Anfängerfragen, traut Euch!

  • Ersteller des Themas violetta
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Möchte man es dennoch analysieren, dann am ehesten so: Cis-Dur ist die Zwischendominante zu fis-moll, das wiederum die zweite Stufe (Subdominant-Paralle) der Variante von e-moll, nämlich E-Dur ist. Dieses fis-moll erklingt aber nicht, auch das gibt es schon bei Schubert.

Das fis-Moll erklingt nicht, aber die Dominante Fis-Dur schon - der Cis7-Akkord ist eine simple Doppeldominante. Die ganze Stelle ist nur ein erweitertes Kadenzmodell. Am einfachsten macht man sich solche Zusammenhänge klar, indem man sie tatsächlich erstmal in bequemer Lage als Kadenz spielt - z.B. so:

kadenz.png
 
@Marlene
e-moll ist die momentane Tonika. Tauscht man diese gegen ihre Variante (so nennt sich das Verduren oder Vermollen einer Funktion) aus, so hat man E-Dur. Dessen Tonikaparallele ist cis-moll. Wenn man dieses wiederum verdurt, erhält man Cis-Dur, eine Mediante, die weit vom ursprünglichen Tonalitätskreis entfernt ist.

Es ergibt auch nur bedingt Sinn, das auf diese Weise zu analysieren, da das Ohr diese Zusammenhänge (die ja über weite Umwege gehen) nicht wahrnimmt. Viel sinnvoller ist es, e-moll und E-Dur als kontrastierende Klangfarben bzw. Klangflächen zu deuten. Und genau so hört das Ohr das ja auch.
 
@mick
@chiarina
Ok, wenn man die Zusammenhänge von hinten betrachtet, ergibt Doppeldominante Sinn.
 

Lieber mick,

in der Kadenz ist der Takt nach der Doppeldominante bei dir schon auf Fis-Dur bezogen. Das macht viel Sinn! Ich bin momentan nicht am Instrument und hatte das auch so überlegt, dann aber gedacht, ob man nicht den Akkord auch als cis-moll7 auch empfinden könnte. Deine Kadenz ist auf jeden Fall logischer, aber beim innerlichen Hören hörte ich an der Stelle (noch) keine Dominante bzw. einen Mischklang. Würdest du das völlig ausschließen?

Liebe Grüße

chiarina
 
Deine Kadenz ist auf jeden Fall logischer, aber beim innerlichen Hören hörte ich an der Stelle (noch) keine Dominante bzw. einen Mischklang. Würdest du das völlig ausschließen?

Ich nehme den Cis7 (zumindest im Rückblick - nachdem sich die folgenden Takte als Dominante mit Vorhalt entpuppen) eindeutig als Doppeldominante wahr.

Situationen, in denen eine Funktion erst im Nachhinein klar wird, gibt es sehr häufig - schon Haydn hat damit, besonders in langsamen Sätzen, auf geradezu abenteuerliche Weise experimentiert. Natürlich mit dem Ziel, den Hörer erstmal zu verwirren oder zu täuschen und ihm dann mit einer gekonnten Pointe eine Nase zu drehen. Solche Verwirrspiele - häufig auch rhythmischer Art - sind ein ganz wesentliches Element der Spannungserzeugung in sehr vielen Kompositionen.

Das hier:
Grundsätzlich kommt die Funktionsharmonik ab der Spätromantik an ihre Grenzen. Die Harmonik erweitert sich immer mehr bis zur "Emanzipation der Dissonanz" (Schönberg). Immer mehr nicht der Harmonie oder Tonart zugehörige Töne färben den Klang, manchmal erklingen zwei Harmonien gleichzeitig und überlagern sich - ein weites Feld. Deswegen hat dein Klavierlehrer wahrscheinlich auch die Ansicht, die du schilderst.

ist zwar grundsätzlich völlig richtig, trifft hier aber nicht den Kern. In diesem frühen Werk gibt es noch keine Emanzipation der Dissonanz - das ist alles brave Kadenzharmonik. Die großräumigen Figuren, die häufigen harmonischen Ausweichungen und die zahlreichen, teilweise lang ausgehaltenen Vorhalte und Wechselnoten verschleiern diese im Prinzip klar verständliche Harmonik - aber die Dissonanzen bleiben hier an keiner Stelle unaufgelöst. Der 40 Jahre vorher entstandene Tristan ist in der Hinsicht viel "moderner". Aber das sollte man dem 17-jährigen Szymanowski wirklich nicht zum Vorwurf machen...
 
Ich nehme den Cis7 (zumindest im Rückblick - nachdem sich die folgenden Takte als Dominante mit Vorhalt entpuppen) eindeutig als Doppeldominante wahr.

Ja, ich auch, wie ich auch geschrieben habe. Ich meinte den Takt danach.

