Anfängerfragen, traut Euch!

  • Ersteller des Themas violetta
  • Erstellungsdatum

Ich höre mir die Stücke fast immer mal an. Nicht gleich zu Anfang, erst, wenn ich das Stück eine Weile übe. Aber dann nehme ich aus dem Spiel der Profis immer viele Anregungen mit. Ich finde es hilfreich, wenn ich meine, das passt jetzt so ganz gut und dann höre, wo das enden kann und was da noch an Potential drin steckt. Das motiviert sehr, da noch weiter dran zu feilen. Ich bemühe mich dabei immer, bekannte Profis zu hören, Solokov, Kissin, Lisitsa etc. Schlechte Aufnahmen von Laien gibts bei YT viel zu viel.
 
Ich finde es viel spannender, auf „Entdeckungsreise“ zu gehen, zu schauen, was im Notentext (und zwischen den Zeilen) steht. Wenn ich mir anhand des Notentextes eine eigene Meinung gebildet und zu einer Darstellung gefunden habe, die ich stimmig finde, dann kann es durchaus interessant sein, sich anzuhören, zu welchem Ergebnis andere Pianist*innen gekommen sind. Es braucht länger, macht aber auch mehr Spaß. Bei viel zu vielen Stücken habe ich bereits Muster im Ohr, die es schwierig machen, den Notentext unvoreingenommen zu lesen. Da komme ich mir dann vor, wie Tourist auf Sightseeing-Tour mit Pauschalarrangement.
 
Natürlich höre ich mir an, wie andere das spielen. Möglichst mehrere Interpretationen. Das ist für mich das Spannende daran.
Und das ist auch das Sinnvolle daran. Egal auf welchem Level, egal um welches Stück es geht: Ungünstig wäre es, sich ständig eine und die selbe Interpretation anzuhören. Sich davon zu lösen und seine Referenzaufnahme nicht zu kopieren, wäre dann sehr schwer.

Als weit Fortgeschrittener oder als Profi ist es durchaus sinnvoll und oft auch notwendig, sich die Musik aus dem Notentext ohne Höreindrücke zu erschließen. Da würden "Aufnahmen im Ohr" den Prozess nur stören. Aber gerade als Anfänger braucht man eine Orientierung, um ein Basisschema zu entwickeln, das der Erarbeitung eines Stücks dient. Es gibt ja noch kein musikalisches Weltbild, auf das man als Anfänger zurückgreifen kann. Deshalb: unbedingt Aufnahmen hören, aber eben viele verschiedene, möglichst unterschiedliche.
 
Ich glaube, daß die Klavierlehrer, die Anfängern davon abraten, sich nicht sicher sind, ob der Schüler bei YT und Co die Spreu vom Weizen trennen kann.
Zielführend wäre dann evtl der Hinweis auf gute Interpretationen. An denen kann jeder lernen.
Mir geht es beim Hören (nach gut 3 Jahren) allerdings nicht um das Verständnis des Stücks an sich sondern um Technik (und ich frage dann in der Stunde auch konkret nach).
Außerdem schult es das Hören, wenn ich verschiedene Interpretationen vergleiche.
 
Aber gerade als Anfänger braucht man eine Orientierung, um ein Basisschema zu entwickeln, das der Erarbeitung eines Stücks dient. Es gibt ja noch kein musikalisches Weltbild, auf das man als Anfänger zurückgreifen kann.
Die Interpretation, woher auch immer sie kommen mag, präsentiert sich mir als fertiges, statisches Ergebnis. Ich kann den Interpreten nicht mehr fragen, warum er dieses oder jenes Tempo gewählt hat, warum er so (und nicht anders) phrasiert etc. Mit meinem Lehrer kann ich all diese Dinge besprechen. Vielleicht spielt er nicht so perfekt wie ein Sokolov oder was weiß ich wer. Aber er gibt mir Argumente an die Hand, anhand derer ich mich für meine Darstellungsweise entscheiden kann.
 
