Ohne dich näher zu kennen, habe ich das Gefühl, dass du dich mit der Materie noch nicht richtig beschäftigt hast. Dazu ein paar Gedanken von mir:
Es gibt Flügel wie Sand am Meer, neue wie gebrauchte, große wie kleine, teure und günstige. Wenn du noch keine konkreten Kriterien definiert hast, worauf es dir ankommt, wäre es das Beste, möglichst viele Instrumente anzuspielen und für sich selbst zu dokumentieren, was einem gefällt und was nicht. Dass Dir ein nagelneues Instrument und gleichzeitig ein sehr altes Instrument zu sagen, ist keine Überraschung. Interessanter wäre zu erfahren, warum es genau diese beiden sind.
Ein nagelneues und ein altes restauriertes Instrument haben einige grundlegende Unterschiede. Ein nagelneues Instrument kommt aus einer Fabrik, die nach heutigen Qualitätsstandards und Fertigungsprinzipien eine Vielzahl von Instrumenten herstellt, und die letztendlich möglichst ähnlich sein sollen und den aktuellen Markt bedienen. Du kannst dich darauf verlassen, dass die Instrumente nach dem heutigen Fertigungsprinzipien hergestellt werden, aber eben auch unter dem heutigen Druck der Wirtschaftlichkeit und der Produktivität. So sind dann viele Bauteile nicht mehr aus Holz, sondern stattdessen z.b. aus Kunststoff hergestellt. Das muss nicht nachteilig sein, früher ging es einfach nicht anders. Man hat aber auch dazu gelernt und ich würde vermuten, dass heute hergestellte Instrumente gemäß den heutigen Erwartungen haltbar und langlebig sind.
Gleichzeitig gibt es aber auch Dinge, die man heute nicht mehr wirtschaftlich herstellen kann, weil der arbeitsaufwand zu hoch ist. So kommen dann gebrauchte restaurierte Instrumente ins Spiel. Ein gebrauchtes Instrument hat vor über 100 Jahren mal die Fabrik verlassen und wurde seitdem benutzt, gepflegt, gewartet, repariert und letztendlich instandgesetzt. Dein Geld geht großteils an die Hersteller der Ersatzteile und an die Arbeitsleistung des Restaurators. Deshalb kommt es gar nicht so sehr darauf an, welcher Markenname auf der Tastenklappe steht, sondern vielmehr auf die Kompetenz des Restorators und die Auswahl hochwertiger Ersatzteile. Es ist auch ein großer Unterschied, ob nur einige kleine Umfänge instand gesetzt wurden oder der gesamte Flügel.
Entscheidend ist deshalb zu erfahren, welche Arbeiten gemacht wurden, von wem und unter Verwendung welcher Teile. Wenn dein Händler dir das nicht sagen kann oder will, ist das ein Kauf unter erhöhtem Risiko. Das Risiko liegt weniger darin, dass das Instrument jetzt nicht funktioniert, sondern vielmehr, dass du in 5 Jahren Probleme haben könntest, die man nicht so einfach lösen kann. Am Ende ist ein Flügel auch eine Investition und soll eines Tages wieder verkäuflich sein, was bei zweifelhaften Restaurationen schwierig ist.
Noch einen weiteren Aspekt möchte ich ansprechen: das Instrument wird nicht dort gespielt, wo es jetzt steht. In den Hallen der Händler klingt es immer gut, dort stehen viele Instrumente und die Räume wurden für diesen Zweck ausgestattet. Bei Dir zu Hause mag das anders sein.
Ich glaube, du solltest einfach noch ein paar weitere Instrumente ausprobieren und dabei neue wie gebrauchte gleichermaßen in Betracht ziehen. Du wirst sehen, dass der Markt für gute gebrauchte Instrumente gar nicht so klein ist und dass dir noch viele weitere attraktive Optionen über den Weg laufen könnten. Es gibt aber auch viel Schrott. Gerade durch das Ausprobieren schlechter Instrumente bekommt man auch ein Gefühl dafür, wenn man einmal ein richtig gutes unter den Händen hat. Dann sag nicht nur das Herz ja, sondern auch der Verstand.