Krise in Braunschweig: Schimmel seit März in Kurzarbeit, Grotrian-Steinweg zahlt keine Löhne mehr

Mich wundert, dass alle um den heißen Brei herumreden und keiner wirklich den rosa Elefanten im Raum benennen will.
Wie User cwtoons z.B. hier schrieb:

Klavierspielen und Bildung hängen unmittelbar miteinander zusammen.
Über Jahrzehnte stieg das Bildungsniveau stetig an und wer ein Klavier hatte, behielt es in der Regel.
Als ich mit Klavierspielen 1989 anfing, war auf dem Gebrauchtmarkt praktisch kaum eines zu annehmbaren Preisen zu bekommen.
Digitalpianos gab es so praktisch nicht und wer ein Klavier hatte, trennte sich nur selten davon.
Die Gebrauchtpreise für manches Upright-Piano lagen zwischen 8000 und 12000 DM.

Was dazu führte, dass ich dank finanzieller Schlechtstellung meiner Eltern, auf einem 61-Tasten-Keyboard von Yamaha meine hauptsächlichen Übungen durchführen und meine Klavierlehrerin die Notation entsprechend anpassen musste. Chopin war oft gar nicht zu spielen, weil die Breite der Tastatur dafür oft nicht ausreichend war.
Was hätte ich dafür gegeben, ein normales schönes Klavier zu haben.
Umgekehrt besaßen Verwandte Klaviere, die sie selbst geerbt hatten und darauf nicht spielen konnten oder aber es nicht abgeben wollten.

Es kam im Umfeld tatsächlich gelegentlich vor, dass wer Klavier spielen wollte/konnte sich keines leisten konnte und wer eines hatte, konnte wiederum darauf nicht spielen.

Mit den Digitalpianos wandelte sich das dann. Ich hab mir später auch ein solches gekauft, einfach weil man es prima mit dem PC verbinden kann. Notation mit Sibelius sowie Aufnahme als mp3 sind auch ohne Mikrofone möglich.
Aber natürlich ersetzen sie klanglich kein akustisches Klavier, sondern verfügen über ein eigenes Klangbild (zumindest die meisten).

Digitalpianos
  • sind halt viel einfacher transportabel
  • silent mit Kopfhörer zu spielen
  • müssen nicht gestimmt werden
  • können an jedem Ort aufgestellt werden und ignorieren Sonneneinstrahlung und Luftfeuchtigkeit
  • kosten deutlich weniger
  • können mit dem PC verbunden werden
Diese Entwicklung setzte den etablierten Klavierbauern natürlich zu.
Hinzu kommt die zunehmende Anspruchslosigkeit von Klavierkäufern/-spielern.
Man bevorzugt ein etwas billigeres Yamaha - dabei unterscheiden die sich klanglich teilweise um Welten mit ihrem blechernen Nachhall.

Bei Grotrian-Steinweg und Schimmel kommt halt hinzu, dass sie keine Influencer/Youtube-Spieler im Repertoire haben, die den Markennamen verbreitet und modern wirken lassen. Mit Udo Jürgens ging praktisch der letzte Schimmel-Repräsentant.

Wirklich nötig wäre das auch nicht unbedingt gewesen, wenn man wenigstens statt auf dem internationalen Parkett den heimischen Absatzmarkt hätte, auf den man sich verlassen könnte.
Aber das ist eben der rosa Elefant im Raum - der Niedergang der Klavierbauer (neben Schimmel und Grotrian-Steinweg ist zeitgleich auch Seiler in der Auflösung begriffen) geht einher mit dem Bildungsniedergang in Deutschland.
Wenn schon, wie zu meinen Anfängerzeiten, Nichtspieler ihre Klaviere horten, dann hätte es zumindest eine selbstmusizierende Jugend geben müssen, deren Eltern für den Kauf des einen oder anderen Klaviers sorgen. Heute gibt es da ja viele Angebote, wie Mietkauf usw.

Aber das kann man wohl vergessen.
In Deutschlands Grundschulen befinden sich zunehmend Schüler, die nicht einmal wissen, was ein Stift oder eine Schere ist, dazu sich aggressiv und verhaltensauffällig zeigen:

Ich fing mit 7 Jahren mit Klavierspielen an, mein bester Schulkumpel damals ungefähr ebenso.
Und hier sind wiederum heute Schüler in Schulen zu finden, die mit zehn Jahren nicht einmal Einfaches lesen können.
Die Notwendigkeit, ein Klavier anzuschaffen, wird von zahlreichen Eltern vermutlich auch deshalb nicht mehr gesehen, weil viel einfachere Fähigkeiten schon für die Kinder zu schwer sind und aufwendig in den Grundschulen beigebracht werden müssen.