@Cheval blanc
Das, was du beschreibst, ist ein guter Weg in einem guten Klavierunterricht, nämlich das Finden von Argumenten für eine bestimmte Gestaltung, das bewusste Durchdringen und eine klare, eigenständige Entscheidung. Dies muss auch der Hauptanteil der Erarbeitung sein.

Ergänzend dazu ist es allerdings durchaus sinnvoll, als Hilfe Aufnahmen von anderen Musikern nicht im Giftschrank einzuschließen, sondern sich eben möglichst vielfältige Interpretationen anzuhören, wenn noch kein ausreichender musikalischer Erfahrungsschatz vorhanden ist, um völlig eigenständig musikalisch-interpretatorische Entscheidungen zu treffen.

Übrigens beschleunigt das Hören den Lernprozess eines bisher unbekannten Stückes.

Die Entdeckungsreise, von der du weiter oben geschrieben hast, halte ich für sehr ergiebig und wirklich spannend, aber erst dann, wenn man bereits das Anfängerstadium hinter sich gelassen hat.
 
Ich glaube, daß die Klavierlehrer, die Anfängern davon abraten, sich nicht sicher sind, ob der Schüler bei YT und Co die Spreu vom Weizen trennen kann.
Ja, auf YT stellt oft gefühlt jedermann stolz seine gerade eben eingeübte Version ein. Aber auch das finde ich interessant, weil beim Suchen nach den guten Versionen lernt man so auch eine Menge, wie das Stück noch nicht so gut gespielt wird, wie es sein könnte.
Mir hilft auch das bei der Entwicklung von "Qualitätskriterien" und ich habe dadurch auch gelernt, besser hinzuhören und das Entwicklungspotenzial auch zu hören.

Aber da bin ich ja beruhigt, dass die meisten von euch das auch so handhaben und von der "reinen" Lehre vieler KL (auch einiger von mir höchstgeschätzter Autoritäten hier im Forum) noch etwas abweichen.
@Cheval blanc - du bist glaube ich auch schon wesentlich fortgeschrittener unterwegs... hoffe, ich komm da auch noch hin, dass ich das nicht mehr brauche..
 
Es kommt meiner Meinung nach auch sehr darauf an, welche Vorerfahrungen da sind. Wenn ich Kinder unterrichte, die aus einem Elternhaus stammen in dem Musik keine Rolle spielt und vielleicht auch in Kindergarten und Grundschule eher wenig gesungen wurde, animiere ich die Schüler immer wieder sich die Stücke auf yt anzuhören.
Sowas wie musikalische Phrasierung ist ja nicht angeboren (oder doch ?), sowas muss man meiner Erfahrung nach genauso lernen, wie Fingertechnik etc. .
 
Sowas wie musikalische Phrasierung ist ja nicht angeboren (oder doch ?), sowas muss man meiner Erfahrung nach genauso lernen, wie Fingertechnik etc

Ja!!!
Wenn es etwas gibt, wo ich gerne mal die Geduld verliere, dann ist es der Irrglaube man müsste nur Technik (wo fängt die an? wo hört die auf?) üben, 'musikalisch' (was auch immer damit gemeint sein mag???) sei man ja sowieso; besonders als Deutscher, der die Empfindung für die 'wahre Musik' ja schon mit der Muttermilch unverlierbar inhaliert hat.
 
Ich habe auch noch eine Anfängerfrage:
Übt ihr auf eigene Faust neue Stücke? Mit meinen KL war ich nicht so zufrieden und durch den Lockdown kann ich sowieso keinen neuen Unterricht nehmen, sodass ich momentan ausschließlich mit Band 1 der europäischen Klavierschule, den ich im Unterricht durch hatte, übe. Spiele täglich die Übungen und Stückchen aus dem Band rauf und runter. Ist das zielführend oder sollte ich lieber noch andere Stücke heranziehen? Falls ja, wie finde ich geeignete Stücke für Anfänger wie mich?
 

