Hallo,
Meine Erfahrungswerte als interessierter Laie trage ich gerne bei.
1) Vom Lesen lernt man viel, aber noch viel mehr vom Versuch.
2) Eine Klaviermechanik ist komplex, aber kein Hexenwerk. Es ist ein mechanisches Hebelwerk, und kann als solches gewartet, eingestellt und ggf. repariert werden - Fachkenntnis und Werkzeug vorausgesetzt.
3) Viele Werkzeuge kann man sich selber bauen, aber gut genug passen sollten sie schon, dass man nichts kaputtmacht. Wenn das Werkzeug nicht gleicht tut, was es soll, Stop! (Das gilt ganz allgemein, nicht nur für's Klavier.) Oder man kauft es sich halt; es gibt auch für Laien/Privatpersonen Wege, Werkzeuge und Materialien zu beziehen.
4) Es gibt Bücher, aus denen man viel über den Klavierbau lernen kann. Ebenso das Mitlesen (und Fragen) in Klavierforen. Das ersetzt niemals eine Lehre, einen Meisterbrief, eine jahrelange Erfahrung, aber es kann einem die Zusammenhänge zumindest aufzeigen, damit man mit den kleineren, einfachen Dingen informiert anfangen kann, z.B. Reinigung, Messungen, und später vielleicht mechanische Einstellarbeiten - wenn man informiert ist, wie sich eine Verstellung auf die Gesamtfunktion auswirkt.
5) Es wird unter Klavierbauern teilweise sehr ungern gesehen, dass man selber am Klavier "rumfummelt". Sicher nicht ganz ohne Grund - zumal man so ein komplexes Spielwerk ohne weiteres verschlimmbessern kann (wobei das ja eigentlich der Klavierbauerzunft Arbeit verschafft). Aber wer technisch-mechanisch begabt und erfahren ist, und sich gerne solchen Herausforderungen stellt, kann einige Arbeiten durchaus selber machen. Was man dem Fachmann überlässt, muss man mit sich selbst ausmachen - und für die eigene Arbeit, auch die Fehler, die Verantwortung übernehmen. Ich habe auch schon selbst an Autos (inkl. sicherheitsrelevanter Bauteile wie Bremsen) gearbeitet, anhand von Reparaturleitfaden, Datenblätter und nicht zuletzt praktischer Erfahrung - unter anderem, weil Werkstätten gepfuscht hatten.
6) Wer eher weniger mechanisches Geschick aufbringt, und leicht die Geduld verliert, sollte vielleicht doch besser die Finger davon lassen.
7) M.M.n. sollte man im Idealfall unter der direkten (An)Leitung eines Klavierbauers am eigenen Instrument arbeiten - wenn man einen findet, der dazu bereit ist. Einige sind es.
8 ) Der Spaß am Spielen, und die Zeit dazu, sollte nicht verlorengehen. Wenn man aber am Instrument etwas tun kann, um die Spielbarkeit zu verbessern, zahlt sich die Mühe im Spielspaß hundertfach aus. Ich finde es hochbefriedigend, ein zufriedenstellendes Ergebnis der eigenen Arbeit täglich zu benutzen (selbstgebaute Möbel, generalüberholter Automotor, der nach 12 Jahren immer noch läuft, oder eben ein besser spielbares Klavier). Die Zeit, die ich darangebe, rechne ich nicht in Geld auf, sondern in therapeutischen Wert. Reparieren und Aufbessern macht mir einfach Freude.
Soweit meine Erfahrungswerte. Ist länger geworden als beabsichtigt... ein kleines Outing halt. Ich hoffe, es nimmt keiner krumm.
Ciao,
Mark