Der Kasper auf dem Klavierschemel – Bewegung beim Klavier spielen

Ich führe diese Diskussion auch mit Regelmäßigkeit mit meiner Klavierlehrerin, die mich zur Schauspielerei erziehen will.

Davon halte ich garnichts. Schauspierei geschieht im Kopf, wo sie auch bei Klavierspielern passieren sollte, nicht aber mit den Gliedmaßen, die sollten einfach natürlich mitgehen - oder auch nicht, je nach Individuum - aber nicht gesteuert werden. Das erinnert mich an einen Rhetorik Kurs, in dem wir Gestik geübt haben: "Der Zwerg ist ganz klein" (Daumen und Zeigefinger zusammen)
"Ich freue mich, daß sie alle" (Arme ausbreiten) "hergekommen sind," (mit dem Finger auf den Fußboden zeigen) "um mich" (was wohl....) " anzuhören." Wenn man so Klavier spielt, erlauben einem die Eltern bestimmt bald, aufzuhören ;)
 
Ich denke schon, dass eben nicht nur die Fingerspitzen, sondern der gesamte Bewegungsapparat am Klang beteiligt ist. Die Fingerspitzen stellen nur das Ende dieses Bewegungsapparates dar.

Ich möchte an der Stelle nicht missverstanden werden:

Ich stelle mir vor die Finger eines Pianisten zu filmen. In Gedanken schneide ich kurz nach den Fingerspitzen den Rest des Körpers ab.
Weiter stelle ich mir eine Maschine vor, die mit kleinen Hebeln in der Lage ist diese restlichen Fragmente zu bewegen, und zwar genau so wie sie sich auf dem Film bewegen. Würde der gleiche Ton und die gleiche Musik entstehen? Selbstverständlich. Die Klaviertasten wissen nichts davon, wie die Massen, durch die sie beschleunigt werden, angetrieben sind.

Deswegen sage ich etwas überspitzt: es kommt nur darauf an wie die Tasten beschleunigt werden, und das tun NUR die berührenden Teile der Finger. Natürlich kann es notwendig sein bestimmte Körperbewegungen durchzuführen um es den Fingern zu ermöglichen sich eben so zu bewegen (z.B. kann ich die Muskulatur hin zu größeren Massen - Hand, Arm, Oberkörper - anspannen um so die scheinbar beschleunigte Körpermasse zu erhöhen, dadurch bringe ich mehr Kraft auf). Wenn ich die Finger aber auch alleine so bewegen kann, brauche ich die anderen Bewegungen rein technisch nicht.

Der Hartmut
 
Darstellung beim Klavier spielen

Dürfen die Leute sehen, dass Klavier spielen eigentlich unheimlich Spaß macht?
Wenn ich Glenn Gould sehe und spielen (und singen) höre, sehe ich nichts davon!
Im Interview ist Jorge Bolet ein Mensch mit hintergründigem Humor, am Klavier sitzend scheint er allerdings nur Probleme zu lösen. Und wie gut er sie löst! Das macht absolut keinen Spaß! Ich mag seine Aufnahmen sehr, seinen Liszt und Chopin, aber zum Zugucken? Da erstarren selbst meine Stirnfalten.
Kennt Ihr ähnliche Diskrepanzen zwischen guter Interpretation und äußerlicher Erscheinung?
Walter
 
http://de.youtube.com/watch?v=Ad-nbpM__NU


bei 1:50 :p



Letztlich darf sich jeder bewegen wie er will oder muss.
Was mich nur stört ist, wenn ich das Gefühl habe, die
Bewegung ist absichtlich, geplant, und soll dem Rieu-Publikum
vermitteln , wann was Schweres oder Trauriges gespielt wird.
Ganz schlimm ist auch die Geste "Oh das ist jetzt schwer, aber
schaut, wie locker leicht ich das spielen kann, toll oder ?" -
(vgl. einen bekannten chinesischen Pianisten)
 
...es kommt nur darauf an wie die Tasten beschleunigt werden...