Die russische Klavierschule ohne Lehrer ist eher mühsam.
Und ja, klar schummel ich Stücke an meinem KL vorbei.
Aber meistens welche, die im Buch stehen und er übersprungen hat. (Ich hab mit der RKS gelernt und er hat alles von Bartok übersprungen und die Stücke aus Peter und der Wolf auch- die habe ich dann eben "schwarz" geübt)
Ansonsten finde ich die Tastenträume Reihe ganz nett, übersichtliche Noten in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Ich hab aber nur die Weihnachtslieder und die Kinderlieder, gibt wohl noch deutlich mehr.

LG,
Hekse
 
Logo! Die Klavierliteratur ist viel zu reichhaltig, um das bleiben zu lassen :004:
Manches habe wir dann im Unterricht direkt aufgegriffen - gelegentlich grabe ich nämlich auch was aus, was die KL (zumindest im Detail) noch nicht kannte. Manches wird dann für später auf die Wunschliste geschrieben.

Die Frage ist, warum dir der Unterrichtsstoff nicht reicht. Wenn es dir insgesamt - gemessen an deiner Übezeit - zu wenig vorkommt, würde ich das ansprechen. Ein ordentlicher KL merkt meiner Meinung nach, ob ein Schüler viel übt / spielt.
 
Ab und an natürlich. Mein KL ist z.B. kein großer Freund von Bartók, da muss ich dann schon selber ran.
Schade, dass dir da die Arbeit verweigert wird. Professionalität bedeutet, auch das nicht emotional unmittelbar Ansprechende gut zu machen. Dein KL muss ja nicht Musik von Bartok privat hören. Aber Unterrichten ist für Lehrer kein Wunschkonzert.
 
@Albatros2016
Dann komm zu meiner, die liebt ihn!
 
@Cheval blanc
Die Entdeckungsreise, von der du weiter oben geschrieben hast, halte ich für sehr ergiebig und wirklich spannend, aber erst dann, wenn man bereits das Anfängerstadium hinter sich gelassen hat.

Lieber Demian, liebe Viva la Musica,

wie ich hier schon öfter geschrieben habe, bin ich kein Freund des Hörens verschiedener Interpretationen, bevor man ein Stück anfängt zu üben oder wenn man es gerade beginnt zu erarbeiten. Sehr wohl bin ich ein Freund davon, wenn sich bereits eine Vorstellung von Klang, musikalischem Gehalt etc. gebildet hat.

Warum?

1. Von Anfängerstücken gibt es nur sehr wenige Interpretationen auf hohem Niveau. Ein Anfänger hat normalerweise ein noch unausgebildetes Gehör und sollte sich daher keinesfalls schlechtes Klavierspiel anhören, was in irgendeiner Form haften bleibt. Von den Besten sollte man lernen!

2. Es ist ein riesengroßer Unterschied, ob man sich etwas selbst erarbeitet oder ob man etwas gezeigt/vorgekaut bekommt! Das Endprodukt, das fertige Stück, wird bei der ersteren Herangehensweise ganz anders klingen. Es wird viel intensiver und aus sich selbst heraus musiziert werden. Der Klavierspieler erfährt das Stück in allen Einzelheiten aus sich selbst, mit allen Fragen, Unsicherheiten und Problemen. Aber auch mit Staunen, mit Begeisterung, mit Freude, Probleme gelöst, Fragen geklärt zu haben. Das hört man am Schluss, glaubt mir!

3. Es ist dabei ein Unterschied, ob man im Unterricht Teile oder Einzelheiten vorgespielt bekommt oder ob man immer wieder ganze Aufnahmen hört.

4. Ich höre aus euren Überlegungen heraus, dass ihr meint, ein Anfänger brauche diese Hilfe, er könne sich eben noch nichts ganz allein, nur mit Hilfe des KL erarbeiten.

Zwei Punkte sind wichtig, damit auch ein Anfänger selbständig arbeiten kann (s. Punkt 2):

a) Hilfe des KL zur Selbsthilfe - Übestrategien vermitteln, vorspielen

Wie man an ein Stück herangeht, wie man auch als Anfänger ein Stück so übt, dass man Kontrolle hat, nicht überfordert wird und sofort Erfolgserlebnisse hat, ist Aufgabe des KL. Ein großes Problem sehe ich in den so oft erwähnten Übestrategien "sofort zusammen üben", "erst einzeln üben", "langsam üben". Das sind viel, viel zu wenige und dann ist es kein Wunder, dass Aufnahmen anderer Interpreten die scheinbar einzige Lösung sind, sich zu helfen.

