Beethoven Op. 27(2): Punktierung gegen Triole?

Das ist im angemessenen Tempo kaum wahrnehmbar

Richtig, wobei man das in der Reprise, wenn die linke Hand die Achtel"triolen", die keine Triolen sind dazu spielt, evtl. hören könnte.

Schwieriger ist es aber genau mit dem letzten Ton der Sechsergruppe zusammen zu spielen.

In einem Anfall von Größenwahn übe ich aktuell den ersten Satz.
Vor allem am Anfang des virtuosen Teils der Durchführung, an der Stelle, an der rechts das Tremolo ist, finde ich das schwer, paradoxerweise schwerer als beim technisch anspruchsvollen folgenden Teil. Man könnte jetzt auch über die 5er-Gruppe diskutieren. Ich erlaube mir aber auch, in der Fünfergruppe in der Durchführung die 16tel vom Thema mit der letzten Note der 5er-Gruppe zusammenzuspielen. Denke, das hört niemand.
 
Ein schwieriger Fall. Sehr erhellend sind zu solchen Rhythmen die Ausführungen von Ferguson (Howard Ferguson: Keyboard Interpretation. London, 1975, S. 89 ff.). Das Einzige, was mich davon abhalten könnte, hier anzugleichen, sind tatsächlich die Anmerkungen von Czerny, der als Schüler Beethovens ja eine gewisse Authentizität für sich in Anspruch nehmen kann. Der Rest...vermutlich Hörgewohnheiten.
 
Das Einzige, was mich davon abhalten könnte, hier anzugleichen, sind tatsächlich die Anmerkungen von Czerny, der als Schüler Beethovens ja eine gewisse Authentizität für sich in Anspruch nehmen kann. Der Rest...vermutlich Hörgewohnheiten.
Während die triolische Ausführung von Punktierungen bei Schubert (und ja, auch hin und wieder bei bei Schumann und Chopin) häufig logisch ist und oft sogar eindeutig aus dem Notenbild ersichtlich (berühmtes Beispiel: "Wasserflut" aus der Winterreise), fällt mir bei Beethoven spontan kein einziges Beispiel ein, wo eine solche Ausführung Sinn ergeben würde. Nicht in der Mondscheinsonate (wegen des Trauermarsch-Charakters und der ungünstigen Dissonanzen) und schon gar nicht in Werken, in denen eine Punktierung ohne Triolenkontext eingeführt wird und erst später durch Triolen begleitet wird. Die Eroica habe ich als Beispiel erwähnt, und bevor nun jemand sagt, dass es im Orchester wegen unterschiedlicher Instrumente anders läuft, empfehle ich einen Blick in das Lied "Der Wachtelschlag". Jener Wachtelschlag wird musikalisch durch eine punktierte Repetition - wie in der Mondscheinsonate - zum Ausdruck gebracht. Im weiteren Verlauf des Liedes dann mit Triolenbegleitung. Würde man hier den Wachtelschlag angleichen und triolisch spielen, wäre das Ergebnis mindestens so absurd wie in der Eroica. Ich würde das nicht als "Hörgewohnheiten" abtun.

Wenn man Schuberts und Beethovens Notationen vergleicht, wird man auch an anderen Parametern feststellen, dass Beethoven der "modernere" Komponist war. Schubert hat beispielsweise in seinen Liedern Appoggiaturen noch genauso notiert, wie es im Barock üblich war - nämlich als Vorschlagsnoten. Diese veraltete Notation findet man bei Beethoven nicht mehr.
 
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Wenn man Schuberts und Beethovens Notationen vergleicht, wird man auch an anderen Parametern feststellen, dass Beethoven der "modernere" Komponist war.

Das ist vollkommen richtig, die frühen Symphonien Schuberts sind sicher viel näher bei Mozart als bei Haydn oder gar Beethoven.
Allerdings ist der Klaviersatz Schuberts nicht sehr mozartisch.
 
Ich bin über Verdis Va, pensiero zu diesem Thread gelangt. Dort sind im Chor an mehreren Stellen Triolen gegen Punktierungen notiert, die vernünftigerweise nur angeglichen ausgeführt werden können: So, wenn man mich fragt, dann auch zu übertragen auf den Rest des Stücks.
Das heißt nichts Zwingendes für Beethovens Klavierwerke, aber es belegt die Notationspraxis für 1842.
 
... nicht in Werken, in denen eine Punktierung ohne Triolenkontext eingeführt wird und erst später durch Triolen begleitet wird...

