@Mindenblues: also was die sogenannte Sanierung betrifft, bin ich ehrlich gesagt sehr zurückhaltend. Keine Frage, wenn Komponenten der Mechanik oder gar der akustischen Anlage unrettbar sind, dann kann man wahrscheinlich nur mit einem Austausch Abhilfe schaffen. Allerdings zielt mein Interesse auf den möglichst originalen Erhalt. Beispielsweise war ich zunächst ein ganz klein bißchen enttäuscht, weil mein Blüthner keine blauen Filze hat. Ein Austausch der Filze würde aber einen Wechsel der Saiten bedeuten, was mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht nötig ist. Und nee, das will ich dann auch nicht! Ohne jetzt viel Erfahrung zu haben -eigentlich gar keine- sagt mir mein gesunder Menschenverstand, dass eine Neuteilversorgung im Bereich der klangbeeinflussenden Komponenten den Klangcharakter unweigerlich verändert. Insgesamt habe ich 6 Neuteil-Restaurationen angespielt, da war eine so entsetzlich wie die andere (um es mal drastisch auszudrücken). ABER: auch hier gehen die Geschmäcker auseinander. Wer einen Flügel mit zeitgenössischer Klangcharakterisik sucht, der ist mit einem fast schon historischen Instrument schlecht beraten. Und nur der Optik halber, alte Schnörkel, neuer Klang....:confused:
Auch nur auf leiser Ahnung fußend, würde ich davon ausgehen, dass das Auswechseln einzelner Komponenten deshalb klangzerstörend wirken kann, weil die natürliche Abstimmung älteren Materials dabei verloren geht. Ein gereifter Resonanzboden von damals soll plötzlich moderene Hämmer und neue Saiten verkraften? Oder ein neuer Resonanzboden soll den Klangweg alter Hämmer und Saiten tragen? Kann ich mir alles nur schwer vorstellen, bzw. nur mit einem Gefühl der Disharmonie. Allerdings, ich kenne deinen Steinway nicht und würde mit ihm vielleicht eines Besseren belehrt.... :D ;)
Natürlich wirkt eine Neuteilversorgung klangbeeinflussender Komponenten klangveränderndernd - ob klanzerstörend, oder klangverbessernd, hängt davon ab, wie man den Ausgangsklang beurteilt! Wenn du sowohl mit dem Klang als auch mit dem Spielgefühl restlos zufrieden bist, so wie es ist, würde ich keinesfalls irgendwas ändern wollen. Wozu z.B. 10T€ in eine akustische Erneuerung stecken mit neuer Mechanik, neuen Saiten, Resonanzbodenaufarbeitung etc., wenn alles persönlich optimal zu sein scheint? Wäre ja irgendwie blöd...
Kann nur sagen, so wie der Appetit oftmals erst beim Essen kommt, war es in meinem Fall auch so, dass ich erst durch das Anspielen entsprechend klangsanierter Instrumente erkannt habe, was anders war gegenüber meinem nichtsanierten bzw. nichtrestauriertem Flügel. Was den Klang, die Klangkontrolle, das Spielgefühl angeht...
Man sollte nur nicht dem Trugschluß verfallen, dass ein 100 Jahre alter Flügel nach 100 Jahren so klingt wie am ersten Tag.
Ein paar Beispiele:
1) Genauso wie Gitarrensaiten nunmal Brillianz verlieren und stumpf klingen, wenn sie angegammelt sind, ist es beim Klavier ebenso (vor allem bei den Baßsaiten) - nicht ganz so drastisch allerdings. Nur wer den Unterschied kennt vom Klang neuer und uralter Saiten, kann das nachvollziehen, fürchte ich allerdings.
2) Hammerfilze haben nun mal die unangenehme Eigenschaft, sich sowohl durch Alterung, aber vor allem durch den Spielgebrauch, zu verhärten. Als Ergebnis klingt es mehr oder weniger immer in Richtung plauzig und harsch, was zu Beginn je nach Anschlag weich oder brilliant klang. Im Endstadium mag man gar nicht mehr den Flügel voll aufklappen, weil es zu harsch klingt. Irgendwann bewirken auch Abschleifen und Nachstechen keine Wunder mehr.
3) Der ursprünglich in konvexer Spannung gehaltene Resonanzboden hängt stattdessen durch (so war es zumindest bei meinem Schätzchen). Ein in Spannung gehaltener Resonanzboden schwingt aber besser - mein Klavierstimmer brachte das Bild einer Wäscheleine, die fest gespannt auch besser schwingt, als wenn durchhängt. Wenn neue Saiten genauso dimensioniert sind wie die ursprünglichen, und der Resonanzboden wieder genauso in Spannung gebracht wird, warum soll das der Flügel die Spannung neuer Saiten nicht verkraften, um auf deine Frage einzugehen? Die interessantere Frage ist, ob man auf 440Hz stimmen sollte oder z.B. 435Hz, weil das mglw. ursprünglich der Fall war. Das macht sicherlich einiges aus an zusätzlicher Saitenspannung. Ich würde es - und habe es- riskiert bei meinem Flügel.
Weiterhin, eine akustische Sanierung heißt mitnichten, dass man den originalen Zustand (wie er am ersten Tag war!) nicht nahekommen möchte. Was z.B. die Mechanik angeht, kann man sehr wohl eine neue Mechanik einbauen lassen, die von der Konstruktion, Material und Hammerkopfdimensionen dem Originalzustand sehr, sehr nahe kommt. Vielleicht wird heute kein Antilopenleder mehr eingesetzt und ähnliche Dinge, um ein Beispiel zu nennen.
In meinem Fall konnte ich mich entscheiden, ob ich mir von Fa. Renner Hammerköpfe einbauen lassen wollte, wie sie 1935 (Jahrgang meines Flügels) üblich waren, oder wie sie heute üblich sind beim gleichen Steinway-Modell (Renner ist der Zulieferer für Steinway, und ich glaube auch Bechstein oder Blüthner, natürlich streng getrennt in Material/Bauform). Die Hammerköpfe sind im Laufe der Zeit immer wuchtiger geworden, weil es die Leute offenbar immer mehr krachen lassen wollen, egal ob Konzertflügel oder zu Hause. Ich habe mich bewußt für die Hammerköpfe und Hammerfilze entschieden, wie sie vorher in meinem Flügel drin waren. Grund: der Flügel steht nicht im Konzertsaal, sondern in meinem Wohnzimmer. Man muß ihn nicht noch 3 Häuser weiter hören können.
Ob blaue oder rote Filze, wäre mir wahrscheinlich egal, aber das ist Geschmacksache. Worauf es mir ankam, war, wieder einen schönen singenden Ton erzeugen zu können, und sowohl warm und weich als auch mit brillianter Klangfarbe spielen zu können, und eine präzise und gleichmäßige Mechanik zu haben. Wie der Klang 1935 war, kann ich eh nicht beurteilen, kann aber angeben, welcher Klang mir vorschwebt. Weiterhin habe ich bewußt keine optische Sanierung machen lassen, weil ich Gebrauchsspuren an Instrumenten geradezu liebe. Das Holz vor den Tasten ist bei mir an vielen Stellen bis auf das blanke Holz abgeschabt, und die Deckelinnenseite total verschrammt, weil ich mit den Fingern gerne weit vor in die Tasten reinrutsche und dann an den Deckel komme. Man soll ruhig die tausende Stunden sehen können, die am Instrument verbracht wurden, finde ich. Und wenn Weinglasflecken auf den Notenpultablagen da sind - man hat eben gelebt am und mit dem Flügel, nunmehr etwa 40 Jahre in eigenem Gebrauch...