Beethoven für Technik

  • Ersteller des Themas Clavaliero
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Dann musst du ja nicht irgendwelche fremden Leute im Internet fragen.

Den Originalen von Johann Wolfgang von Goethe​

1 Ein Quidam sagt: »Ich bin von keiner Schule!
2 Kein Meister lebt, mit dem ich buhle;
3 Auch bin ich weit davon entfernt,
4 Daß ich von Toten was gelernt.«
5 Das heißt, wenn ich ihn recht verstand:
6 Ich bin ein Narr auf eigne Hand.
 

Den Originalen von Johann Wolfgang von Goethe​

1Ein Quidam sagt: »Ich bin von keiner Schule!
2Kein Meister lebt, mit dem ich buhle;
3Auch bin ich weit davon entfernt,
4Daß ich von Toten was gelernt.«
5Das heißt, wenn ich ihn recht verstand:
6Ich bin ein Narr auf eigne Hand.
Schönes Gedicht. Nur weil jemand keinen Lehrer sucht, heißt das ja nicht direkt, dass man sich weigert von jemandem was zu lernen. Ich lerne z.B. sehr viel von guten Aufnahmen oder guten Ausgaben (mit vernünftigen Fingersätzen). Ich habe einfach das Gefühl, dass ich momentan ganz gut alleine zurecht komme und nicht dringend und zwingend einen Lehrer benötige. Aber natürlich scheiden sich hierüber die Geister.

Es waren auf jeden Fall viele schöne Vorschläge dabei, die ich mir anschauen werde. Beethoven WoO 80 mag bestimmt sehr schwer sein, wobei die ersten Variationen ja wirklich machbar aussehen und ansonsten gehe ich halt doch an die täglichen Übungen von Brahms oder Hanon. Auch die Bagatellen und die Fantasie (?!) schaue ich gerne an :)
 
Ja, die große Frage... . Kann man Klavierspielen autodidaktisch lernen?

Ich selbst bin überhaupt kein Feind von autodidaktischem Lernen. In meinem Erststudium habe ich mir nach dem 3. Semester eigentlich alles mit einem Haufen Büchern in der Bibliothek selbst beigebracht, weil mir die Vorlesungen irgendwie gleichzeitig zu langsam und zu schnell waren. Aber in der Physik/Mathematik ist dies doch etwas ganz klar anderes als beim Klavierspiel, da bei ersterem die Inhalte alle zuverlässig "versprachlicht" bzw. verschriftlicht werden können und man somit aus Büchern einen ganz direkten Nutzen ziehen kann.

Beim Klavierspiel ist das meines Erachtens anders: Es ähnelt viel mehr einer Handwerkslehre und vieles lässt sich nur schwer bis gar nicht versprachlichen. Ich denke nicht, dass es unmöglich ist: Wenn man sehr talentiert ist, aufmerksam (mit guten Lautsprechern) zuhört, Bewegungsmuster vergleicht, viel ausprobiert und immer selbstkritisch ist wird man bestimmt irgendwo hinkommen. Ich habe erst zuletzt in einem anderen Beitrag die Geschichte von dem kompletten Bratschen-Autodidakten erzählt, der (aufgrund äußerer Umstände) keinen Lehrer haben konnte, sich das Bratschenspiel selbst beigebracht hat und nun tatsächlich Bratsche studiert. Das mag es alles geben. Genauso wie es Leute gibt, die auf elektrischen Strom verzichten müssen, Blinddarmoperationen nicht in Anspruch nehmen oder freiwillig lieber durch den Atlantik schwimmen als das Flugzeug zu nehmen.

Lange Rede kurzer Sinn: Ja ich kann auch verstehen, dass man frustriert ist, wenn man bisher das Gefühl hatte, dass die Lehrer den eigenen Ansprüchen nicht genügen konnten. Aber ein wirklcih guter Klavierlehrer ist aus vielerlei Hinsicht der krasseste Katalysator, den man sich für das eigene Klavierspiel vorstellen kann. Alles was du autodidaktisch machst, kannst und sollst du ja weiter so machen – auch trotz Lehrer – denn dein Klavierspiel kann davon nur profitieren und ein guter Lehrer wird dich darin nur bestärken. Aber gewissermaßen vertrödelst du echt ziemlich deine Zeit, wenn dir das Klavierspiel wichtig ist, du aber auf einen guten Lehrer verzichten willst. Aber gut: Muss jeder selber wissen.