Das sehe ich aber beim Schubert Impromptu c-Moll D899.1 (spiele ich sehr gern) ganz genauso, da fände ich es abartig, die Punktierungen in den späteren Passagen an die Triolen anzupassen.
Im g-Moll-Teil fallen die Punktierungen dann auch noch auf eine 16-tel-Bewegung.

Grüße
Manfred
 
Ich bin über Verdis Va, pensiero zu diesem Thread gelangt. Dort sind im Chor an mehreren Stellen Triolen gegen Punktierungen notiert, die vernünftigerweise nur angeglichen ausgeführt werden können: So, wenn man mich fragt, dann auch zu übertragen auf den Rest des Stücks.
Das heißt nichts Zwingendes für Beethovens Klavierwerke, aber es belegt die Notationspraxis für 1842.

Seltsam nur, dass noch kein Dirigent von Rang Va, pensiero mit diesen Angleichungen aufführen ließ. Nicht einmal Tullio Serafin und Arturo Toscanini, die das Stück noch unter Verdis Leitung als Bratscher bzw. Cellist im Orchester der Scala mitgespielt haben. Es spricht deshalb verdammt viel dafür, dass auch Verdi die Punktierungen nicht angeglichen hat.
 
Die Frage ist auch 10 Jahre später noch durchaus aktuell. Für mich ist das wichtigste Indiz für die Absicht des Komponisten die Handschrift Beethovens. In der Mondscheinsonate ist das Sechzehntel eindeutig NICHT Über der Triole notiert, was gar kein Problem gewesen wäre. Zweites Indiz ist der Beginn der Appassionata, wo er den Rhythmus ausgeschrieben hat, der einer 2-Teilung der 3. Triole entspricht. Zusammen mit Cerny‘s Bemerkung scheint mir das dann doch darauf hinzudeuten, dass man erst mal versuchen sollte, den Rhythmus so zu spielen wie es notiert ist. Dabei hilft meines Erachtens, wenn man die 3 Ebenen Oberstimme, Triolen, Bass als sehr unabhängig begreift und eben auch als völlig verschiedene Ausdruckslinien begreift. Vielleicht noch ein kleiner Impuls: wenn man sich vorstellt, Beethoven hätte die Stelle instrumentiert, dann bekäme vermutlich die Oboe die Oberstimme. Und Da kann ich mir einfach nichts anderes vorstellen, als dass ein Oboist etwas anderes spielt als genau das, was dasteht. Kein Dirigent würde ihm m.E. eine Triole (Angleichung) oder eine zu scharfe Punktierung durchgehen lassen.
Für weitere Kommentare dankbar!
 
Vielleicht noch ein kleiner Impuls: wenn man sich vorstellt, Beethoven hätte die Stelle instrumentiert, dann bekäme vermutlich die Oboe die Oberstimme.
In der Lage sicher nicht. Das wäre wohl eher eine Klarinettenstimme.

Kein Dirigent würde ihm m.E. eine Triole (Angleichung) oder eine zu scharfe Punktierung durchgehen lassen.
Wenn er das nicht wollte, dann nicht. Der Dirigient könnte aber eine schärfere Punktierung verlangen. Ganz abwegig wäre das nicht. Ich würde es vermutlich tun.
 
Ich werde mir daher erlauben, sie gleichzeitig zu spielen, weil auch in der gesamten Literatur der damaligen Zeit (bis zu Schumann und Chopin!) so "ungenau" notiert wurde

Hallo m.Renuez,
das ist falsch! Vor allem, dass Beethoven dies bezüglich ungenau notiert hätte:

Schau dir zum Beispiel Mal ein paar Klavier- Violinsonaten von Beethoven an. Zum Beispiel in der Frühlingssonate, wo zig male die Polyrhythmik 3:4 (Achteltriolen : Sechzehntel) erscheint, schon im ersten Satz, Takt 232, wo es im Klavier alleine gespielt wird, bzw danach die Polyrhythmik zwischen Violine und Klavier stattfindet. Später im 4. Satz ist deutlich zu erkennen, dass punktierte Noten genau zu spielen sind: Hier kommen zum Beispiel Triolen in der Violine und das Klavier hat punktierte Achtel und Sechzehntel zu spielen. Ich möchte hier keine Noten reinstellen, aber schau dir die Noten ruhig mal an.

Die Polyrhythmik 3:4 (Achteltriolen : Sechzehntel) kannte Beethoven sehr genau: In etlichen Beethoven- Stücken gibt es bereits die Polyrhythmik 3:4, neben der Frühlingssonate zum Beispiel auch in op. 2 Nr. 1 im zweiten langsamen Satz usw.

