Eure Fragen an eine erfahrene Klavierprofessorin

Habt ihr auch konkrete Fragen zum Klavierspielen ganz direkt? Zur Technik? Interpretation? Übeweise?

Mich würde ihre Meinung zu der (bereits viel diskutierten) Frage interessieren, ob es aus ihrer Sicht empfehlenswert ist, bestimmte Klaviertechniken bzw. den gesamten Spielapparat zu pflegen, indem man täglich bestimmte Etüden übt (ggf. auch zum Warmspielen). Hiermit meine ich natürlich keine musikalisch reizvollen Konzertetüden (Chopin, Liszt etc.), sondern die berühmt-berüchtigten "trockenen" Etüden á la Czerny, Cramer etc., oder sogar reine Fingerübungen wie Hanon etc.

Ich bin eigentlich bislang immer gut damit gefahren, technische Probleme ausschließlich anhand der Stücke, die ich ohnehin übe, zu erlernen bzw. diese Techniken zu pflegen. Z.B. gibt es Doppelgriffe, Oktavläufe etc. zu Hauf auch in diversen schwereren Liszt- oder Brahmsstücken etc. Dafür brauche ich keine Etüden. Das gleiche gilt für Läufe usw.

Ich weiß aber, dass es hierzu haufenweise und sehr ernstzunehmende Stimmen von Pianisten gibt, die das absolut anders sehen. Das lässt mich manchmal an meiner Auffassung zweifeln. Ein sehr junger (talentierter) Pianist z.B., der sich derzeit verstärkt auf Social Media präsentiert, zeigt in seinen kurzen Videos regelmäßig, dass er täglich Czerny-Etüden aus op. 740 spielt und ihm das technisch viel bringen würde.
 
Mich würde ihre Meinung zu der (bereits viel diskutierten) Frage interessieren, ob es aus ihrer Sicht empfehlenswert ist, bestimmte Klaviertechniken bzw. den gesamten Spielapparat zu pflegen, indem man täglich bestimmte Etüden übt (ggf. auch zum Warmspielen). Hiermit meine ich natürlich keine musikalisch reizvollen Konzertetüden (Chopin, Liszt etc.), sondern die berühmt-berüchtigten "trockenen" Etüden á la Czerny, Cramer etc., oder sogar reine Fingerübungen wie Hanon etc.
Darüber hinaus würde mich interessieren, inwieweit Sie das üben von Tonleitern und Arpeggien für fortgeschrittene Pianisten für sinnvoll halten und gibt es bestimmte Ansätze und Übemethoden die sie empfehlen, um das üben von Tonleitern und Arpeggien für die technische und musikalische Entwicklung einzusetzen?
 
Wenn es mit wirklich fachkundiger Anleitung geschieht und vom Schüler gewissenhaft und intelligent durchgeführt wird, ist es letzlich für die Technik (in dem viel zu begrenzten Sinne, in dem der Begriff hier offensichtlich gebraucht wird - also Tonfolgen schnell und genau reproduzieren zu können) herzlich wurscht, womit man die erarbeitet, ob mit dedizierten Etüden oder durch Auswahl von Stückrepertoire, in dem die entsprechenden Spielfiguren prominent vorkommen.

Es geht aber um weit mehr - nämlich darum, wirklich musikalisch zu gestalten. Die "Technik" in obigem Sinne ist dazu nur ein notwendiges Mittel. Und dafür eignet sich nun mal Zeug, das einen nicht emotional anspricht, sondern einem geradezu zuruft: "Ich existiere nur, um stumpf gebimst zu werden", nicht gut. Macht man so was viel und besitzt man nicht die erforderliche Sensibilität bzw. gute Anleitung, so trainiert man sich unmusikalisches Spiel an und wird womöglich einer von denen, über den die Leute sagen: "Er kann ja irgendwie schon spielen, aber irgendwie lässt es mich kalt (bzw. es nervt mich nach kurzer Zeit, oder 'irgendwas ist immer merkwürdig')."
 
Es geht aber um weit mehr - nämlich darum, wirklich musikalisch zu gestalten. Die "Technik" in obigem Sinne ist dazu nur ein notwendiges Mittel. Und dafür eignet sich nun mal Zeug, das einen nicht emotional anspricht, sondern einem geradezu zuruft: "Ich existiere nur, um stumpf gebimst zu werden", nicht gut.

Da stimme ich dir absolut zu. Allerdings trifft das nur auf Sachen wie Hanon etc. zu.