Es kommt auch darauf an, wer das steuert. Menschen leben nicht nur im Gehirn, in der Seele, oder wo auch immer das Bewußtsein sich aufhält. Der ganze Körper gehört dazu. Deswegen gibt es auch Mimik, Gestik und Körpersprache. Wenn man etwas mit Gefühl ausdrückt, sei es jetzt am Klavier, sprechend, singend oder sonstwie, ist der gesamte Körper am Ausdruck beteiligt, auch wenn man es überhaupt nicht sieht. Und die Art der Bewegung ist nicht nur Ausdruck von Gefühlen, man kann damit auch Gefühle beeinflussen. Das ist ein wichtiges Werkzeug von Schauspielern und Musikern. Wenn man einen zackigen Militärmarsch spielen will, dann werden auch die Bewegungen zackig, wenn man dagegen einen tänzerischen Walzer spielen will, werden auch die Finger tanzen. Das dient nicht dazu, die notwendigen Tastengeschwindigkeiten zu erzielen sonder um mit der zu spielenden Musik persönlich übereinzustimmen, das, was man fühlt physikalisch zu bestätigen. Vielleicht ist das ein Teil dessen, was mit dem Ausspruch "mit der Musik eins werden" gemeint ist.

Eigentlich ist das völlig am Thema vorbei, denn es ging ja um unnötige Bewegungen. Obige Bewegungen können völlig unscheinbar und für den Zuhörer unsichtbar sein.
 
Ich glaube, besser und treffender als es Guendola formuliert hat, kann der Sachverhalt der Bewegungen nicht dargestellt werden.

Deswegen sage ich etwas überspitzt: es kommt nur darauf an wie die Tasten beschleunigt werden, und das tun NUR die berührenden Teile der Finger.

Will nur hier nochmal energisch widersprechen, weil das so nicht stimmt. Es handelt sich immer um eine zusammengesetzte Bewegung, bei der je nach Bewegungsart alle Teile von Oberkörper, Schulter, Arm, Hand bis zu den Fingergelenken mehr oder weniger stark beteiligt sind.

Wenn z.B. das Handgelenk beim Tastendrücken gleichzeitig hochgehoben wird, oder abgesenkt, dann kann man mit ansonsten gleicher Fingerbewegung einen durch die Handgelenkbewegung verursachten Dynamikverlauf erzielen. Und dieser ist eben auf diese Art leichter zu steuern und subtiler zu dosieren, als wenn man versucht (ich überspitze ebenfalls), jegliche Dynamikänderung nur aus den letzten 3 Fingergelenken heraus auszuführen.

Anderes Beispiel: Bei cantablen lyrischen Stellen kriegt man das Klavier leichter zum Singen, wenn man mit ausgestreckten Fingern durch veränderten Druck auf die Tasten, durch regelrechtes Massieren der Tasten, spielt. Bei dieser Bewegungsart sind die Fingergelenke so gut wie überhaupt nicht beteiligt, eher das Handgelenk und Armgewicht. Und da sich das gut dosieren lässt, führt das eben zu einem nuancenreicheren und kontrollierbaren Spiel.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich glaube, es gibt hier einfach eine kleine Verwechslung zwischen dem, was von der Klaviermechanik her passiert, bevor der Ton erklingt einerseits - und was bewegungstechnisch vom Spieler her passiert.

Es ist natürlich richtig, daß - von der Klaviermechanik her gesehen - es völlig egal ist, wie die Anschlagsbewegung zustandekam. Klaviertechnisch hängt der Ton (Farbe/Lautstärke) allein von der Geschwindigkeit des Anschlags ab.

Vom Spieler her gesehen ist die Sache viel komplexer: die Finger müssen ja oft erst zur Taste hin bewegt werden. Wenn sie natürlich bereits vorher schon auf der Taste liegen, reicht eine winzige Bewegung des Fingers (wahlweise auch der Hand/des Arms) um den Ton hervorzubringen. Wenn der Ton sehr laut werden soll, ist es aber schon nicht mehr so einfach. Und wenn der Ton Teil einer Passage mit vielen Über-/Untersätzen und oder Sprüngen ist, ist das mit der reinen Fingerbewegung schonmal ganicht möglich. Auch beim Akkordspiel geht's nicht ohne die Beteiligung des ganzen Arms, wenn nicht des ganzen Oberkörpers. Es hängt also wesentlich vom Stück ab!
 
Will nur hier nochmal energisch widersprechen, weil das so nicht stimmt. Es handelt sich immer um eine zusammengesetzte Bewegung, bei der je nach Bewegungsart alle Teile von Oberkörper, Schulter, Arm, Hand bis zu den Fingergelenken mehr oder weniger stark beteiligt sind.

