Du hast nur die Hälfte gefettet. Es gab da noch "oder halt supertalentierte Musiker"
Ja und? Die supertalentierten Musiker sind zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften rar gesät! Das sagt über Gesellschaften und deren Ausbildungsweisen schlichtweg gar nichts aus.
also
@Andre73 :
Noch mal ganz von vorne, damit du nicht weiterhin gleichermaßen falsch wie polemisch umherpoltern musst: (sehr vereinfacht, gerafft) im 18. und 19. Jh. spielte sich die Musikkultur (und nicht nur die allein, auch Literatur, Theater, Malerei etc) überwiegend in städtischen Zentren ab und zwar überwiegend innerhalb von zwei sozialen Schichten: dem "Bürgertum" und der herrschenden Aristokratie (wozu auch die "Geldaristokratie" und hohe Militärränge zählen). Freundlich gerechnet 80 % der Bevölkerung hatten keinen Zugang dazu - die europäischen Feudalstaaten des 18. und 19. Jhs. zeichneten sich ganz gewiß nicht durch soziale Gerechtigkeit aus. Allgemeine Schulpflicht, Sozial- und Krankenversicherung, geregelte Arbeitszeiten und -tarife, all das sind soziale Errungenschaften, die sich (sehr vereinfacht gesagt) erst sehr langsam und gegen große Widerstände im Lauf der letzten 200 Jahre entwickelten.
Natürlich kann man an historische Sozietäten als Maßstab die soziale Gerechtigkeit im Vergleich zu uns heute anlegen -
aber dieser Maßstab sagt nichts über die Qualität von Ausbildungsmethoden in den verschiedenen Sozietäten aus! Ob innerhalb von Gesellschaften 100% oder nur 5% der Bevölkerung ohne nennenswerte Einbußen Zugang zu irgendeiner Ausbildung hat, sagt uns nichts über die Qualität der Ausbildung.
Was innerhalb bürgerlicher Schichten (und aufwärts) die
musikalische & instrumentale Ausbildung betrifft, so war diese - wo sie stattfand - von erstaunlich hoher Qualität. Zwar wusste man weder über Harmonielehre noch über Spieltechnik(en) damals mehr als heute (auch war man pädagogisch etwas rustikaler als in unseren heutigen Streichelzeiten) - aber einerseits war das Arbeitspensum höher (u.a. weniger Ferien) und andererseits war die Unterrichtszeit (!!) deutlich höher. 12-14 Wochen unterrichtsfreie Zeit (Schulferien) gab es nicht, ebenfalls reduzierte sich der Unterricht nicht auf gerademal eine Stunde je Woche. Die Kosten für solchen Unterricht gehörten quasi ebenso zum guten Ton wie die Anschaffungskosten für "das alltägliche [Service] mit dem Zwiebelmuster" (Mann, Buddenbrooks). Heinrich Heine beklagte ironisch-satirisch die Klaviermanie des 19. Jhs., weil man in der Stadt überall das Geklimper aus den Fenstern ertragen musste - was andererseits immerhin zeigt, dass sich der Anteil des Bürgertums an der Gesamtbevölkerung seit dem 18. Jh. deutlich erhöht hatte (ein Indikator für eine relative statistische Verbesserung der Lebensumstände) Im späten 19. Jh. wurde das mächtige deutsche Kaiserreich (1871 mit Aplomb in Versailles gegründet) finanziell klamm: große Projekte wie Flottenausbau, Panzerfortifikation, nationale Riesenmonumente (Kyffhäuser) ließen sich nicht aus der Portokasse finanzieren, hinzu erwiesen sich die Kolonien als Verlustgeschäft - da kam man auf den findigen Gedanken, eine spezielle
Luxussteuer einzuführen:
eine Steuer auf Klaviere (!!) ... ...abgesehen davon, dass das kurios erscheint, lehrt es doch, dass man damals wie heute den Kauf eines hochwertigen Tasteninstruments nicht als völlige Selbstverständlichkeit sah.
ach ja: je besser der Unterricht, desto höher die Wahrscheinlichkeit (ja Häufigkeit) akzeptabler Ergebnisse - das musikalische und spieltechnische Niveau der "höheren Töchter" bürgerlicher Verhältnisse im 19. Jh. war höher als das Durchschnittsniveau einer heutigen Jugendmusikschule.