Auch z.B. die Etüden von Czerny (insbesondere op. 740) sind musikalisch teilweise sehr reizvoll. Und die kann man sehr wohl musikalisch spielen und sollte das auch unbedingt tun. Das musikalisch spielen und die "bloße" Technik hängen unmittelbar miteinander zusammen und sind nicht isoliert. Es ist oft zu beobachten, dass eine "Technik" plötzlich manuell gelingt, wenn man sie musikalisch übt.

Das ist aber alles nicht der Punkt hier: Der Unterschied zwischen einer Czerny-Etüde und einem großen Repertoire-Stück ist, dass ich in der Czerny-Etüde isoliert ein bestimmtes technisches Problem behandelt finde. Das kann ich dann anhand der Etüde auch genauso isoliert (natürlich musikalisch gespielt) üben.

Bei vielen Chopin-Etüden funktioniert das ebenfalls noch. Bei z.B. Liszt-Etüden sieht das schon wieder anders aus, da dort (wie bei den Repertoire-Stücken) viele verschiedene technische und musikalische Aspekte zusammen auftreten.
 
Habt ihr auch konkrete Fragen zum Klavierspielen ganz direkt? Zur Technik? Interpretation? Übeweise?
Ganz konkret und praktisch: Da ich zurzeit auch viel von Bach spiele, fände ich Hinweise zum effizienten Einüben differenzierter Stimmführung (gerade dann, wenn zB eine Stimme oder gar die Mittelstimme mit dem Thema auf beide Hände verteilt gespielt wird) interessant. Wie schafft man es, die verschiedenen Haupt- und Begleitstimmen wie gewünscht in den Vorder- oder Hintergrund treten zu lassen, deutliche "Schlusspunkte" zu setzen, klanglich differenzierte Anschläge in derselben Hand sicher hinzubekommen etc. ...? Notorisch höre ich beim Spielen auch oft zu sehr die rechte Hand und die höheren Tonlagen heraus, scheint mir, was sicher auch nicht immer so sein sollte. Wie trainiert man sein Gehör beim Spielen? Und generell: Wie wird man sicherer in seinem Vortrag?

Das Thema Improvisation beschäftigt mich allerdings auch. Wie könnte eine "sinnvolle Anleitung" auf diesem Gebiet aussehen...?
 
Zuletzt bearbeitet:
- welche Art von Schülern erhalten überhaupt das Privileg solchen Unterrichts (Anfänger, Fortgeschrittene, Studenten, Altersgruppen, soziale Schichten, Bildungsstand...)
Es sind natürlich Klavierstudenten :-) Deren Alter liegt, wenn sie anfangen, normalerweise ca. zwischen 16 und 25, die meisten sind um die 20 oder etwas jünger. Manchmal gibt es natürlich auch Jungstudenten, hin und wieder ältere "Anfänger". Und wenn man Master oder Meisterklasse unterrichtet, wird auch ab und zu die 30 schon berührt.
- inwieweit beeinflusst der Schüler die Methodik, oder auch...
Das sind alles sehr spannende Fragen von dir! Die möchte ich nicht vorschnell und kurz beantworten. Sie tauchen aber auch in meiner Fachmethodik auf, die Interaktion und das Persönliche spielen eben auch eine sehr große Rolle.

Ich frage u.a. auch deshalb, weil es nicht wenige gerühmte KL / Professoren gibt, die ausschließlich ohnehin schon sehr "talentierte" und engagierte Schüler nehmen und es dadurch natürlich deutlich einfacher haben, als pädagogische Granaten dazustehen...
Darüber denke ich auch ab und zu nach. Aber irgendwie müssen sie natürlich auch in diese Rolle bzw. Position gelangt sein. Jeder hat ja mal unbekannt und klein angefangen. Allerdings habe ich auch Unterrichte bei berühmten Leuten genossen hatte nicht den Eindruck, dass der nun besser wäre als der gute Unterricht von nichtberühmten Lehrern. Man kann es schon auch darauf anlegen, ein berühmter Lehrer zu werden (Netzwerken, Wettbewerbe prüfen etc.)
Was ist denn dessen/deren Inhalt? Was macht den Unterricht so besonders? (Das können wir ja hier nicht wissen...)
Der Unterricht ist etwas platt formuliert genauso wie der für Hobbypianisten, nur das Niveau ist auf beiden Seiten höher :005: Es geht also darum, Klavierspielen zu lernen (und natürlich alles, was dazu gehört).

Was mir noch einfällt: inwiefern entwickelt eigentlich jeder so seine "eigene Technik" (denn das hat ja schon Grenzen?).
Interessante Frage! Es sieht zumindest bei jedem anders aus. Wir werden darüber mal sprechen.