Mindenblues, ich stimme natürlich mit dir überein, dass Klavierspieler das tun und damit das gewünschte Resultat erzielen.
Ich argumentiere aber von der rein technischen Seite und nicht als komplexer Klavierspieler. Ich habe neulich wieder ein neuartiges Aufnahme- und Wiedergabesystem bei Flügeln ausprobiert, bei dem über Sensoren die Bewegung der Spielmechanik aufgenommen wird und bei Bedarf über Pneumatische Stellglieder wieder reproduziert.
Hier passiert genau das, was ich meine:
Die Musik wird von einer Maschine erzeugt und klingt nahezu originalgetreu.
Wenn ich sage "nahezu", dann gibt es natürlich Abweichungen in Nuancen, diese hängen jedoch von der Qualität des Systems ab und nicht von der grundsätzlichen Tatsache, dass kein Mensch hinter den Tasten sitzt.

Dass der Mensch viele komplexe Bewegungen braucht um die Finger in die Lage zu versetzen die Tasten eben genau so zu beschleunigen, steht ausser Frage. Die sichtbaren Bewegungen aber, die Guendola mit "mitgehen" umschreibt, sind sicherlich nicht immer Voraussetzung sondern Parallelprodukt zur Musik.

Der Hartmut
 
Die sichtbaren Bewegungen aber, die Guendola mit "mitgehen" umschreibt, sind sicherlich nicht immer Voraussetzung sondern Parallelprodukt zur Musik.

Ich denke, hier liegt der Irrtum.

Die mit der Musik mitgehenden Bewegungen sind gerade ausgelöst durch die Musik. Sie repräsentieren die musikalischen Bewegungsformen viel besser als die z.B. auf einer CD aufgezeichneten Schallkurven. Celibidache sagte ja immer, auf Schallplatten sei gar keine Musik drauf. Und im tieferen Sinn dessen, was Musik ist, hatte er damit völlig recht. Auf der Platte sind eigentlich nur die Fußspuren der Musik drauf.
 
Die mit der Musik mitgehenden Bewegungen sind gerade ausgelöst durch die Musik.

Hmmm, ich würde weitergehen - die mitgehenden Bewegungen werden nicht durch die Musik ausgelöst, sondern dienen vielmehr dazu, der Musik zu Ausdruck zu verhelfen (ich meine jetzt die Bewegungen beim Interpreten, nicht beim Zuhörer!!). D.h. es ist keine Begleit- oder Folgeerscheinung zur Musik, sondern das Ergebnis der Bewegung wird in der Musik umgesetzt.

Mitgehende Bewegung können helfen, zur Gestaltung beizutragen, z.B. zum Dynamikverlauf.
 

Das Drumherum im Solo-Abend

Freut mich riesig, was Ihr da alles los lasst!

Ich behaupte jetzt einfach mal, es ist nicht egal, wie sich ein Pianist während seines Konzerts bewegt. Die Leute gehen in ein Life-Konzert, um etwas life mitzukriegen. Und es soll ja auch was für das Publikum sein! Sonst könnten wir uns vor die Boxen setzen, die Augen zumachen und ... genießen.
Der Pianist mutet sich seinem Publikum auch optisch zu, und das den ganzen Abend. Die Pianistenkollegen schauen zu, ob vielleicht irgendwelche Passagen anders auf die Hände verteilt werden, wie Oktavenläufe in den schwachen Fingern gegriffen werden, der anständige Bildungsbürger liest im Programm, hört zu und wartet heimlich auf die Pause, die Frauen gucken sich den Pianisten an, ob sein Outfit passt und ob seine Frisur o.k. ist, die Ästheten beäugen den Blumenschmuck und nörgeln wegen der fehlenden Schleife.
Es ist also einiges "life" geboten, der Pianist wird beobachtet, aus welchen Gründen auch immer. Da sollten seine Bewegungen nicht nur zur Musik, sondern auch zu seiner Persönlichkeit und vielleicht auch zum Publikumsgeschmack passen.
Horowitz, ein Mensch mit viel Konzerterfahrung: die Leute gehen ins Konzert, um unterhalten zu werden.
Oder anders herum, die Leute gehen nicht ins Konzert, wenn es nicht auf irgend eine Weise unterhaltsam ist.
Ihr könnt an dieser Stelle gerne an meinem anderen Thread
"das Klavierkonzert der Zukunft" weiter schreiben.

Mit eher wenig Bewegung Klavier spielend
Walter
 
Hmmm, ich würde weitergehen - die mitgehenden Bewegungen werden nicht durch die Musik ausgelöst, sondern dienen vielmehr dazu, der Musik zu Ausdruck zu verhelfen

Das wird jetzt aber ein bißchen spitzfindig.

