Also, ich probiere nochmal in anderen Worten: Für mich beschreibt CPE zwei Kategorien von Vorschlägen:
- alte Art, als Achtel notiert, allezeit kurz, s. §4
- neue Art, in verschiedenen Notenwerten notiert, von unterschiedlicher Länge
Ich sehe keinen Hinweis darauf, dass die "alte Art" auch unterschiedliche Länge gehabt haben könnte, trotz stereotyper Notation als Achtel.
Was das "so" angeht: Für mein Sprachgefühl wäre der Satz auch lesbar als "von dieser unterschiedlichen Geltung". Du liest es so, dass auch die alten Vorschläge unterschiedlich lang waren, aber die Unterschiede nicht "so" groß. Das ist bei mir - aus dem Bauch heraus - eine eher moderne Lesart.
In beiden Fällen würde ich allerdings einräumen, dass CPE leider relativ viel Interpretationsspielraum bietet. Ganz eindeutig ist er in diesem Punkt nicht. Man kann ihn vielleicht wirklich nicht als "Kronzeugen" nehmen.
Eine andere Möglichkeit wäre Quantz, der hier deutlich anders vorgeht und zwischen anschlagenden Vorschlägen und durchgehenden unterscheidet. Die durchgehenden entsprechen der coulée de tierce in französischer Musik und werden von ihm vor der Zeit platziert. Das könnte in der Bourrée beim ersten Vorschlag noch treffen, beim zweiten allerdings nicht mehr.
Quantz spricht sich tatsächlich beim anschlagenden Vorschlag auf einer langen Note dafür aus, diese die Hälfte der Hauptnote zu halten. Damit hätten wir hier einen Befürworter der langen Version, s. §7:
5. §.
Es giebt zweyerley Arten der Vorschläge. Einige werden als anschlagende Noten, oder im Niederschlage; andere als durchgehende Noten, oder im Aufheben des Tactes angestoßen. Man könnte die ersten:
anschlagende, die andern aber:
durchgehende Vorschläge benennen.
6. §.
Die durchgehenden Vorschläge finden sich, wenn einige Noten von einerley Geltung durch Terzensprünge unter sich gehen, s.
Tab. VI.[WS 1] Fig. 5. Sie werden im Spielen ausgedrücket wie bey Fig. 6. zu sehen ist. Die Puncte werden lange gehalten, und die Noten wo der Bogen anfängt, nämlich: die zweyte, vierte und sechste, werden angestoßen. Man muß diese Art nicht mit denen Noten verwechseln, wo hinter der zweyten ein Punct steht, und welche fast eben dieselbe Melodie ausdrücken, s. Fig. 7. In dieser Figur kommen die zweyte, vierte, und die folgenden kurzen Noten, als Dissonanzen gegen den Baß, in den Niederschlag; sie werden im Spielen auch frech und lebhaft vorgetragen: da hingegen die Vorschläge, wovon hier die Rede ist, einen schmeichelnden Ausdruck verlangen. Wollte man nun die kleinen Noten bey Fig. 5. lang machen, und in der Zeit der folgenden Hauptnote anstoßen: so würde dadurch der Gesang ganz verändert werden, und so klingen, wie bey Fig. 8. zu ersehen ist. Dieses würde aber der französischen Spielart, aus welcher diese Vorschläge herstammen, und folglich dem Sinne ihrer Erfinder, welcher in diesem Stücke einen fast allgemeinen Beyfall erhalten hat, zuwider seyn. Oefters finden sich auch zweene Vorschläge vor einer Note, da der erste durch [
79] eine kleine, der andere aber durch eine mit zum Tacte gerechnete Note ausgedrücket wird; dergleichen bey den Einschnitten vorkommen, s. Fig. 9. Die kleine Note wird also ebenfalls kurz angestoßen, und in die Zeit der vorigen Note im Aufheben gerechnet. Man spielet die Noten bey Fig. 9. so, wie bey Fig. 10. zu ersehen ist.
7. §.
Anschlagende, oder in den Niederschlag treffende Vorschläge, findet man vor einer langen Note im Niederschlage, die auf eine kurze im Aufheben folget, s.
Tab. VI. Fig. 11. Hier wird der Vorschlag halb so lange gehalten, als die darauf folgende Hauptnote, und wird gespielet, wie bey Fig. 12. zu ersehen ist.