Ich habe das oben zitierte eher als Hinweis an Marlene gemeint, die auch schon Skrjabin funktionsharmonisch analysiert hat. Ich meine, dass man die Funktionsharmonik besser versteht, wenn man sie zunächst an leichteren Beispielen und einfachen Kadenzen betrachtet.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ja, ich auch, wie ich auch geschrieben habe. Ich meinte den Takt danach.

Der Takt danach hat bereits das Fis im Bass - und spätestens, nachdem es durch die Wechselnote Eis eindeutig nicht um einen Bassvorhalt handeln kann, ist logisch, dass der Vorhalt in den Oberstimmen liegen muss. Denn dass es in diesem Takt einen Vorhalt gibt, ist durch die Dissonanz hinreichend klar. Rein theoretisch könnte man das Fis auch als Orgelpunkt betrachten. Aber Orgelpunkte beginnen üblicherweise nicht mit einer angesprungenen Dissonanz, deshalb fällt das hier flach.
 
Tauscht man diese gegen ihre Variante (so nennt sich das Verduren oder Vermollen einer Funktion)

Das nennt man Modulation, richtig?

Am einfachsten macht man sich solche Zusammenhänge klar, indem man sie tatsächlich erstmal in bequemer Lage als Kadenz spielt

Der vorletzte Takt Deiner Grafik erschließt sich mir aber nicht (also doch Anfängerfrage), mit dem fis nehme ich den Klang als ziemlich schräg wahr.

Denn dass es in diesem Takt einen Vorhalt gibt, ist durch die Dissonanz hinreichend klar.

Hmmm….
:konfus:

Ein Vorhalt ist eine funktionsfremde dissonante Note auf einer schweren Taktzeit. Ist das g diese Nebennote (denn gis klingt nicht dissonant)?

Ich meine, dass man die Funktionsharmonik besser versteht, wenn man sie zunächst an leichteren Beispielen und einfachen Kadenzen betrachtet.

Mir wurde dafür öfters das WTK empfohlen.

Vorhin hat mir jemand geraten: “Lass doch den ganzen Harmoniekram außen vor, wichtig ist doch, dass es gut klingt. Achte lieber drauf, dass du die Harmonien auf den richtigen Tasten triffst!”.

Wo verspielst du dich denn, links, rechts oder beides?

Beide Hände, vermutlich weil ich nicht konzentriert genug bin um die weiter entfernte Hand zuerst starten zu lassen.
 
Vorhin hat mir jemand geraten: “Lass doch den ganzen Harmoniekram außen vor, wichtig ist doch, dass es gut klingt. Achte lieber drauf, dass du die Harmonien auf den richtigen Tasten triffst!”.

Liebe Marlene,

klar, das Analysieren bedingt nicht größere Treffsicherheit. :003: Aber wie ich schon gesagt habe:
  • erstens interessiert es dich, so wie ich das wahrnehme
  • um Musik zu verstehen, muss man auch die harmonische Struktur verstehen und hören lernen - eine harmonische Analyse ist also sehr wichtig
  • die Stellen werden dir bewusster

Beide Hände, vermutlich weil ich nicht konzentriert genug bin um die weiter entfernte Hand zuerst starten zu lassen.

Das wäre hier fatal, denn du hast für die weiter entfernte Hand (links) nur wenig Zeit (ein Triolenachtel Abstand (? was ist das für eine Taktart). Für die rechte Hand hingegen hast du mehr Zeit (ein Viertel), also gehst du zuerst mit rechts zum nächsten Akkord, während du mit links spielst, und bist dann schon da, wenn die linke Hand rübergleiten musst. Nicht als Sprünge begreifen, sondern als ein Gleiten mit guter Armführung.

Liebe Grüße

chiarina

P.S. Zur Analyse Kadenzen schreiben und spielen, Choräle analysieren wie z.B. diesen hier aus dem Album für die Jugend:

Schumann, Choral.PNG
 
Zuletzt bearbeitet:

Ein Vorhalt ist eine funktionsfremde dissonante Note auf einer schweren Taktzeit. Ist das g diese Nebennote (denn gis klingt nicht dissonant)?

Da ist kein g, es ist gis (bei einer Überbindung schreibt man das Vorzeichen nicht nochmal). Aber auch, wenn es weniger "scharf" klingt - dieses gis bildet zum Basston eine None und ist deshalb zweifellos eine Dissonanz. Ebenso die Septime e, und selbst die Quarte h gilt in diesem Zusammenhang als Dissonanz. Wir haben also eine dreifache Dissonanz.
 
Vorhin hat mir jemand geraten: “Lass doch den ganzen Harmoniekram außen vor, wichtig ist doch, dass es gut klingt. Achte lieber drauf, dass du die Harmonien auf den richtigen Tasten triffst!”.

