DDR und Mangelwirtschaft?

revelator

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31. Okt. 2010
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Hallo,

mich interessiert in Bezug auf ein schönes Instrument der sächsischen Firma A. Förster folgendes:

Ich habe schon öfters gelesen, dass in Zeiten der DDR die Instrumentenfertigung unter der Mangelwirtschaft leiden musste.

Doch wie stellt sich das dar? Welche Teile minderer Qualität wurden verbaut? Wie erkenne ich dieses?

Im Prinzip geht es um ein Flügel, welcher hier zwischen 1978 und 1984 als Neuinstrument (Devisenbringer) ausgeliefert wurde.

Welche Probleme können Eurer Kenntnis und Erfahrung nach auftreten ? Hat jemand ein solches Instrument aus der Zeit und kann durch Vergleiche oder so berichten?


Danke!
 
Die Qualität von Förster war besser als der in anderen Bereichen der ostdeutschen Klavierindustrie produzierten Instrumente. Jedoch ist die Qualität der Vorkriegsflügel höher und auch die nach der Wende produzierten Instrumente sind von besserer Qualität.

Einige mir bekannte Probleme:
- Polyesterlack bekommt Risse
- Basssaiten klingen taub
- Mechaniken (Typ Flemming) spielen schwergängig und träge

Die Qualität hat insgesamt mehr Streuung, so dass es auch sehr gute Instrumente aus diesem Zeitraum gibt. Einige Flügel, besonders für den Export, hatten auch Renner-Mechaniken, so dass die genannte Einschränkung nicht zu trifft.

Wenn der Preis stimmt, würde ich einen solchen Flügel jederzeit kaufen, habe auch schon zwei Exemplare besessen (215 und 170). Wenn man sie ordentlich überholt, können daraus sehr gute Instrumente werden.
 
Das Thema interessiert mich auch. Ich habe einen Blüthner von 1985 mit Rennermechanik und der einzige Mangel den ich feststellen konnte, ist dass der Polyesterlack des Deckels einige Risse bekommt. Ansonsten ist es ein wunderbares Instrument, das auch als Devisenbringer für den Westexport gebaut wurde. Ich denke dass hier in der Qualität keine Kompromisse gemacht wurden, da die Instrumente auf dem Weltmarkt bestehen mussten. Weiß jemand hier aus dem Forum genaueres über die Probleme, die es in der DDR bzgl. Rohstoffen etc. gab und die möglichen Folgen für den Klavierbau? Es gibt offenbar viele Menschen mit Vorurteilen gegenüber Ost-Instrumenten, die ich aus eigner Anschauung überhaupt nicht bestätigen kann. Ich habe auch schon auf DDR Zimmermann Klavieren gespielt, die sich gemessen an der Größe sehr ordentlich spielten und anhörten.
 
OK, über die Bauqualität kann ich nichts sagen, ich habe noch nichtmal reingeschaut sondern nur angespielt. Natürlich ist ein Zimmermann Kleinklavier aus der DDR Massenproduktion auch nicht mit einem Förster oder Blüthnerflügel vergleichbar, die in kleinen Stückzahlen und Handarbeit gebaut wurden.
 
Hallo,

mich interessiert in Bezug auf ein schönes Instrument der sächsischen Firma A. Förster folgendes:

Ich habe schon öfters gelesen, dass in Zeiten der DDR die Instrumentenfertigung unter der Mangelwirtschaft leiden musste.

Doch wie stellt sich das dar? Welche Teile minderer Qualität wurden verbaut? Wie erkenne ich dieses?
@revelator
ein Ausflug nach Löbau nebst Besichtigung/Führung bei Förster lohnt sich in vielerlei Hinsicht. Schon die Straße, in der sich Förster befindet nebst den Gebäuden ist eine Zeitreise. Und drin sieht man z.B. intakte Maschinen, die zwei Kriege überstanden haben und noch in Betrieb sind. Und das Werk selber gibt bei der Führung bereitwillig Auskunft über die Probleme während der DDR Zeit. Vielleicht schreibt @sla019 noch was dazu, er hatte da besser aufgepasst als ich (mir hatten die schwergängigen Flügel nicht gefallen, aber das Werk samt Führung war klasse)
Trotzdem glaube ich nicht, dass sich pauschal generalisieren lässt a la "aha, Lack sowieso, DDR Produkt, mindere Qualität" denn auch unter der Knute des "real existierenden Sozialismus" wurden für Aufführungen, Aufnahmen etc. Qualitätsprodukte sowohl eingeführt (die DDR verfügte über Säle mit Steinway und Bösendorfer) als auch hergestellt (Blüthner, in geringerer Stückzahl auch Förster)
 