Da ich andererseits Spitzfindigkeiten liebe... :p

ich denke, daß Musik Menschen berührt und sie auch bewegt.
Nicht nur die Zuhörer, sondern auch die Musiker. Nur wenn sich die Musiker gegen diese bewegende Kraft der Musik abkapseln, werden sie in der Lage sein, unbewegt ( = mit auf ein Minimum reduzierten Bewegungen) zu spielen.
 
ich interpretiere vorsichtig:

bis hierher haben wir uns allenfalls missverstanden, noch nicht widersprochen.

Der Hartmut
 
Habt Ihr dem mal zugeguckt?

http://www.youtube.com/watch?v=Lli2DL2oAPE

Irgendwie passen seine Bewegungen zu ihm, wenn ich das so machen würde, wäre das einfach lächerlich!
Mit einem (temporären) Hang zu Gottschalk
Walter

Vielleicht habe ich nicht lange genug zugesehen, aber es sieht so aus, als ob er sehr sparsam mit der Bewegung umgeht. Das "Hüpfen" auf der Bank ist wohl seine Kraftreserve, um die Lautstärke zu erreichen.
 
@ Hayndspaß:

Ich versuch's einfach nochmal:
Interpret: Bewegung -> musikalisches Ergebnis
Zuhörer: musikalischer Input -> Bewegung (evtl.)
Mit Bewegung ist hierbei eine physikalische Bewegung, nicht Gemütsbewegung gemeint (den das ist das Thema des Threads).

Der Punkt ist, den du leider aus deinem Zitat meines letzten Beitrags nicht mitgenommen hast: Die physikalische Bewegung des Interpreten führt dazu, der Musik zu Ausdruck zu verhelfen, und nicht umgedreht.

Nochmal anders ausgedrückt: Wenn ich als Interpret eine bestimmte Handgelenkbewegung mache, will ich damit einen bestimmten musikalischen Ausdruck erreichen.
Und nicht etwa anders herum, dass ich als Interpret ausgelöst durch die Musik eine bestimmte Handgelenksbewegung mache.

Ich finde es manchmal nervig, wenn aus dem Zusammenhang zitiert wird, und die Erklärung, die evtl. bereits im nächsten Satz folgte, jedoch nicht mit zitiert wird.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Nochmal anders ausgedrückt: Wenn ich als Interpret eine bestimmte Handgelenkbewegung mache, will ich damit einen bestimmten musikalischen Ausdruck erreichen.
Und nicht etwa anders herum, dass ich als Interpret ausgelöst durch die Musik eine bestimmte Handgelenksbewegung mache.

Bei mir ist eben genau umgekehrt - meine Bewegungen werden durch die Musik ausgelöst. Das kann ich mit absoluter Sicherheit sagen. Ich würde keine Bewegung rein aus "taktischen" (also ausgedachten) Gründen machen.
 
Bei mir ist eben genau umgekehrt - meine Bewegungen werden durch die Musik ausgelöst. Das kann ich mit absoluter Sicherheit sagen. Ich würde keine Bewegung rein aus "taktischen" (also ausgedachten) Gründen machen.

Ich denke mal, hier geht es primär um Bewegungen, die nichts damit zu tun haben, die Tasten anzuschlagen, bzw. um den Stil, mit dem Bewegungen ausgeführt werden, also z.B. ein Sprung entweder hoch oder flach auszuführen oder einfach nur die Augen zu schließen. Und in diesem Bereich gibt es meiner Meinung nach vieles, was abhängig vom Temperament des Pianisten einfach durch die Stimmung bzw. den Ausdruck entsteht.

Zusätzliche Bewegungen, z.B. Headbanging oder mit dem Fuß den Takt zu stampfen, wäre noch eine weitere Kategorie names Showelemente.
 
Ich denke mal, hier geht es primär um Bewegungen, die nichts damit zu tun haben, die Tasten anzuschlagen,

Die Frage ist halt, ob man das überhaupt trennen kann.
Die Vorbereitungszeit für einen Ton kann sehr kurz, sie kann aber auch sehr lang sein. Und es können dabei nicht nur Finger und Hände, sondern u.a. Arme, Oberkörper, und sogar die Atmung beteiligt sein. Eventuell sogar die Mimik. Ich kann mir den Beginn der D-dur Fuge aus dem WTC I z.B. nicht ohne wildes Kopfschütteln vorstellen :)
 
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