnehin entzogen. Aber als leisen Hinweis darauf, dass du es dir vielleicht ein klein bisserl einfach machst, darfst du es schon verstehen.