Ich kann mich zwar auch nicht mehr genau erinnern, was damals dazu bei Förster gesagt worden ist, doch weiß ich aus eigener Erfahrung:
Für die DDR-Wirtschaft war generell prägend der Druck, bestimmte Kennziffern ("den Plan") zu erfüllen. Die Planvorgaben waren im Rahmen des Gegebenen in der Regel zu hoch angesetzt. Ich kann mir gut vorstellen, dass auf die einzelnen Arbeitsgänge damals nur so viel Zeit verwandt worden ist, wie unbedingt notwendig, weit weg von einem Optimum.

Dazu kam chronische Materialknappheit. Alle Zulieferteile für die Herstellung eines Produktes komplett vorliegen zu haben, wenn diese gerade benötigt wurden, war die Ausnahme. Ich habe es selbst erlebt, dass millionenschwere Anlagen nicht rechtzeitig in ´Betrieb gehen konnten, weil z.B. simple Gitterroste für Laufstege -obwohl vertraglich gebunden- oder irgendwelche stinknormalen Schrauben nicht aufzutreiben waren.
Und es war bestimmt nicht der Normalfall bei Förster , Holz in der erforderlichen Qualität zu bekommen. Man musste mit dem wirtschaften, was da war.
Schließlich enthalten wohl die in den meisten DDR-Pianos verbauten Flemming-Mechaniken ab einer bestimmten Zeit (70er Jahre?) Plastikteile, die rel. schnell verschleißen. Irgendwer hatte sicher ausgeheckt, dass man da die traditionellen (hochwertigeren) Materialien einsparen kann...
Und unter diesen Bedingungen entstanden eben eher selten Instrumente höherer Qualität, sondern Durchschnittsware. Ein Urgestein des DDR-Klavierbaus sagte mir mal augenzwinkernd: "Zu DDR-Zeiten waren wir die Chinesen."....
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Klasse. und zum Nachdenken..

Und ja, die Lackproblematik kann ich schon mal bestätigen. Risse sind tatsächlich vorhanden. Frage ist ob das nicht auch ein Holzproblem sein kann!? Vielleicht nicht trocken und lang genug abgelagert, so dass das Holz nach Lackauftrag noch schwindet und eine entsprechende Elastizität im Lack fehlte. Nur ein Gedanke...


Wie sehen denn andere polyesterlackierte Flügel nach 35 Jahren aus? Also westdeutsche Produkte? Gibt's da auch Risse oder nicht möglich?

Klären werde ich das mal mit der Mechanik, also welcher Hersteller es ist.
Gerade der Bass aber gefiel mir richtig gut!

Ich glaube aber auch, dass Förster unter den DDR-Produzenten noch einer derer war, die hochwertigere Arbeit leisteten. Blüthner sicher auch.
 
Für die DDR-Wirtschaft war generell prägend der Druck, bestimmte Kennziffern ("den Plan") zu erfüllen. Die Planvorgaben waren im Rahmen des Gegebenen in der Regel zu hoch angesetzt. Ich kann mir gut vorstellen, dass auf die einzelnen Arbeitsgänge damals nur so viel Zeit verwandt worden ist, wie unbedingt notwendig, weit weg von einem Optimum.
Das stimmt zwar, aber der heutige Druck ist wesentlich höher. Die sozialistischen Planvorgaben wurden nämlich immer eingehalten, ganz einfach, weil sie bei Bedarf nach unten korrigiert wurden. :-)

Die Materialknappheit verlangte oft Kompromisse und Improvisation. Mitunter ergab es sich aber auch, dass Improvisiertes besser war. Ich glaube, pauschal kann man das nicht beurteilen.
 
Das stimmt zwar, aber der heutige Druck ist wesentlich höher. Die sozialistischen Planvorgaben wurden nämlich immer eingehalten, ganz einfach, weil sie bei Bedarf nach unten korrigiert wurden. :-)

Die Materialknappheit verlangte oft Kompromisse und Improvisation. Mitunter ergab es sich aber auch, dass Improvisiertes besser war. Ich glaube, pauschal kann man das nicht beurteilen.