Ein typisches Beispiel ist auch der berühmte Trauermarsch aus der Beethoven- Sonate op. 26
Auch hier muss streng "3:1" punktiert werden und darf nicht als Triolenpunktierung "2:1" gespielt werden.
 
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Die Polyrhythmik 3:4 (Achteltriolen : Sechzehntel) kannte Beethoven sehr genau: 1. Weil Czerny darüber schon Etüden schrieb, und Beethoven sein Schüler war
ist das sehr unglücklich formuliert, oder sind das gleich zwei extrem gewagte Thesen? ;-)

@Frédéric Chopin überleg´ dir noch mal ganz genau, wer wessen Schüler war... und nochn wohlmeinender Tipp:
1770 (* ?)
1791 (* ?)
1806 32 Variationen WoO 80 (Variation XVI komplett 4 zu 3) siehe auch #27
 
ist das sehr unglücklich formuliert, oder sind das gleich zwei extrem gewagte Thesen? ;-)

überleg´ dir noch mal ganz genau, wer wessen Schüler war... und nochn wohlmeinender Tipp:
Hallo Rolf,

Danke für die Verbesserung!!
Es war natürlich umgekehrt!
Franz Liszt war ja dann Schüler von Carl Czerny

Habe es in meinem Beitrag verbessert.
Direkt peinlich!!! Lehrer mit Schüler zu verwechseln :-)

Danke nochmal!
 
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Die Polyrhythmik 3:4 (Achteltriolen : Sechzehntel) kannte Beethoven sehr genau: In etlichen Beethoven- Stücken gibt es bereits die Polyrhythmik 3:4, neben der Frühlingssonate zum Beispiel auch in op. 2 Nr. 1 im zweiten langsamen Satz usw.
@Frédéric Chopin op.2 Nr.1 - alsogleich die erste Sonate von Beethoven (wenn wir Jugendsachen weglassen) - ist ein sehr schönes, weil sehr frühes (!) Beispiel!
Beethoven 4 zu 3 op2,1.png
(op.2 Nr.1 langsamer Satz) da finden sich 3 zu 2 (zweiter Takt) , 4 zu 3 (dritter Takt) und auch punktierte 16tel + 32stel zur 16tel-Triole (dito dritter Takt, also rhythmisch quasi dasselbe, wie in op.27,2)

Auch die beliebte, also sehr bekannte Sonate op.13 "pathetique" enthält 4 zu 3 im langsamen Satz:
Beethoven 4 zu 3 3.png
(op.13 langsamer Satz)
Es kann also keine Rede davon sein, dass Beethoven zur Zeit von op.27,2 noch nicht mit 4 zu 3 klargekommen sei und dergleichen erst später (WoO 80, op.49, op.106 siehe #27) verwendet habe - damit ist dieser denkbare Einwand vom Tisch.
=> weder in schnellen noch in langsamen Sätzen waren Beethoven die Konfliktrhythmen 3 zu 2 und 4 zu 3 unbekannt oder Neuland.

Das Manuskript von op.27,2 ist leider nicht komplett erhalten - dennoch gibt es keinerlei Auskunft darüber, dass Beethoven ausgerechnet hier (nach op.2,1 und op.13) das 16tel nach dem punktierten Achtel gleichzeitig mit dem dritten Triolenachtel haben wollte. Das Manuskript demonstriert das genaue Gegenteil, nämlich dass Beethoven zwischen "normalen" Vierteln, Achteln, Sechszehnteln und "triolischen" Vierteln und Achteln sehr wohl unterscheidet:
Beethoven 4 zu 3 Manuskript2.png
dasselbe im Erstdruck:
Beethoven 4 zu 3 Erstdruck op.27,2.png
oh - was sehen wir da hübsches? ein triolisches Achtel plus ein triolisches Viertel, danach ein punktiertes Viertel (punktiert weil triolisch) - - aha, der Ludwig wusste also sehr wohl zu unterscheiden zwischen triolischen und "normalen" Notenwerten, und schrieb das entsprechend korrekt auf!
...würde man bescheuerterweise (sic!) das Manuskript rein grafisch (wie es halt mit Feder und Tinte aufgemalt ist) auffassen und Notenwerte dabei ignorieren, dann müsste man konsequenterweise gelegentlich das 16tel des (Trauer)Marschrhythmus sogar vor dem dritten Triolenachtel spielen:
Beethoven 4 zu 3 Manuskript.png
;-) :-D uiuiui...was hat der Ludwig denn da krasses gemalt? (ups... wo müsste man, grafisch-schlaubergerisch orientiert, die Bässe anschlagen?...)