Wenn du nochmal einen Lehrer suchen solltest, probiere einfach viele Lehrer aus. Ich weiß nicht, ob du das Glück hast in einer größeren Stadt mit Musikhochschule zu wohnen. Aber falls ja, solltest du, nachdem du einige Lehrer ausprobiert hast und bereit bist den angemessenen Stundensatz zu bezahlen, auch eine geeignete Lehrkraft finden.
 
Ich bin auch ohne Lehrer (durchaus: leider), aber ab und an steckt mir ein Meister einen heißen Tipp zu, von dem ich Monate und Jahre zehre :027::blöd:. Mein letzter KL hat mir gesagt, dass ich ganz gut im Verallgemeinern bin, wenn ich erstmal auf etwas gebracht werde.

Will sagen, unser Autodidakt muss nicht völlig fehlgehen. Feedback müsste er anderswoher bekommen. Bei mir ist es viel musizieren, Tipps aufschnappen (Alla Turca Tremolooktaven (Ihr wisst schon): "hier nur an den Daumen denken!") und selbst KL sein.
 
Ich weiß es natürlich auch nicht, genau so wenig wie die anderen das wissen. Aber wenn du meinst, der Lehrer hat ein zu niedriges Tempo, spricht vieles dafür, dass du zu oberflächlich und nicht selbstkritisch genug bist @Clavaliero .
Wahrscheinlich sind die meisten hier auch nicht selbstkritisch genug, selbst manche, die ein Studium abgeschlossen haben, ich könnte mit Sicherheit selbstkritischer sein und würde gut daran tun.
Es ist durchaus möglich, dass ich mich da irre, aber ist es auch sehr wahrscheinlich, dass du beim Spielen nicht genau genug nimmst.
Wenn du eine Aufnahme von dir einstellen würdest und sei es nur mit dem Handy aufgenommen, gerne von Op. 2 No.1 oder KV 545, kann ich dir dazu mehr sagen, manche anderen hier noch deutlich Qualifizierteres als ich.

Und zu WoO80: Direkt die erste Variation mit den Repititionen hat es ordentlich in sich. Das Umschalten von Arpeggio zu Repititionen ist viel schwerer als alles, was du bisher gespielt hast.
 
Die Brahms-Übungen können nach erfolgreichem Abschluss der ersten Hälfte des Heumanns im Selbststudium ohne Bedenken in Angriff genommen werden
Diese Aussage muss unbedingt als nicht ernst gemeint angesehen werden! ;-)
Von den Brahmsschen Fingerübungen sollte man tunlichst die Pfoten weglassen, wenn man niemanden hat, der einen dabei betreut! Das ist so wie harte Medikamente ohne ärztlichen Rat einzunehmen!
Im Ernst: An diesen wunderbaren Übungen kann man sich den Spielapparat kapputtüben.
Sie erfordern ein gerüttelt Maß an Kenntnissen über Choreographie und elastisches Klavierspiel!
Kein Scherz.

Wunderbar für das Selbststudium sind meiner Meinung nach Mozarts Variationen. Beide Hände werden gleichermaßen in kleinen Einheiten gefordert, und auch die technischen Probleme wechseln von Variation zu Variation.
 
Auch diese sind nett und abwechslungsreich:


Leider Bild und Ton extrem auseinander!

Von Mozart besonders KV 500 B-Dur
KV 455 'Pöbel, und natürlich KV 576 Duport

Dazu Beethoven Var. nach Salieri, ...
Sehr originell WoO 65 D-Dur nach Righini, die sind technisch noch etwas saftiger als WoO 80
 
Zuletzt bearbeitet:

Als Anfänger ohne Lehrer? Ich habe ja bekennendermaßen selbst keine Ahnung, aber da würde mich doch mal wieder die Meinung der anwesenden Profis interessieren.
Die Übungen sind für Anfänger ungeeignet. Selbst bei weit Fortgeschrittenen werden sie - sofern nicht durch einen sehr guten Lehrer angeleitet - in aller Regel mehr schaden als nützen. Die Übungen sind nämlich alles andere als selbsterklärend.