Peter, Du junger Spund, Du kannst da gar nicht mitreden! ;-)

Und -zumindest in der Industrie- wurde kein Plan nach unten korrigiert. Damit tat man sich sehr, sehr schwer, es hätte auch mindestens zwei Jahre gedauert, bis es durch die Instanzen abgenickt worden wäre...Erfüllt wurden die Pläne trotzdem. zumindest auf dem Papier. Und sei es durch (mehrfachen) Hin-und Her- Verkauf zwischen befreundeten Unternehmen, die im gleichen (sinkenden) Boot saßen.

Und an Fälle, in denen die Improvisationen besser waren, kann ich mich nicht erinnern. Es mag sein, dass dabei die eine oder andere kluge Idee geboren worden ist. Aufwand und Ergebnis standen selten in einem vernünftigen Verhältnis.

Und bei dem "Druck" damals und heute muss differenziert werden. Rchtig ist, dass die Chance, sich als "Minderleister", wie das heute gern genannt wird, durchzuschummeln, damals größer war als heute. Druck bekam der VEB-Direktor, wenn er den Plan nicht efüllte, und leitete diesen in die unteren Ebenen weiter. Er musste nicht zwangsläufig unten ankommen. Und überall dort, wo Bandarbeit stattfindet, war auch keine Zeit für Schlendrian. Ich habe das selbst mehrfach ausprobieren dürfen. Wolln wer mal die DDR nicht so verklären, ok? :heilig:

((Nicht alle Produkte waren schlecht, ganz bestimmt nicht. Immerhin hat die DDR den größten Microchip der Welt gebaut!))
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Spannend was man alles so über die DDR rein nebenbei lernt.. :idee:;-)

Irgendwie mag ich diese Förster-Flügel...

Was haltet ihr denn von der Marktwertberechnung bei gebrauchten Flügeln/ Klavieren?

Bei einem mittleren Baujahr von 1981 wären das mit heutigem Datum 35 Jahre, die das Instrument alt wäre.
Förster 170 gefunden für 32 TEUR
Förster 190 gefunden für 36 TEUR
Förster 215 gefunden für 44 TEUR
Förster 275 gefunden für 75 TEUR

als Neuinstrumente.

Laut dieser besagten Tabelle (http://www.demmer-piano.de/wertgutachten) nehme ich mal für die Förster Flügel die gehobene Qualitätsklasse an. So komme ich auf 85% Wertminderung bei einwandfreiem Zustand. Nächstes Jahr sogar 90%.

Ergibt also:
..................................................................... -85% ..... -90%
Förster 170 ... gefunden für 32 TEUR ... 4800 EUR... 3200 EUR
Förster 190 ... gefunden für 36 TEUR ... 5400 EUR... 3600 EUR
Förster 215 ... gefunden für 44 TEUR ... 6600 EUR... 4400 EUR
Förster 275 ... gefunden für 75 TEUR ... 11250 EUR... 7500 EUR

Wenn ich dann Lackrisse habe, müsste ich doch selbst bei 35 Jahren (85%) prinzipiell schon von der nächsten Stufe ausgehen (90% Minderung), dann müsste man z.B. einen 275er für 7500 EURO bekommen / zahlen dürfen?

Ist das realistisch???
 

@gubu
Na verklären wollte ich nix. Und richtig: Bei der Industrie kann ich nicht mitreden, beim Handwerk schon. Keine Ahnung, wo man da jetzt den Klavierbau hinsteckt und wie da die Produktion war. Das heutige Steinway Hamburg entspricht von Größe und Struktur so ziemlich genau dem Handwerksbetrieb, in dem ich "aufgewachsen" bin und wurde bei Besichtigung sofort daran erinnert.

@revelator , ich glaube nicht, dass das realistisch ist.
 
32000 für den 170er ist wohl der Listenpreis. Im Geschäft ist der meist ein ganzes Stück günstiger.
 
Die Tabelle ist zu schön um wahr zu sein. Danach bekommt man zB einen Steinway ab einem Alter von 61 Jahren geschenkt. Ist so etwas vielleicht gedacht um die Einkaufspreise eines Händlers gegenüber Anbietern zu rechtfertigen?
 
Die Tabelle ist zu schön um wahr zu sein. Danach bekommt man zB einen Steinway ab einem Alter von 61 Jahren geschenkt. Ist so etwas vielleicht gedacht um die Einkaufspreise eines Händlers gegenüber Anbietern zu rechtfertigen?
Entscheidend für die endgültige Bewertung sind Marke, Zustand, Häufigkeit des Gebrauchs, Typ, Konstruktion, Klimaschäden, Schädlingsbefall und Ton sowie die aktuelle Marktlage.

