Busoni schreibt zwar phrasieren, aber es geht ihm hier um die Gestaltung eines Motivs (im weiteren Sinne gehört das in den Bereich der Artikulation) und nicht um die Gestaltung einer Phrase. Das ist ein grundsätzliches Problem - die Riemannsche Abgrenzung von Motiv und Phrase war ja nie unumstritten, hat sich aber in der Literatur weitgehend durchgesetzt.
Und hier beißt sich die Katze selbst in den Schwanz.
Du sperrst dich gegen die Verwendung des Verbs "
phrasieren", weil man laut enger Definition nur dann von "phrasieren" sprechen darf, wenn damit "die musikalische Gestaltung einer
Phrase" gemeint ist.
Da in einer Invention aber keine Phrasen vorkommen, steht dir für "die musikalische Gestaltung eines
Motivs" plötzlich kein Verb mehr zur Verfügung. ("
motivieren"?)
Und angenommen es gäbe ein solches Verb, dann dürfte man es vermutlich aber nicht für "die musikalische Gestaltung einer
Figur" verwenden, sondern bräuchte dafür wiederum ein anderes Verb? ("
figurieren"?)
Und wie sieht es mit der Kenntlichmachung der Zugehörigkeit aus?
Die Kenntlichmachung der Zugehörigkeit zu einer
Phrase kann laut Riemann mittels
Phrasierungsbögen erfolgen.
Aber für die Kenntlichmachung der Zugehörigkeit zu einem
Motiv darf man die selbstverständlich nicht verwenden? Bedarf es dafür
Motivierungsbögen? (Und dürfen diese dann überhaupt genauso aussehen wie Phrasierungsbögen?)
Und falls man die Kenntlichmachung der Zugehörigkeit zu einer
Figur vornehmen will, dann benötigt man
Figurierungsbögen?
→ Sprache ist eine Sammlung von Verständniskonventionen, und Sprache
dient der Verständigung. (
dienen: "in abhängiger Stellung seine Pflicht erfüllen")
Wenn die Definitionen/Abgrenzungen von Riemann nicht in der Lage sind diesem
Dienst nachzukommen, wie sinnvoll ist es dann nicht nur an ihnen festzuhalten, sondern gar auf ihnen herumzureiten?