Inzwischen suchen etliche deutsche Fabrikanten ihr Heil im Ausland, der deutsche Absatzmarkt ist inzwischen ein armer Witz.
Das gilt nicht nur für Klavierbauer.
Speziell im hochwertigen Instrumentebau gibt es noch wenige Länder, die made in Germany zu schätzen wissen, darunter Polen/Tschechien/Ungarn/Kroatien.

Eines der wichtigsten Länder für den Klaviermarkt war aber Russland.
Schimmel z.B. verkaufte den K208 Pegasus fast nur dort. In Deutschland ist das extravagant aussehende Modell kaum zu finden, in Russland hingegen fand es trotz enormem Preis hohen Absatz.

Die EU verhängte bereits unmittelbar nach dem Beginn des Krieges Sanktionen, die vor allem den Export von Luxusgütern vorsehen und bis heute fortbestehen. Luxus ist so definiert, dass darunter alle Musikinstrumente ab einem Wert von 1500 EUR fallen.
Die EMIA wandte sich bereits im Mai 2022 an die EU, von ihrer Linie abzurücken, weil absehbar war, was passieren wird:

DE_EMIA_APPELL_LUXUSGUETER_FINAL_220519_mn.pdf

Wer es noch genauer braucht:

PDF-Seite: L 87 I/41

ex 9201 00 00 Klaviere, einschließlich selbsttätige Klaviere; Cembalos und andere Saiteninstrumente mit Klaviatur

--> Damit brach für deutsche Klavierbauer einer der wichtigsten und lukrativsten Absatzmärkte weg.
Speziell für Schimmel ist das neben der ohnehin schon schwierigen Lage quasi ein K.O.-Schlag gewesen.
Aber auch Grotrian-Steinweg lieferte noch nach Russland. Schon vor dem 2.WK war Russland ein wichtiger Absatzmarkt,
bis nach Sibirien wurden Klaviere geliefert.

Aber vor allem der deutsche Gebrauchtmarkt war für Russlands Kunden interessant.
Der sog jährlich (!) eine vierstellige Anzahl an Klavieren vom Markt aus deutschen Pianohäusern.
Ohne diesen Absatz wären die Häuser schon längst kollabiert, vergleichbar mit deutschen Autoherstellern; die wären längst kaputt, wenn nicht jedes Jahr hunderttausende Autos vom Gebrauchtmarkt Richtung Afrika verschwänden.

In Deutschland braucht man aber nicht hoffen, dass der fehlende Klavierabsatz aufgefangen wird.
Dazu fehlt wie gesagt die Bildung, die man eigentlich als im völligen Niedergang bezeichnen kann.
Es gab einige Stiftungen, die öffentlich spielbare Klaviere ausstellten und zuvor aufwendig restaurieren ließen.
Die kauften Gebrauchtklaviere, ließen sie generalüberholen und dann konnte man in Bahnhöfen diese spielen.
Abgeschaut hat sich Deutschland das von anderen Ländern wie China, Schweden, Niederlande. Dort findet man auf Bahnhöfen und in Flughafenterminals überall solche Instrumente stehen.

Während aber in anderen Ländern diese Instrumente wertgeschätzt werden, grassiert in Deutschland regelrecht eine blanke Zerstörungswut:







Teilweise überleben solche Klaviere keine 2 Tage.
Hochaggressive oftmals bewaffnete Banden lungern spätabends vor und in Bahnhöfen herum, weshalb etliche in Mittelstädten nach 0 Uhr vom Sicherheitsdienst abgeschlossen werden. Da kannst du kein Klavier mehr herumstehen lassen, das wird binnen Kürze zertrümmert.

Das Schlimme ist eben:
Werden Schimmel, Grotrian-Steinweg, Seiler etc. wirklich abgewickelt, geht damit jahrhundertealte Tradition verloren und damit auch das Knowhow.
Jeder Klavierbauer hat eine große Expertise aufgebaut, um den Klang über all die Zeit zu perfektionieren.
Schimmel beispielsweise hat vor allem in Bezug auf die Holzmaterialien ein hohes Knowhow, verwendet ausschließlich bestimmte Fichten aus den Höhen des Bayerischen Waldes.

