Absolutes Gehör

Es ist interessant mit dem Halbton-Fehler. Seit einiger Zeit kommt es mir im Chor häufig vor, als wäre alles gesungene um 1/2 bis 1 Ton tiefer als richtig (sowohl die Tonangabe per Stimme durch die Chorleiterin, als auch meine eigene Stimme), wenn aber die Töne dann am Klavier gespielt werden, höre ich, dass sie den gedruckten Noten tatsächlich entsprechen.

(Ich bin kein Absoluthörer, kann aber meistens die Klavierklänge in Mittellage – etwa 2,5 Oktaven, was sich ungefähr mit meinem Stimmumfang deckt – erkennen. An anderen Instrumenten gespielte manchmal auch, aber nicht automatisch, sondern eher mit „Übersetzung“ durch die eigene Stimme).
 
Also: Es gibt Abstufungen in der Fähigkeit absolut zu hören. Manche können adhoc jeden beliebigen Ton erkennen und benennen (falls sie Tonnamen kennen). Manche können es nur innerhalb einer gewissen Frequenzbreite oder bei bestimmten Instrumenten.
Das relative Gehör bezieht sich, wie die Bezeichnung schon sagt, auf einen Referenzton, dessen Namen man kennt. Man hört also eher Intervalle, das übt man im Gehörbildungsunterricht.
Und absolut Hören geht genau so: Man hört einen Ton und weiß, wie er heißt, und zwar spontan, wie wenn dir deine Tante auf der Strasse begegnet und du sofort weißt, es ist Tante Elsa.
 
@Debösi Ich würde dich dann im Test (vermutlich) schlagen, sobald ich den ersten Ton sicher benannt habe. Ich kann durch Überlegen und Erinnerung und Singen möglicherweise richtig liegen, aber "wissen" tue ich es nicht. Gewöhnung und auch eine Art "Positions-" oder "Lagegedächtnis" spielen bei mir eine Rolle: Historische Stimmungen erkenne ich beim Spielen sofort.

Ich kann dir auch Autohupen, Staubsauger und quietschende Türen nachsingen - ob ich weiß, dass es ein Fis war, spielt dafür keine Rolle. Auch komplexe Musik von einer Aufnahme abnotieren hat mit dem AG nur wenig bis nichts zu tun. Dafür braucht man ein sehr gutes RG, etwas Erfahrung, Kenntnis in Musiktheorie und Kenntnis vieler Spielfiguren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich auf einem Tasteninstrument spiele - ja.
 
Ja, genauso könnte man auf die Frage, welche Farbe der Rasen habe, nach der Antwort "Grün!" die Gegenfrage "Warum?" stellen.
weil es eine Prägephase gibt. Gesichter kannst Du auch nur wiedererkennen, wenn Du in einer frühen Phase gelernt hast, wie Gesichter aussehen.
Es gab mal einen Versuch mit Katzen. Man hat Katzenbabies in einen Raum gesetzt, in dem es keine senkrechten Linien gab. Daraufhin waren sie später nicht in der Lage, senkrechte Linien zu erkennen und sind gegen Stuhlbeine gelaufen. So verhält es sich auch mit Sprache und eben auch mit Tönen.
 
weil es eine Prägephase gibt. Gesichter kannst Du auch nur wiedererkennen, wenn Du in einer frühen Phase gelernt hast, wie Gesichter aussehen.
Es gab mal einen Versuch mit Katzen. Man hat Katzenbabies in einen Raum gesetzt, in dem es keine senkrechten Linien gab. Daraufhin waren sie später nicht in der Lage, senkrechte Linien zu erkennen und sind gegen Stuhlbeine gelaufen. So verhält es sich auch mit Sprache und eben auch mit Tönen.
Interessant.
Mein Vater hat während meiner Kindheit regelmäßig musiziert, erste musikalische Schritte habe ich dann im Alter von acht Jahren an einem Keyboard unternommen, aber erst im Alter von etwa zehn Jahren im Musikunterricht in der Schule bemerkt, dass ich Töne und Akkorde, die der Lehrer am Klavier angeschlagen hat, benennen konnte. Expliziten Gehörbildungsunterricht hatte ich nie.
 
Danke, @Klein wild Vögelein! Der Artikel ist hochinteressant.
Kannst Du Dich noch erinnern, wie ich auf Deinem historischen Feurich ohne Noten irgendetwas Bekanntes angespielt habe. Das Klavier hatte damals der Georg absichtlich einen Ganzton tiefer gestimmt. Das hat mich nicht gestört. Als ich dann später ein anderes Stück mit Noten spielen wollte, war ich verwirrt, weil die Noten (!) "nicht stimmten" - also verkehrt herum.

Dass Mozart eine ganze Messe aus dem Gehör Ton für Ton nachschreiben konnte, geht über die bloße Fähigkeit, Tonhöhen absolut zu bestimmen, weit hinaus. Das geht schon in Richtung des "sich Stadtpläne bis ins Detail merken können".

Absolut hören ist möglicherweise keine digitale Eigenschaft (also nicht: "man hat´s oder man hat´s nicht"), sondern es gibt offensichtlich Abstufungen in allen Schattierungen (zeitlich, Präzision, Abhängigkeit von körperlicher Disposition). Und das Phänomen dürfte auch nicht auf den Sinn "Hören" beschränkt sein (siehe dazu den Kinofilm "Das Parfüm").

Ich werde dein klangschönes Spiel auf meinem alten Feurich niemals vergessen! :blume:

Mozart war im mehr als einer Hinsicht ein Genie. Ich habe gelesen, dass er seine Stücke teilweise im Kopf komponiert und später erst aufgeschrieben hat.
im Gegensatz zu dir trifft mich seine Musik emotional sehr, mehr als jeder andere andere Komponist. Es ist ein bisschen schade, dass ich die Leichtigkeit in vielen seiner Stücke niemals hinbekommen werde.

Hier ist übrigens noch ein interessanter Thread zum Thema:

https://www.clavio.de/threads/gehoerbildung-fuer-absoluthoerer.21559/
 
Es gab mal einen Versuch mit Katzen. Man hat Katzenbabies in einen Raum gesetzt, in dem es keine senkrechten Linien gab. Daraufhin waren sie später nicht in der Lage, senkrechte Linien zu erkennen und sind gegen Stuhlbeine gelaufen. So verhält es sich auch mit Sprache und eben auch mit Tönen.
:020:
Hast Du zufällig den Versuchsbericht dazu, für meine makabre Lektüre des Tages?
 

Ich glaube, dass der Begriff "Tonhöhengedächtnis" diese Fähigkeit besser beschreibt.

Man hat in seinem Leben x-mal ein 'G' gesungen, gehört und vor allem angeschlagen – man erinnert sich daran, wie er sich anhört. :022: @Tastatula s Tante muss man ja auch erst mal kennengelernt haben, um sie wiederzuerkennen (nicht nur am Gesicht, GsD).
 
Soeben war ich wieder einen halben Ton daneben. Jetzt gehen zuhause (@méchant village:012:) schon die Bemerkungen los: „absolut daneben“, „Schraube locker, geh zum Klavierstimmer und lass sie anziehen“
 
(Geheimtipp: Tante Google Vierteltonklavier Bildersuche, da kann man ganz viele angucken) aber nicht weiter sagen ;-):drink:
 

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