Wer das zweite Brahms-Konzert lernen will, kann von den Brahms-Übungen ohne Zweifel profitieren. Um eine mittlere Beethoven-Sonate zu lernen, sind sie völlig unnötig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für die gut gemeinten Ratschläge, Repertoire-Vorschläge und Hinweise!

Einige der Brahmsschen Übungen sind mit Sicherheit sehr schwer, aber ein paar (gerade die erste) sind doch auch einfach "Standard"-Übungen wie Tonleitern, die außerdem die Unabhängigkeit der Hände trainieren. Außerdem würde mich interessieren, warum alle meinen, dass Hanon die Musikalität (oder das "Gehör") zerstört? Ist halt Technik.... Genau wie Tonleitern und Arpeggios.

Fände es wirklich schön, wenn jemand mir das erklären könnte. Ist meiner Meinung nach übrigens eine sehr weit verbreitete"Krankheit" unter (auch Profi-)Pianisten: gaaanz viel Musikalität ohne ordentliche, fundierte Technik. Ansonsten halte ich wohl erstmal Abstand von den Brahms Übungen.
 
Außerdem würde mich interessieren, warum alle meinen, dass Hanon die Musikalität (oder das "Gehör") zerstört? Ist halt Technik.... Genau wie Tonleitern und Arpeggios.

Fände es wirklich schön, wenn jemand mir das erklären könnte.

Technik und Musikalität sind nicht komplett getrennt, das überlappt sich. Alles, wes ich spiele, würde ich mit perfekter Technik auch musikalisch besser spielen.
Und so Arpeggienübungen oder Tonleitern kann man durchaus auch musikalisch spielen. Du kannst z.B. eine Tonleiter mit beiden Händen im pp unisono anfangen, zwei Oktaven aufwärts spielen im Crescendo, die dritte Oktave in Gegenbewegung, wenn du rechts den höchsten Ton hast, zum ff kommen und ab da Decrescendo machen, die eine Oktave erst wieder in Gegenbewegung zurück und dann zwei Oktaven weiter im Decrescondo wieder zum Ausgangston runter.
Die Hanonübungen sind halt sehr mechanisch, da geht sowas nicht so gut.

Man kann eigentlich nicht gleichzeitig technisch gut und musikalisch schlecht spielen oder umgekehrt. Ich konnte beispielsweise das Impromptu D935 Nr. 1 sauber und wenn ich konzentriert war, ohne Fehler spielen, es war aber trotzdem technisch nicht wirklich gut, weil ich nicht diese feine Klangdifferenzierung hinbekommen habe, die ich haben wollte. Von Technik schlecht, Musikalität gut oder umgekehrt kann man höchstens sprechen, wenn man z.B. ein Rondo capriccioso spielt und die langsame Introduktion gut kann und den virtuosen Teil dann versemmelt oder umgekehrt.
Wenn jemand glaubt, technisch schlecht und musikalisch gut zu sein, ist das meist auch Selbstbetrug.
 
Welche Profi-Pianisten meinst du konkret?
Ich will hier keine riesige Debatte anfangen, ich wollte nur technische Übungen ein wenig in Schutz nehmen. Generell möchte ich mich mit Urteilen allgemein zurückhalten und finde Wertungen schlecht. Aber wenn schon gefragt wird: ich mag z.B. eine Klarheit und Präzision von z.B. Pogorelich (Chopin b-Moll sonate, Beethoven 32) lieber als (und jetzt will ich vorsichtig sein) einen Schwulst von z.B. Trifonov vor einigen Jahren (inzwischen mag ich ihn lieber) - wobei Trifonov zweifellos eine lupenreine Technik besitzt. Ist mein persönlicher Geschmack. Es besteht aber immer die Gefahr fehlende Technik durch "Musikalität" oder "Emotion" zu kompensieren. Und ja: viele studierte Pianisten (nicht unbedingt Weltstars natürlich), haben keine ideale Technik.

Ich denke wir sprechen von den gleichen Brahms Übungen. Die zweite besteht doch einfach aus Terzen, oder? Klar, anspruchsvoll, aber doch nichts, was Technik nachhaltig ruiniert.
 
@Clavaliero
Ok, danke für deine (Teil-)Antwort. Da du nun schon in aller Vorsicht Namen genannt hast - würdest du noch kurz sagen, wen du als musikalisch ohne fundierte Technik einschätzt, wie du es oben geschrieben hast?
 

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