Am-F-C-G = vi-iV-I-V?

Denn: Tonika ist das, was man als Tonika wahrnimmt! Also das klangliche "Gravitationszentrum", das man als Ruhepunkt empfindet.

Und wer ist "man"?

Spielt man (Balladentempo) die Akkordfolge z.B. folgendermaßen im Kreis:

2cy4rc1.jpg


dann verflüchtigt sich das "a-moll-Aroma" stets ganz schnell, und man hört, wie C-Dur dominiert. Man denkt jedes Mal, wenn es wieder neu beginnt, es könnte rübergehen nach a-moll, aber C-Dur überwiegt einfach eindeutig. Auch dadurch, wie die Phrase aufgebaut ist, hat man immer das Gefühl, es geht (volksnah ausgedrückt) "von dunkel nach hell", und dann geht das Spiel von neuem los.

Ich weiß nicht, welche Instanz sich hier hinter "man" verbirgt. Ich höre in einer Endlosschleife dieses Beispiels keineswegs, dass C-Dur "dominiert". Ein Gravitationszentrum, welches sich von einem "Ruhepunkt" aus definiert, trifft m.E. nicht zu, weil die Harmonik just nicht ruht, sondern immer wieder pendelt. [Edit: und weil die Phrase, in C-Dur gedacht, immer im Halbschluss bzw. Trugschluss endet. "Ruhepunkt" sehe ich als was anderes.]

Ein anderes Beispiel in exakt diesem Harmonieschema: der Refrain von "Rains in Africa" von Toto. Ich weiß nicht, was "man" dort hört. Ich jedenfalls höre kein eindeutig dominierendes A-Dur.

Aber vielleicht hab ich's auch einfach noch nicht geschnallt, wie "man" es hört?

Herzlichst, mit volksnahen Grüßen,
Klimperer.
 
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Hasenbeins Notenbeispiele kann ich nachvollziehen, wenn ich darauf achte. Andere Interpretationen sind möglich, wenn ich mich vorher in andere Sounds reindenke.

Ich hab jetzt noch 'ne Frage, die wahrscheinlich dumm klingt.

Die Tonika betrachte ich eigentlich als die erste Stufe der Tonleiter. Allerdings hat eine Jazz-Akkordfolge mit Vierklängen einen eigenen Sound, eine als Septakkorde gespielte ii-V-I-Folge in C-Dur möchte ich nach CM7 auflösen. Ist das Streben nach einem Septakkord noch vom Tonika-Konzept abgedeckt, oder behandelt es nur die Frage, welcher Ton die Wurzel der Stufe I darstellt?
 
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An sich löst sich ne II-V auch nach C-Dur auf.

Es gibt keine "Jazz-Harmonik", es gibt nur die europäische Harmonik, die der Jazz ebenfalls benutzt und ein paar typische Kleinigkeiten als Gewürz reinschmeißt, damit man denkt: "Aha, das klingt jetzt nach Jazz."

Die maj.7 ist nur deswegen drin, weil im Umfeld spannungsreicherer Akkorde (alles mindestens Septimakkorde, oft noch mit 9 oder 13 oder alterierten Optionstönen angereichert) ein reiner Durklang "out of place" klänge.

Daher verzichtet man darauf, den Leitton ordnungsgemäß aufwärts zu führen, und läßt ihn einfach liegen.

Ist übrigens im klassischen Tonsatz so ähnlich: Hat man die Akkordfolge G7 - C und die Melodie D-C zu harmonisieren, ergibt sich eigentlich im 4stimmigen Satz in enger Lage folgendes Bild:

Violinschlüssel:

D C
H C
F E

Baßschlüssel: G C

Da der Leitton aufwärts geführt werden muß und die Septime des G7 abwärts, ergibt sich bei C-Dur ein verdoppeltes C, und das G fehlt.
Im Schlußakkord haben wir also 3x ein C und 1x E. Doof! Also ist es hier in der Praxis absolut erlaubt und total üblich, den Leitton abwärts zum G zu führen, damit sich ein vollständigerer und ausgewogenerer Klang ergibt.

Fazit: Die Regeln (z.B. der Stimmführung) sind wichtig, und man muß sie verinnerlichen, aber man muß hören, wann ein Abweichen davon musikalisch sinnvoll ist.

