Um die schönen Beiträge hier zu ergänzen: meiner Meinung nach ist die einfachste Möglichkeit, zu erfahren, wie der Bass die Melodie stützt, wie er den Puls hörbar macht, wie die Melodie zum Bass erklingt und sich bewegt, nur die Melodie und den Bass zu spielen. Ich nenne das "stimmenweises" Üben. Also die Akkorde links weglassen.
Die drei Stimmen, Melodie (rechts), Bass (meistens links auf Zählzeit 1), innenliegende Akkorde sind unterschiedlich wichtig und haben eine unterschiedliche Funktion. Die innenliegenden Akkorde färben den Klang und harmonischen Verlauf. Sie erklingen im Dreierpack und sind schon deshalb laut. Sie müssen aber am leisesten von allen Stimmen sein, sonst färben sie nicht, sondern übertünchen alles.
Der Bass stützt, die Melodie erzählt. Die Melodie ist daher am lautesten, der Bass am zweitlautesten. Daraus ergibt sich eine ungefähre und generelle Dynamik der Melodie im mf, des Basses im p, der Akkorde im pp (das meinte
@Musikanna mit dem schönen Wort "gehaucht").
Um die Beziehungen dieser drei Stimmen zu erfahren, um die beschriebene dynamische Klangdifferenzierung hören und spielen zu lernen, bietet sich das stimmenweise Üben an. Es hat noch mehr Vorteile, z.B dass man es damit leichter hat. Man muss weniger spielen und auf weniger achten, man kann sich auf Weniges konzentrieren (
s. auch Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit nach G. Mantel, bei dem man seine Aufmerksamkeit wie einen Scheinwerfer nur auf einen Aspekt - immer wieder einen anderen, z.B. Rhythmus, Phrasierung, Artikulation.... -, richtet und es sich so "leicht" macht. Folge: man macht weniger Fehler und kann dem Hören und Fühlen mehr Aufmerksamkeit schenken).
Diese Übestrategie hat auch den Vorteil, dass man die Beziehung zwischen der synkopierten dritten Zählzeit der Melodie am Anfang eines Bogens und der ersten Zählzeit des Basses erfährt. Es hat den Vorteil, dass man oft schon im Tempo spielen kann. Es hat den Vorteil, dass man seine Aufmerksamkeit nur auf die Phrasierung lenken kann. Werden innerhalb eines Bogens alle Töne gleich laut gespielt? Haben sie ein Ziel, spannt sich die Melodie und entspannt sie sich? Wird der erste Bogen mit ais am Ende genauso wie der mit dem h am Ende gespielt. Hören sie sich gleich an oder unterschiedlich?
Um es links hinzukriegen, die Akkorde wirklich pp spielen zu können, kann man auch die linke Hand mal mit zwei Händen spielen. Bass mit links, dabei sich einen warmen Glockenton vorstellen und den Arm nach vorne führen. Loslassen nicht vergessen. Die Akkorde dann ganz leise mit rechts. Mit zwei Händen ist es anfangs oft einfacher, die dynamische Balance hinzukriegen.
Vielfältige Übestrategien lassen uns das Stück von vielen verschiedenen Seiten hören und erfahren. Diese "Hörperspektiven" ergänzen sich. Wir machen uns das Üben leicht und spannend. Wir lernen beim Üben das Stück zu verstehen und in seinen Strukturen zu begreifen.
Da bin ich ein totaler Fan von, wie man gerade merkt.
Liebe Grüße
chiarina