Das Problem ist, dass es häufig nicht gut klingen wird, wenn man die harmonischen Progressionen, die Stimmführungsregeln des Kontrapunktes, die motivischen Zusammenhänge, die formalen Besonderheiten etc. nicht versteht. Nimm als Beispiel den zweiten Takt deiner Analyse:

Dann kommt D-Dur und G-Dur ohne Grundton.

Das ist nicht richtig - der ganze Takt gehört harmonisch zu D-Dur, das h im Diskant ist lediglich eine (unbetonte!) Wechselnote. Wenn man das nicht weiß, wird man in der Mitte des Taktes einen Pedalwechsel machen, der zum einen die wichtige Terz des D-Dur Dreiklangs auslöscht und zum anderen den Klang in diesem Fortissimo-Kontext unschön ausdünnt und einen unbestimmten Terzklang hinterlässt.

Ein anderer Aspekt spricht für die Beschäftigung mit der Musiktheorie: wenn man diese wirklich verinnerlicht hat (was man am ehesten durch praktisches Generalbass- und Partimentospiel erreicht, weniger durch das Lesen irgendwelcher Bücher), dann lernt man neue Stücke sehr viel schneller. Man muss sich nämlich nicht mehr alles merken, was man in den Noten liest, sondern nur noch das, was von den erlernten Mustern abweicht. Wie weit man darin als Amateur kommen kann, kann ich nicht so gut einschätzen. Für eine komplette klassische Sonate (auswendig) innerhalb eines Tages wird es vielleicht nicht reichen *), aber wenn man die Lernzeit für ein neues Stück um 50% verkürzen kann, ist ja auch schon viel gewonnen.

*) Sowas - je eine komplett Mozart oder Haydn-Sonate täglich - war mal 2 Wochen lang Unterrichtsaufgabe in meiner Klavierklasse. Es ist erstaunlich, wie schnell man lernen kann, wenn man muss und es systematisch angeht!
 
Da ist kein g, es ist gis (bei einer Überbindung schreibt man das Vorzeichen nicht nochmal).

"Hä, welches gis?", habe ich zuerst gedacht, "da ist doch keins". Aber der Hinweis auf None zum Basston hat dann den Groschen fallen lassen: Es geht nicht um "den Takt danach", den @chiarina meinte, sondern um Deine Kadenzen. Sorry, Denkfehler.
 
Es geht nicht um "den Takt danach", den @chiarina meinte, sondern um Deine Kadenzen. Sorry, Denkfehler.

Wobei die Frage g oder gis hier keine große Rolle spielt - Dominantseptnonenakkorde ändern ihre Funktion nicht, wenn man die große None durch eine kleine None ersetzt. Ich habe das gis nur aus Gründen der Stimmführung notiert - einen chromatische Wechsel g-gis-g im Diskant finde ich störend, und einen Querstand wollte ich in der streng gesetzten Kadenz vermeiden.
 
Das ist nicht richtig - der ganze Takt gehört harmonisch zu D-Dur, das h im Diskant ist lediglich eine (unbetonte!) Wechselnote. Wenn man das nicht weiß, wird man in der Mitte des Taktes einen Pedalwechsel machen, der zum einen die wichtige Terz des D-Dur Dreiklangs auslöscht und zum anderen den Klang in diesem Fortissimo-Kontext unschön ausdünnt und einen unbestimmten Terzklang hinterlässt.

Wie ich solche Erläuterungen liebe.
:-) :super:

Ich habe es gerade ausprobiert und deutlich gehört, wie D-Dur verschwindet. Und mir ist auch klar geworden, dass der Pedalwechsel einen Takt vor dem ersten roten Punkt unnötig ist, weil es alles h-moll ist. Ich werde mal alle Takte auf mein Pedalisieren "untersuchen".

Ich danke Euch für Eure Nachhilfe.
:kuscheln:
 
Der unvorbereitete Wechsel in die Variant-Tonart ist keine Modulation. Eine Modulation braucht immer ein Modulationsmittel - das kann ein mehrdeutiger Akkord sein, eine chromatische Fortschreitung, eine enharmonische Verwechslung etc.

Wenn man einfach zwei Tonarten ohne ein solches Modulationsmittel nebeneinanderstellt, bezeichnet man das meist als "Rückung". Im Falle der Varianttonart ist es nicht mal das, weil hier im Prinzip nichts "gerückt" wird.

Eine Modulation zur gleichnamigen Varianttonart ist prinzipiell möglich. So etwas wäre beispielsweise die Folge t-s-D-Tp-S-D-T; hier wäre die erste Dominante das Modulationsmittel, da sie gleichzeitig Dominante der Molltonika und Dominante der Durtonika ist. Allerdings ist das Beispiel an den Haaren herbeigezogen und dürfte so in realen Kompositionen kaum anzutreffen sein.
 

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