Applaus bei Amateur-Konzerten

Ich kriege ja von Zeit zu Zeit mal Klaviervorspiele von Klassiklehrern (bzw. ihren Schülern) mit.

In der Regel finde ich die GÄHNEND langweilig.

Wenn überhaupt, extrem un-unterhaltsame, stocksteife Ansagen. Dann ein Schüler nach dem anderen, der uninspiriert seinen geübten Kram runterspielt. Selten empfinde ich die Zeit als so langsam verstreichend wie bei diesen Anlässen.

Ich kann diverse Klassik-Rituale verstehen, warum es die gibt. Aber bitte NUR, WENN DAS GESPIELTE AUCH AUF EINEM SEHR HOHEN NIVEAU LIEGT, so dass diese "Strenge" auch dem Anlass angemessen ist!

Bei Musikschul- oder Amateurvorspielen ist das wirklich totaler Quatsch und a) macht die Schüler nur noch nervöser und unlockerer als sie ohnehin schon sind, b) langweilt das Publikum mehr als es ohnehin schon ist (denn seien wir ehrlich: Die Anwesenden hören sich das meist nicht an, weil sie die Musik genießen wollen, sondern weil sie einen oder mehrere der Vorspielenden kennen und ihnen die Daumen drücken und gespannt sind "wie sie sich wohl inzwischen auf dem Klavier gemacht haben").

Also bitte lockere Ansagen zwischen den Stücken, gute Stimmung im Raum schaffen usw.
Und ja - man KANN die Kurve kriegen zu einem anderen Stil und einer anderen Stimmung, wenn ein sehr ernstes oder introvertiertes Stück kommt.
 
Tatsächlich war ich auch genervt, wenn nach meinem Vortrag den ich selbst nicht gut fand, applaudiert wurde.
Da dachte ich dann: seid ihr doof...

Ich persönlich fände es schön, sich von all den Konventionen frei zu machen. Manchmal bin ich von einem Vortrag so begeistert, dass ich vielleicht sogar nach dem ersten Satz applaudieren möchte, nachdem Sokolov mit op 111 fertig war wollte ich mich am liebsten in meinen Sitz kuscheln, jedes Geräusch fand ich danach unpassend.

Übrigens: bei Pimpfen finde ich es schon schön, wenn applaudiert wird (vielleicht nicht übertrieben). Das freut die nämlich kolossal.
 
Ich denke das die KL vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht hat wie : die kleine "Anna" 10 Jahre bringt 10 Verwandte mit die nach einem schlechten Vortrag wie bekloppt klatschen, während ein anderer der super gespielt hat vielleicht nur mit Mutter da, ist wenig Applaus bekommt.
Ist so wie mit Schuluniform alle sind gleich.
Habe ich bei meinen Schülerkonzerten noch nie so erlebt. Jeder Beitrag wird mit Begeisterung abgeklatscht, und für alle Teilnehmer ist es schön – denn auch die, welche selbst mit ihrem Vortrag nicht 100% zufrieden sind, merken (und das kommuniziere ich auch im Vorfeld, bei den jüngeren verbunden mit Hingehen/Vorbeugen/Abgehen-Üben), dass er beim Publikum trotzdem ganz gut angekommen ist.

Manchmal (bei zusammenhängenden Stücken eines Spielers) weise ich die Zuhörer in der Ansage darauf hin, dass es bitte erst am Ende des Auftritts Applaus gibt.
 
Ich bin morgen auch wieder auf einem Vorspielen. Und zwar das der hiesigen städtischen Musikschule. Da spielen jede Menge Ensembles und Solisten auf höchst unterschiedlichen Niveaus. Na ja, eigentlich eher auf recht hohem Niveau. Abgesehen vielleicht von dem Ensemble, wo es um sozial benachteiligte Kinder geht, die auch ohne großartige musikalische Fähigkeiten in einer riesigen Gruppe zusammen spielen und beachtliches hinbekommen. Das ganze findet im Stadttheater statt und ist immer ausverkauft. Kein Wunder, bei den vielen Beteiligten, die ja ihren ganzen Anhang mitschleppen zum applaudieren. Wenn ich mir vorstelle, dass man da auf Applaus verzichten würde, käme mir das voll daneben vor. Die hingegen treiben das sogar noch ganz im Gegenteil auf die Spitze: jedes Jahr kommen nach jedem Vortrag 2 kleine blonde Mädchen im Kleidchen auf die Bühne und überreichen den Vortragenden jeweils eine Blume. Herzallerliebst. Da auf Applaus zu verzichten wäre fast schon seelische Grausamkeit.
 