Gut gepflegte Steinways steigen im Wert.

Ein 61 Jahre alter Stein-Was könnte hingegen durchaus einen Basiswert von Null haben, so daß letztlich Aufarbeitungs-, Transport- und Lagerkosten für den Verkaufspreis ausschlaggebend sind.
 
So sehe ich die Liste auch. Bei aller Wertschätzung für die heutigen Förster würde ICH dennoch maximal die Hälfte zahlen, die ein vergleichbares Instrument aus DE-Produktion kostet (also z.B. Feurich). Und da sind die aufgerufenen Preise dann gar nicht soooo weit weg.
 
Die sozialistischen Planvorgaben wurden nämlich immer eingehalten, ganz einfach, weil sie bei Bedarf nach unten korrigiert wurden. :-)

War es nicht eher so, dass die Vorgaben mit relativer Regelmäßigkeit übertroffen wurden:konfus:? Das zeigte doch den ungeheuren Willen und die Produktivität der werktätigen Bevölkerung im Arbeiter- und Bauernstaat und die Überlegenheit des Systems;-).
 
Genau. Der Parteitag beschloss irgend nen Blödsinn und zum nächsten wurde stolz verkündet, dass der Blödsinn übertroffen wurde. :lol:

Aber im Ernst: Wenn ein Betrieb den Soll nicht erfüllte, wurde trotzdem stolz in die Zeitungen geschrieben, dass der Plan trotz Schwierigkeiten übertroffen wurde. Das "Schwierigkeiten" war dann der Hinweis darauf, dass das alles gar nicht geklappt hatte. Unterdessen wurde der Plan halt auf Kreis- oder Bezirksebene der Realität angepasst und nach oben gemeldet. Zum Teil gab es dafür Anschisse, Betriebsleiter wurden einer anderen Planstelle zugewießen, Parteifunktionäre wurden ausgetauscht....also alles genau so wie im heutigen Management und der Politik. :-D
 
Zuletzt bearbeitet:
Freilich gab es Mangelwirtschaft - Klaviere und Flügel welche für den Binnenmarkt bestimmt waren (die meisten waren allerdings für den Export vorgesehen) wurden entsprechend "sparsam" gearbeitet. Holzteile welche sich irgendwie durch Plaste und Elaste aus Schkopau ersetzen ließen, wurden verbaut. Beim Holz sah es nicht anders aus, gut gewachsenes Holz ward für den Export bestimmt, Notgefällte Fichten, Ahornbäume, Buchen usw. wurden für die Binnenproduktion von Möbeln und Instrumenten vorgesehen. Saiten, insbesondere Baßsaitenumspinnungen kamen aus der Sekundärrohstofferfassung, was im seltenstem Fall reines Kupfer war, sondern irgendwelche Rotgußgemische. Auch beim Blankbezugwar man sich nie so gant sicher was da so alles an Legierungen mit Bestand hatte - Gerüchteweise verunnfallte wohl mal des öfteren ein Stahlwerker mit politisch mißliebigen Ansichten (nebst entsprechender Kaderakte) versehenlich im Hochofen - die Bergung der Überreste aus so um die 1000° macht auch in der Regel wenig Sinn....auf diese Art und Weise soll wohl schon die eine oder andere Goldblombe die Stahllegierungen sehr verfeinert haben.

LG
Henry
 
- Gerüchteweise verunnfallte wohl mal des öfteren ein Stahlwerker mit politisch mißliebigen Ansichten (nebst entsprechender Kaderakte) versehenlich im Hochofen - die Bergung der Überreste aus so um die 1000° macht auch in der Regel wenig Sinn....auf diese Art und Weise soll wohl schon die eine oder andere Goldblombe die Stahllegierungen sehr verfeinert haben.

LG
Henry

Das ist leicht untertrieben, im Hochofen herrschen Temperaturen bis 2200 °C, im unteren Bereich des Abstiches 1500 °C. Das ändert natürlich nicht die Tatsache, dass sämtliches organische Material sich in Rauch auflöst. Mir ist kein Fall bekannt, dass jemand in den Hochofen oder in den Schmelztiegel gefallen ist. Die meisten Unfälle ereignen sich beim Abstich.
Erzählt wird, dass bei einem Unfall, wo jemand in die Schmelze fällt, der Abstich nicht weiter verarbeitet wird. Wenn Jemand hierzu genauere Angaben machen könnte, würde mich das sehr interessieren.

Gruß,
Tastensucher
 

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