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Busoni & BrahmsKönnt ihr bitte noch was schreiben zur Progression in den Übungen von Busoni, Cortot und Brahms, an welches Niveau sie sich jeweils richten und in welcher Reihenfolge ihr damit arbeiten würdet?
setzen beide schon recht "hoch" an, vereinfacht gesagt sollte man da manuell schon ziemlich fortgeschritten sein - aber verständig ausgewählte Brahmsübungen und ein paar der Skalenübungen von Busoni sind in vielerlei Hinsicht auch für weniger fortgeschrittene Spieler sehr nützlich (man wird da in Bewegungsabläufe eingeführt, die man sich anhand von Anfängerliteratur nicht vorstellen kann, die aber harmonische Zusammenhänge explizit auf der Klaviatur klar machen und die Orientierung auf den Tasten (das sich zuhause fühlen im Terrain von Tasten-Tonarten, Akkordfortschreitungen, Doppelgriffen, Arpeggien) immens verbessern.) Allerdings kann man beide Sammlungen nicht als eine progressiv fortschreitende "Klavierschule" verstehen, sondern vielmehr als Kompendien bezüglich spezieller manueller Anforderungen. Und darin liegt ihr großer Wert - auch für wenig fortgeschrittene Spieler, die hier z.B. praktisch-sinnvolle Bewegungsmuster bei Skalen, Chromatik, Doppelgriffen erkennen lernen können.
eine der Skalenübungen von Busoni basiert auf Liszts Studien: man soll jede Tonleiter mit stur demselben fünf-Fingersatz auf beide Hände abwechselnd verteilt spielen (!!!) und das durchaus schnell - z.B. A-Dur: linke Hand a-h-cis-d-e rechte Hand fis-gis-a-h-cis linke Hand d-e-fis-gis-a --- @Wiedereinsteiger123 anhand dieses Beispiels könntest du dir selber Gedanken darüber machen, ob und was diese Übung zur Harmonik und zum tonleiternerkennen beiträgt
(diese Übung kann man übrigens auch prima mit der r.H. allein 12345-12345-12345 und mit der l.H. allein 54321-54321-54321 spielen!)
Cortot
kann ebenfalls nicht als progressiv fortschreitende "Klavierschule" aufgefasst werden - aber hier findet man viele alternative Fingersätze*) und man findet ein paar exzellente Koordinationsübungen
=> für noch nicht fortgeschrittene Spieler sollte eine Auswahl an passenden Übungsmustern von einer versierten Lehrkraft, ggf. auch etwas erleichtert im Vergleich zum Original, vorgeschlagen werden
...die technischen Studien von Liszt
Doppelgriffe, Skalen**), Akkorde, Tremoli, Oktaven hat es dort zuhauf, und man lernt den Bewegungsmotor dieser Techniken, wenn man die entsprechenden Studien begriffen hat - leider wird da kaum was von Liszt erklärt... ohne Anleitung im Unterricht wird man mit diesem monströsen Kompendium wenig Freude haben --- trotzdem halte ich sie bzgl. der genannten Spielfiguren für exzellente Trainingseinheiten
Cortot, Brahms, Liszt, Busoni sind - ich sage es noch mal ganz deutlich - alles andere als Anfängerübungen - - aber trotzdem enthalten sie, vernünftig ausgewählt, auch für Anfänger enorm hilfreiche Übungs- und Bewegungsmuster. Übrigens finden sich dort auch Übungen zum leidigen Problem, wie man unterschiedliche gleichzeitige Anschläge ausführen kann (man kennt ja die Anfängerklage, wie man dann rechts laut und links leise hinkriegen soll)
Wer guten Unterricht und keine "klavierideologischen" Vorurteile (a la ich lern´ das alles lieber und besser an schönen Stücken) hat, dem nützt die Beschäftigung mit variantenreichen (!!) Bewegungsmustern immens: die Übungszeit an Repertoirestücken verkürzt sich enorm, je mehr Bewegungsmuster "man schon drauf hat" - und parallel zum üben schwieriger Stellen macht man sich die eigene Aufgabe leichter, wenn man das entsprechende manuelle Problem an diesen Übungen löst und die so gefundene variantenreichere Fähigkeit dann auf die schwierige Stelle anwendet.
(natürlich gibt es auch manuelle Spezialprobleme, die dort nicht vorhanden sind - aber das ist dann Zeugs, was ohnedies nur in den Ultrabrechern a la Petrouchka, Tannhäuser oder "Elefantenkonzert" vorkommt)
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*) z.B. für Terzen- und Sextenskalen jeweils mehrere unterschiedliche Fingersätze
**) verblüffenderweise finden sich bei den systematisch aufgereihten Skalen sowohl weniger praktikable Regelfingersätze als auch bessere "modernere" (siehe Busoni) - das liegt vermutlich daran, dass Liszt selber noch mit älteren Bewegungsmustern bei Czerny gelernt hatte und erst etwas später seine eigene neue Spieltechnik entwickelte