Ich bin auch für ordentlich Applaus. Bei einem Schülerkonzert passt ergriffene Stille nach dem verfehlten Schlußakkord einfach nicht dazu.
Lieber gut bezahlte Claqueure und anständige Chearleader. :-D
 
Als ich zugesagt habe, war mir allerdings diese spezielle Setting nicht klar

und ich finde, dass sie ihren Wunsch/Ablauf sofort hätte kundtun sollen.

(…) ich fühle mich nun fast ein bisschen um den Applaus und eine angemessene Konzertatmosphäre "betrogen".

Das kann ich verstehen, denn der Applaus ist die Anerkennung der Leistung und Wertschätzung für den Vortragenden. Ich würde mich vermutlich auch unbehaglich fühlen, in Stille „abtreten“ zu müssen. Auch bei den Clavio-Treffen wird anerkennend applaudiert.

(…) ich fühle mich verpflichtet, da mitzumachen.

Es soll Freude machen - eine Verpflichtung löst Unbehagen aus. Wer nicht möchte sollte das sagen dürfen, ohne dass man dafür Missbilligung erfährt. Sich verpflichtet zu fühlen halte ich für kontraproduktiv.

Ich war sehr glücklich, dass mein Ex-KL keine Schüler-Vorspiele oder -konzerte organisiert hat, ich hätte mich nämlich davor gedrückt.
 
So ein stocksteifes Getue halte ich prinzipiell für vollkommen falsch. Der Anstand gebietet es natürlich nicht ins Spiel, oder dazwischen zu klatschen. Aber jegliche Art von Vortrag ist immer ein Austausch zwischen Vortragenden und Zuhörenden. Wenn man keinen Applaus will, dann braucht man nicht öffentlich vorzutragen. Ich finde mit einem „Klatschverbot“ werden Vortragende, wie auch die Zuhörer massiv um ihren Genuss und ihre Freude betrogen. Ich würde nicht hingehen. Nicht zum spielen und nicht zum zuhören....
 

Ein Schüler-Vorspiel ist kein Bühnenweihfestspiel. :chr02: Magie ... :014: Was´n Kappes.
Wenn aber Klavierlehrer/innen besonders hoffnungsvollen Schülern (oder die sie dafür halten) die Gelegenheit zu einem Vorspiel vor kundigem Publikum in einem Hauskonzert geben, dann gehört ein erhofft begeistert frenetischer, genau wie ein befürchtet verhalten höflicher Applaus zu den "Gefechtsbedingungen" eines möglicherweise angestrebten Konzertlebens.
Das Publikum darf dann aber nicht aus Verwandtschaft und Freunden bestehen.
 
Bei mir ist im Schülerkonzert im Sommer mit Familie etc. eine Menge los, weil die Schüler (nur die Kinder/Jugendliche) interaktiv (Theaterspiel, Puppenspiel, von mir geschriebene Texte, musikalische Motti ....) in die Stücke einführen. Da gibt es sowieso keine Magie zwischen den Stücken, eher Lachen und Auflockerung. :004:

Natürlich wird jede Menge geklatscht und das ist im Wesentlichen gleichmäßig auf alle Schüler verteilt. Man sollte auch bedenken, dass die "Magie" zwischen den Stücken für kleinere Kinder eher eine Tortur ist, denn die ganze Zeit mucksmäuschenstill zuzuhören, verlangt ihnen eine Menge ab. Die sind froh, wenn sie dann wenigstens mal zwischendrin klatschen dürfen. Ich mache auch ab und an Bodypercussion bzw. zu den Stücken passende Rhythmusspiele mit dem Publikum.

Im Winter findet das Schülerkonzert "nur" mit Schülern statt und da moderiere ich zwischen den Stücken. Also auch nix mit Magie. :003: Ich hoffe sehr, dass die Magie während des Spiels stattfindet und dann zwischendurch auch mal eine Auflockerung sein darf, um dann wieder zuzuhören.

Insofern würde ich der Lehrerin Feedback geben und eine Umfrage unter den Schülern machen (besser noch, sie macht es!). In Konzerten von Profis kann es manchmal sinnvoll sein, erst am Ende jeder Hälfte zu klatschen. Das wird dann aber in der Regel angekündigt.