Eine Frage hätte ich noch: Wie bringt sie den Schülern Auswendigspielen bei? Gibt es da individuelle Ansätze je nach Schüler (und/oder Alter?) oder heisst es einfach 5000x spielen, bis es sitzt?
Das heißt es sicher nicht, und sicher hat jeder individuelle Ideen. Es gibt aber durchaus ganz normale Techniken, um auswendig zu üben. Kurz gesagt ist es wichtig, das Stück, die Musik, Struktur, Form etc. zu verstehen und zu kennen und mit intuitiveren Aspekten zu verbinden (z.B. Motorik).
Welche Methoden gibt es, die Übezeit möglichst effizient zu gestalten, um sich so Werke relativ schnell zu erarbeiten?
Tja, das ist der goldene Gral. Das kann man schlecht kurz beantworten, aber zusammengefasst geht es darum, immer besser hören, spüren und verstehen zu lernen. Genaueres dann später mal.
Ich bin Fan vom Impressionismus und spiele einiges grade davon, mich würde daher interessieren, wie Sie den Einsatz vom Haltepedal oder una corda Pedal in impressionistischen Werken (wie Debussys "Images" oder Ravels "le tombeau de couperin oder Miroirs") steuern, um Klarheit zu erreichen, insbesondere in Räumen mit variierender Akustik?
Ganz einfach: Man muss es hören können. Der Fuß macht das dann mit etwas Übung so, wie das Ohr es will.

Ich hätte noch eine Frage:
Wer wären denn die Adressaten?
Klavierlehrer, Pianisten, Musiker, Nichtmusiker, Erwachsene….
Das wissen wir auch noch nicht so genau :005:

Mich würde ihre Meinung zu der (bereits viel diskutierten) Frage interessieren, ob es aus ihrer Sicht empfehlenswert ist, bestimmte Klaviertechniken bzw. den gesamten Spielapparat zu pflegen, indem man täglich bestimmte Etüden übt (ggf. auch zum Warmspielen).
Da fragst du fünf Pianisten und hast sechs Meinungen. Ich persönlich mache nie Übungen, habe während des Studiums ab und zu mal vereinzelte Brahms-Übungen o.ä. gemacht. Aber ich bin auch nicht unbedingt als Technik-Freak bekannt.

Ganz konkret und praktisch: Da ich zurzeit auch viel von Bach spiele, fände ich Hinweise zum effizienten Einüben differenzierter Stimmführung (gerade dann, wenn zB eine Stimme oder gar die Mittelstimme mit dem Thema auf beide Hände verteilt gespielt wird) interessant. Wie schafft man es, die verschiedenen Haupt- und Begleitstimmen wie gewünscht in den Vorder- oder Hintergrund treten zu lassen, deutliche "Schlusspunkte" zu setzen, klanglich differenzierte Anschläge in derselben Hand sicher hinzubekommen etc. ...?
Das sind strukturelle, musikalische, technische Aspekte und das Hören ist involviert. Auf all diesen Ebenen kann man sich weiterentwickeln, dann wird auch die Differenzierbarkeit und Durchsichtigkeit besser. Es geht technisch z.B. um die Neigung und Bewegungsrichtung der Hand / des Arms...
Wie trainiert man sein Gehör beim Spielen? Und generell: Wie wird man sicherer in seinem Vortrag?
Mir hat sehr geholfen, wenn mich jemand (sprich: ein Lehrer) auf Dinge hingewiesen hat, die ich vorher überhört hatte. So wie bei einer Bildbeschreibung, durch die einem plötzlich ein gemaltes Detail auffällt, was man vorher zwar gesehen, aber nicht wahrgenommen hatte. Sicherer im Vortrag ist ein mentales Thema - insofern man sein Stück gut geübt hat.
Das Thema Improvisation beschäftigt mich allerdings auch. Wie könnte eine "sinnvolle Anleitung" auf diesem Gebiet aussehen...?
Das kann man mit einem Satz (wie gesagt) nicht beantworten. Ich gebe ab und zu Kurse dazu und habe auch Ideen für Veröffentlichungen. Aber für all das braucht man Zeit...
 
Das kann man mit einem Satz (wie gesagt) nicht beantworten. Ich gebe ab und zu Kurse dazu und habe auch Ideen für Veröffentlichungen. Aber für all das braucht man Zeit...
Vielleicht sind hier die beiden Bücher von John Mortensen einen Blick wert:
"Improvising Fugue: A Method for Keyboard Artists." und "The Pianist’s Guide to Historic Improvisation."

 

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