LG,
Hasenbein
 
Ah, okay! Aber ich finde ehrlich gesagt (und ich betone, ich habe im Jazz wenig bis sehr wenig Erfahrung!) das Ende hier mit C maj7 nicht schlüssig, das drängt weiter (Notenbsp.1). Ich täte spontan mit C maj7/9 enden (Notenbsp.2). Ich habs kurz skizziert wie ichs meine. Mich interessiert das nämlich auch.
noten.JPG
 
Nimm bitte guten Jazz-Unterricht. Sonst besteht bei Dir die Gefahr, daß Du zu viele Dinge falsch auffasst.

Diese Fragen führen zu weit, als daß man sie in einem Forum hinreichend beantworten könnte (persönliches Demonstrieren und Hören sowie Kennenlernen historischer Entwicklungen und Hörgewohnheiten wären nämlich essentiell).

LG,
Hasenbein
 
darunter kann ich mir beim besten Willen nichts vorstellen - was meinst du damit?
Damit wollte ich ausdrücken, lediglich den Ton und keinen Akkord als Zentrum zu betrachten.

Den Akkord würde ich in diesem Zusammenhang als aufgebauschtes Obertonspektrum für den Grundton betrachten, welches dem Grundton einen speziellen Klang verleiht und dafür sorgt, den Sound der Tonika wiederzugeben. Gehört dieser "Sound" zum Konzept der Tonika dazu, oder kommt es lediglich auf den Ton selbst an?
 

An sich löst sich ne II-V auch nach C-Dur auf.

Es gibt keine "Jazz-Harmonik", es gibt nur die europäische Harmonik, die der Jazz ebenfalls benutzt und ein paar typische Kleinigkeiten als Gewürz reinschmeißt, damit man denkt: "Aha, das klingt jetzt nach Jazz."

Die maj.7 ist nur deswegen drin, weil im Umfeld spannungsreicherer Akkorde (alles mindestens Septimakkorde, oft noch mit 9 oder 13 oder alterierten Optionstönen angereichert) ein reiner Durklang "out of place" klänge.

Daher verzichtet man darauf, den Leitton ordnungsgemäß aufwärts zu führen, und läßt ihn einfach liegen.
Ah. Cmaj7 hatte ich bislang nicht nach dem spannungsreichen Leitton interpretiert und nur auf den Sound geachtet der gleichzeitig nach Dur und Moll klingt.


Ist übrigens im klassischen Tonsatz so ähnlich: Hat man die Akkordfolge G7 - C und die Melodie D-C zu harmonisieren, ergibt sich eigentlich im 4stimmigen Satz in enger Lage folgendes Bild:

Violinschlüssel:

D C
H C
F E

Baßschlüssel: G C

Da der Leitton aufwärts geführt werden muß und die Septime des G7 abwärts, ergibt sich bei C-Dur ein verdoppeltes C, und das G fehlt.
Im Schlußakkord haben wir also 3x ein C und 1x E. Doof! Also ist es hier in der Praxis absolut erlaubt und total üblich, den Leitton abwärts zum G zu führen, damit sich ein vollständigerer und ausgewogenerer Klang ergibt.

Fazit: Die Regeln (z.B. der Stimmführung) sind wichtig, und man muß sie verinnerlichen, aber man muß hören, wann ein Abweichen davon musikalisch sinnvoll ist.
Bislang interpretierte ich ii-V-I als IV-V-I wobei für IV die Paralleltonart genommen wird. Mit Stimmenführungsregeln habe ich mich bislang noch gar nicht beschäftigt, nur mit dem Klang von unterschiedlichen Akkorden und der Funktion von Akkorden gemäß ihrer Stufe. Wenn ich mir den Dominantseptakkord ansehe, ergibt aber auch eine Betrachtung nach der Stimmungsführung Sinn (F gleitet zur Terz von C und so weiter.)
 
Die maj.7 ist nur deswegen drin, weil im Umfeld spannungsreicherer Akkorde (alles mindestens Septimakkorde, oft noch mit 9 oder 13 oder alterierten Optionstönen angereichert) ein reiner Durklang "out of place" klänge.

Das stimmt. Wissenschaftlich gibt es aber eine weitere Erklärung: Und zwar hört man die maj7 deswegen nicht als Leitton, weil sie für das Ohr wie die Quinte von der Terz gehört wird, die ja sowieso in den Obertönen der Terz enthalten ist (Sie stellt daher nur eine Anreicherung dar, genauso wie man Dur bzw Moll schon ohne Quinte darstellen kann). Von daher hört man (normalerweise) auch nichts bestrebendes an Imaj7.
 