Liebe Grüße

chiarina
 
Stellt euch mal ein Bundesligastadion vor, wo es während des Spiels muksmäuschenstill ist.
 
Sowohl ich als auch die Geigerin, mit der ich dort ein Duo spiele, und auch der Gast, den ich mitnehmen werde, finden das befremdlich...

Mich erinnert das an das Verbot des Applauses nach kirchenmusikalischen Darbietungen in evangelischen Kirchen, das es, jedenfalls bei uns, bis in die 80er Jahre gab. Und gab es damals Herrschaften, die sich stellvertrend für den Gott, zu dessen Ehre die Musik erklang, gekränkt zeigten, ist es in dem von dir geschilderten Falle jemand, der den Geist der Musik vor plebejischer Kontamination bewahren möchte. Applaus ist aber ein Dank des Zuhörers an die Musiker, und ich sehe nicht, warum das einer wie auch immer konstruierten metaphysischen Instanz, in deren Geist oder Namen die Begehung stattfindet, missfallen sollte. Jedenfalls würde ich es bis zur Erbringung eines plausiblen Nachweises nicht glauben. ;)
 
In Kirchen ist Klatschen ja ebenfalls unerwünscht.

Hu? Wo lebst Duuu denn? Das gibt es allerhöchstens bei Denominationen der allerstrengsten Observanz. Oder trägt man bei euch noch Vorkriegsattitüden und "Bekennende-Kirche" - Gestus vor sich her?

Ein Schüler-Vorspiel ist kein Bühnenweihfestspiel.

Und so gar bei dem wird ja geklatscht. Die Erleichterung nach dem Absitzen muss sich doch ihre befreiende Bahn brechen. ;)
 
Hu? Wo lebst Duuu denn? Das gibt es allerhöchstens bei Denominationen der allerstrengsten Observanz. Oder trägt man bei euch noch Vorkriegsattitüden und "Bekennende-Kirche" - Gestus vor sich her?

Komm ins "Mutterland der Reformation".

das es, jedenfalls bei uns, bis in die 80er Jahre gab.

"Bei uns" noch viel länger. Noch heute findet die Klatscherei eher zaghaft statt, oft mit scheuen Blicken, ob es denn auch rechtens sei.....:geheim:
 
Ich stamme aus Thüringen und habe das dort in den 80ern bei Konzertbesuchen in der wunderschönen Liebfrauenkirche und der Bachkirche in Arnstadt von meinem aus dem Anhaltinischen stammenden, nicht mehr religiösen Vater gelernt und seitdem auch eigentlich bei Konzerten in Kirchen immer so erlebt. Die "Rechtsgrundlage" dafür hab ich nie hinterfragt; ich orientiere mich halt an der gelebten Praxis.

Ausnahmen erlebe ich gelegentlich tatsächlich im Gottesdienst, wenn die lieben Kinderlein was vorgetragen haben. Da wird öfters geklatscht, und nein, es kuckt keiner böse deswegen.
 
habe das dort in den 80ern bei Konzertbesuchen in der wunderschönen Liebfrauenkirche und der Bachkirche in Arnstadt von meinem aus dem Anhaltinischen stammenden, nicht mehr religiösen Vater gelernt

Ich hatte schon mehrfach den Eindruck, dass die traditionellen Formen in den Ostdeutschen ev. Kirchen stärker gewahrt worden sind als im Westen. In meiner Kindheit und Jugend war derlei Strenge auch noch angesagt, aber das hat sich nach 1968 allmählich verloren. Kurioserweise war es in den katholischen Kirchen grad andersrum. Ich erinnere mich noch gut an mein Befremden, als ich meinen ersten katholischen Ostergottesdienst miterlebte (meine Frau sang da im Kirchenchor) und die Leute am Schluss erst dem Pfarrer Beifall klatschten (hätte bei uns einen Skandal gegeben), dann auf Aufforderung des Pfarrers der Organistin und schließlich sogar dem Messner, der dafür aus der Sakristei hervorgeholt wurde und sich verbeugte (hätte bei uns einen noch größeren Skandal gegeben). "Locker tun und dabei vollgestopft sein mit dogmatischer Rigidität bis unters Schädeldach", dachte ich mir damals, habe aber darauf verzichtet, dieses kulturelle Befremden weiter zu kultivieren ;)
 

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