Jedes Stück hat seine besondere Struktur und erfordert eine bestimmte Herangehensweise beim Üben. Bei dieser erfährt man in jedem Fall das Stück aus mehreren "Hörperspektiven", die einem die Sache leicht(er) machen, die neugierig machen und motivieren. Man kann man sie schnell schon im Tempo spielen - wenn man nur langsam übt, verliert man den Faden und denkt, die einzige Lösung sei, sich eine Aufnahme anzuhören. Solche Hörperspektiven findet ihr hier (sorry, schon wieder Eigenwerbung).

Dazu braucht man keine Aufnahme. Es treten immer Fragen oder Probleme auf, aber man sollte ein Handwerkszeug haben, um solche Fragen lösen zu können. Und manchmal ist es wichtig, sich länger mit Schwierigkeiten zu beschäftigen - auch davon profitiert die spätere Interpretation.

Außerdem ist es wichtig, dass der KL durch Vorspielen demonstriert, wie es klingen kann, welche Bewegungen dazu nötig sind etc.. Wie soll ein Anfänger das sonst wissen (und nicht nur Anfänger)?

b) Einstieg in ein neues Stück

Es gibt verschiedene Einstiege in neue Stücke, die dem Anfänger das Wesentliche vermitteln können. Hier ein paar Möglichkeiten:
  • Manchmal sucht der Lehrer zusammen mit dem Schüler ein Stück aus. Ich finde es wichtig, dass ein neues Stück dem Schüler auch gefällt und spiele dazu dem Schüler verschiedene mögliche Stücke vor, die ich ausgewählt habe. Auch sonst spiele ich Anfängern oft Stücke vor, bevor sie sie selbst erarbeiten. Der Einstieg fällt leichter, der Schüler stellt seine Ohren auf und wird neugierig: "Oh, DAS will ich lernen!" Das ist aber etwas anderes, als sich zu Hause immer wieder Aufnahmen von dem Stück anzuhören.
  • Man kann sehr gut über Improvisationen Stücke oder deren wesentliche Bausteine erarbeiten. Als Lehrer Bausteine vorspielen, die der Schüler nach Gehör nachspielt, transponiert, damit improvisiert. Bestimmte rhythmische Bausteine nachklopfen, ebenfalls damit improvisieren. Besonders schwierige Stellen schon einmal angehen in erleichterter Form, kleine Übungen dazu erfinden...... .
  • Teile des Stücks nach Gehör nachspielen (Lehrer spielt vor, Schüler nach).
Es gibt sehr viele Möglichkeiten und wenn ein Schüler unsicher ist, kann er diese Dinge auch aufnehmen, so dass er sich zu Hause alles noch einmal anhören kann. Sich Aufnahmen anderer anzuhören, finde ich die schlechteste aller Möglichkeiten, denn es weckt kein Verständnis für Entscheidungen (warum macht er das so und so?) und die musikalischen Strukturen.

Ich finde es nicht schlimm, wenn es so etwas länger dauert und weiß auch, dass das andere KL anders sehen. Mein Ziel ist aber u.a., dass der Schüler in sich entdeckt, was er mit einem Stück aussagen will. Der erste Zugang zu Musik, zu einem Stück, ist oft entscheidend und deshalb möchte ich auf die Fähigkeiten des Schülers selbst setzen.

Im Übrigen kann es auch demotivieren, sich Aufnahmen anzuhören (was, sooo schnell???, das kriege ich nie hin! ...).

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich höre mir immer die neuen Stücke vorher an. Das kann auf YT oder der Buch-CD oder sonstwo sein. Ich will mich einfach nicht mit Stücken beschäftigen, die mir nicht gefallen.
 

Zurück
Top Bottom