Ah, okay! Aber ich finde ehrlich gesagt (und ich betone, ich habe im Jazz wenig bis sehr wenig Erfahrung!) das Ende hier mit C maj7 nicht schlüssig, das drängt weiter (Notenbsp.1). Ich täte spontan mit C maj7/9 enden (Notenbsp.2). Ich habs kurz skizziert wie ichs meine. Mich interessiert das nämlich auch.
Den Anhang 6195 betrachten

Mit Nonakkorden habe ich mich bislang nur als Optionston zum Dreiklang beschäftigt. Das fand ich zufällig heraus als ich mit beiden Händen den D-Dur-Dreiklang spielen wollte. Rechts griff ich aber aus Versehen ins E und spielte links die Tonfolge D-Fis-A und rechts E-Fis-A. Der Klang gefiel mir, obwohl er ungewohnt war. Dass die None ein in der Praxis angewendeter Optionston ist, las ich erst später in einem Artikel über Akkorde.

Cmaj7/9 hat für meine Ohren zu viel Spannung als dass ich damit auflösen würde. Der einzige Septnonakkord den ich recht ruhig finde, ist G7/9. Hier bringt die None irgendwie (erklären kann ich es mir nicht) eine Entschärfung der Strebewirkung der Septime im Dominantseptakkord.
 
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Der einzige Septnonakkord den ich recht ruhig finde, ist G7/9. Hier bringt die None irgendwie (erklären kann ich es mir nicht) eine Entschärfung der Strebewirkung der Septime im Dominantseptakkord.
genau genommen ist jeder Durakkord mit hinzugefügter kleiner Septime und großer None "spannungsfrei", was daran liegt, dass diese Akkorde keine Halbtonreibungen enthalten. Sie wurden dann in der Romantik und Spätromantik geradezu inflationär...
erstaunlicherweise ebenfalls relativ spannungsarm oder besser gesagt nicht allzu dissonant wirkt der "Rheingold-Akkord" c-g-h-d-f-a (der Tonikagrundton zusammen mit dem Dominantseptnonakkord)
Akkorde wie Cmaj7 9 (ceghd) oder Cm7 9 (c-es-g-b-d) wirken gespannter, was an den enthaltenen Halbton- bzw. großen Septimreibungungen (mal c-h, mal es-d) liegt, welche eben bissel dissonant klingen (wenn man sie nicht gewohnt ist)
 
erstaunlicherweise ebenfalls relativ spannungsarm oder besser gesagt nicht allzu dissonant wirkt der "Rheingold-Akkord" c-g-h-d-f-a (der Tonikagrundton zusammen mit dem Dominantseptnonakkord)

Nee, ne? (by the way: wer von Euch kennt die klasse Serie "Mord mit Aussicht"? :D )

Es gibt nicht wirklich extra Namen für übliche Akkorde, denen lediglich ein anderer Baßton (hier: derjenige der dazugehörigen Tonika-Auflösung) hinzugefügt wurde, die also lediglich Vorhaltklänge sind, ne?

Wie heißt denn dann der bei Bach viel verwendete Akkord c-h-d-f-as (was ja einfach der verkürzte Dominantseptakkord mit tiefalterierter None ist, unter den der vorweggenommene Tonikagrundton gelegt wurde)? "Thomaskirchenakkord"? :D

LG,
Hasenbein
 
Das stimmt. Wissenschaftlich gibt es aber eine weitere Erklärung: Und zwar hört man die maj7 deswegen nicht als Leitton, weil sie für das Ohr wie die Quinte von der Terz gehört wird, die ja sowieso in den Obertönen der Terz enthalten ist (Sie stellt daher nur eine Anreicherung dar, genauso wie man Dur bzw Moll schon ohne Quinte darstellen kann). Von daher hört man (normalerweise) auch nichts bestrebendes an Imaj7.

Wenn ich mich nicht verrechnet habe, stehen bei Cmaj7 die Töne im Verhältnis 8:10:12:15. Der Basston der solche Partialtöne hat müsste dann drei Oktaven tiefer liegen.
 
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Es gibt nicht wirklich extra Namen für übliche Akkorde, denen lediglich ein anderer Baßton (hier: derjenige der dazugehörigen Tonika-Auflösung) hinzugefügt wurde, die also lediglich Vorhaltklänge sind, ne?
nicht dass es dich ergrimmt, aber dieser "Rheingold-Akkord" hat in seinem Kontext leitmotivische Funktion, wird im Verlauf des gesamten Nibelungenrings also als thematisch (eben für das Rheingold) wahrgenommen - der Name ist also nicht ganz grundlos. Ähnlich ist es ja auch mit dem "Chopinakkord", der oft genug schon bei Mozart, Haydn und Beethoven auftaucht ;)
 

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