Vorhin hat mir jemand geraten: “Lass doch den ganzen Harmoniekram außen vor, wichtig ist doch, dass es gut klingt. Achte lieber drauf, dass du die Harmonien auf den richtigen Tasten triffst!”.
Das Problem ist, dass es häufig nicht gut klingen wird, wenn man die harmonischen Progressionen, die Stimmführungsregeln des Kontrapunktes, die motivischen Zusammenhänge, die formalen Besonderheiten etc. nicht versteht. Nimm als Beispiel den zweiten Takt deiner Analyse:
Dann kommt D-Dur und G-Dur ohne Grundton.
Das ist nicht richtig - der ganze Takt gehört harmonisch zu D-Dur, das h im Diskant ist lediglich eine (unbetonte!) Wechselnote. Wenn man das nicht weiß, wird man in der Mitte des Taktes einen Pedalwechsel machen, der zum einen die wichtige Terz des D-Dur Dreiklangs auslöscht und zum anderen den Klang in diesem Fortissimo-Kontext unschön ausdünnt und einen unbestimmten Terzklang hinterlässt.
Ein anderer Aspekt spricht für die Beschäftigung mit der Musiktheorie: wenn man diese wirklich verinnerlicht hat (was man am ehesten durch praktisches Generalbass- und Partimentospiel erreicht, weniger durch das Lesen irgendwelcher Bücher), dann lernt man neue Stücke sehr viel schneller. Man muss sich nämlich nicht mehr alles merken, was man in den Noten liest, sondern nur noch das, was von den erlernten Mustern abweicht. Wie weit man darin als Amateur kommen kann, kann ich nicht so gut einschätzen. Für eine komplette klassische Sonate (auswendig) innerhalb eines Tages wird es vielleicht nicht reichen *), aber wenn man die Lernzeit für ein neues Stück um 50% verkürzen kann, ist ja auch schon viel gewonnen.
*) Sowas - je eine komplett Mozart oder Haydn-Sonate täglich - war mal 2 Wochen lang Unterrichtsaufgabe in meiner Klavierklasse. Es ist erstaunlich, wie schnell man lernen kann, wenn man muss und es systematisch angeht!