Spaß beiseite: im Manuskript zählen natürlich die exakt von Beethoven notierten Notenwerte. Diese finden sich auch in den Erstdrucken. Irgendwelche Eigenheiten in den Manuskripten anderer (gar späterer) Komponisten sagen nichts über Beethoven. Folglich kommt das 16tel nach dem dritten Triolenachtel.
 
Für den speziellen Fall der Beethoven-Klaviersonate op. 27 Nr. 2, 1. Satz:
Czerny war Beethovens "Lieblingsschüler"; auf seinen Anweisungen beruht der Großteil der Beethoveninterpretationen bis in die Gegenwart. Er hat Beethovens Klavierwerke kommentiert, in unmittelbarer Kenntnis der Interpretationen durch Beethoven selbst. Vor allem liest man darin Abweichungen vom "Gebräuchlichen". Sein Kommentar zu op. 27 Nr. 2 ist klar und eindeutig. Er deckt sich mit dem Manuskript, insbesondere den Takten 42 und 46. In T. 42 folgt v.l.n.r. den 3 Triolenachtelnoten als vierte die Sechzehntel. Warum Beethoven gegen die allg. Übung den Nachschlag wollte, liegt in der Bedeutung des Satzes. Der Hinweis auf den Wachtelschlag ist richtig. Erkommt bei Beethoven öfter vor. Die Bedeutung dieses Motivs ergibt sich alleine schon aus dem zitierten Lied. Es tritt uns in den Namen Fürchtegott, Preisegott, Lobegott usw. rhythmisch entsprechend entgegen. Es ist ein mit der Heimholung durch Gott, also mit Tod und Auferstehung konnotiertes Motiv. Zudem war cis-moll nach Schubart mit Bussklage und traulicher Unterredung mit Gott konnotiert. Angleichen im langsamen Tempo (Adagio) wäre eine Verstümmelung des Motivs. Czerny lässt darüber hinaus Angleichen auch nur im schnellen Tempo zu, allerdings in einem 1840 verfassten Lehrwerk und ohne Definition, wann ein Tempo "schnell" ist.
Der Wachtelschlag war ein in der ersten Hälfte des 19. Jh. oft vorkommendes musikalisches Symbol. Auch dort, wo Angleichen sonst geboten war, war es das wohl sicher nicht im Fall der Verwendung als Symbol (weshalb Musiker(innen) gut beraten wären, sich mit der Botschaft der von ihnen gespielten Werke intensiv auseinenanderzusetzen.
Im übrigen: mitunter geht der Diskurs über das "Triolenangleichen" hinaus und erfasst auch andere Fragen des Polyrhythmus (z.B. 5/8 zu 6/8 oder 3/4 zu 4/4). Man sollte das voneinander trennen, das "Angleichen" ist schon schwierig und kontroversiell genug. :-)
Soweit meine Anregungen zu diesem sehr interessanten Diskurs - danke!
 
Zu Beethovens Lied "Der Wachtelschlag": Das Lied beginnt im Larghetto, wobei der Wachtelschlag (der Ruf des Wachtelmännchens, bestehend aus 3 gleichen Tönen im Rhythmus punktierte Achtel/Sechzehntel/Achtel) mit den Worten „ fürchte Gott!“ – „liebe Gott!“ – „lobe Gott!“ – „danke Gott“ – „preise Gott“ - "traue Gott" unterlegt wird. Bereits bei den Triolen der linken Hand im Takt 10 stellt sich die Frage des Triolenangleichens. Der „Wachtelschlag“ steht in der Klavier-Einleitung sozusagen als thematisches Motto über dem Lied und es widerstrebt dem musikalischen Empfinden, entweder diesen Beginn an die erst im Takt 4 erstmals auftretenden Triolen anzugleichen oder aber dort, wo der Wachtelschlag mit Triolen zusammenfällt (erstmals in Takt 10) den „scharfen“ Rhythmus des Wachtelschlags in Triolen abzumildern. Im Takt 58 jedoch, wo statt des Larghetto ein forcierteres Tempo (Allegretto) einsetzt, „gleicht“ Beethoven durch den Wechsel zum 6/8-Takt und das Zusammenfallen der dritten und sechsten Begleitungs-Achtel mit der kurzen Note des Wachtelschlages selbst durch entsprechende Notation (zu den Worten "traue Gott") „an“. Diese Vorgangsweise deckt sich wiederum mit Czernys Angabe, dass (nur) im schnellen Tempo anzugleichen sei.
 

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