Wenn irgendwann der Krieg endet und die Sanktionen sind nicht mehr, dann wird es diese Traditionshersteller nicht mehr geben.
Es ist schon sehr bedenklich, dass diese Hersteller den 1. WK, den 2.WK, die deutsch-deutsche Teilung und allerlei sonstige Widrigkeiten überlebten, aber die heutigen Umstände bringen sie zu Fall.
 
Es ist schon sehr bedenklich, dass diese Hersteller den 1. WK, den 2.WK, die deutsch-deutsche Teilung und allerlei sonstige Widrigkeiten überlebten, aber die heutigen Umstände bringen sie zu Fall.
Die jetzt noch Existierenden haben das überlebt, ja. Viele andere aber nicht. Vergleiche einmal die Anzahl der Klavierproduzenten um 1910 mit 1950.
 
In Deutschland braucht man aber nicht hoffen, dass der fehlende Klavierabsatz aufgefangen wird.

wie passt diese Entwicklung zu der parallelen Entwicklung, dass es mittlerweile sogar eine eigene Fersehshow über "das Piano" gibt? (und das nicht grade auf einem ausgesprochenen Bildungskanal)

Zeugt das nicht von einer steigenden popularität des Klavierspielens?
 
Die jetzt noch Existierenden haben das überlebt, ja. Viele andere aber nicht. Vergleiche einmal die Anzahl der Klavierproduzenten um 1910 mit 1950.

Europa hatte damals so an die 1000 Klavierhersteller, die hauptsächlich deshalb blühten, weil ein Klavier die einzige Möglichkeit war, überhaupt Musik zu hören. Kassette, CD und Schallplatte gab es ja nicht.
Nicht nur der 2.WK löschte einige Hersteller aus, sondern auch das Aufkommen von Tonträgern für den Hausgebrauch sowie Radio/TV.

wie passt diese Entwicklung zu der parallelen Entwicklung, dass es mittlerweile sogar eine eigene Fersehshow über "das Piano" gibt? (und das nicht grade auf einem ausgesprochenen Bildungskanal)

Zeugt das nicht von einer steigenden popularität des Klavierspielens?

Die Serie startet heute Abend. Mal schauen, wie die Quoten werden.
Ich hoffe ja gut, aber ob man jetzt wegen der Serie auf eine steigende Popularität schließen kann, ich weiß nicht.
Es wäre zu hoffen.
 
Aber vor allem der deutsche Gebrauchtmarkt war für Russlands Kunden interessant.
Der sog jährlich (!) eine vierstellige Anzahl an Klavieren vom Markt aus deutschen Pianohäusern.
Bei mir haben sich noch nie russische Kunden gemeldet. Auch von Kollegen ist mir da nichts bekannt.
In Deutschland braucht man aber nicht hoffen, dass der fehlende Klavierabsatz aufgefangen wird.
Dazu fehlt wie gesagt die Bildung, die man eigentlich als im völligen Niedergang bezeichnen kann.
Klingt schlüssig, ist es aber nicht. Einerseits sind die Kinder, die bei Einschulung keinen Stift oder Schere halten könne, nicht meine Kunden, bzw. deren Eltern bilden normalerweise nicht das Klientel, das bei mir Klaviere kauft. Eltern, die für ihre Kinder Klaviere kaufen, sind hochgradig bildungsaffin. Die wissen um den Stellenwert der Bildung. Auch, wenn sie wenig Geld haben.

Und noch ein Punkt spricht gegen die These des steigenden Bildungsmangels: die hohe Anzahl an Menschen, die Instrumentalunterricht nehmen. Ja, man hat den Eindruck, dass Deutschland verblödet bzw. immer bunkiger wird. Aber auf der anderen Seite gibt es ja auch genug Leute, die ein Instrument lernen:

Teilweise überleben solche Klaviere keine 2 Tage.
Hochaggressive oftmals bewaffnete Banden lungern spätabends vor und in Bahnhöfen herum, weshalb etliche in Mittelstädten nach 0 Uhr vom Sicherheitsdienst abgeschlossen werden. Da kannst du kein Klavier mehr herumstehen lassen, das wird binnen Kürze zertrümmert.
Stimmt. Aber das ist ein anderes Kapitel. Wie gesagt: solche Typen sieht man eher nicht in Klaviergeschäften.

@jsger bist du in der Branche beruflich tätig? Als was?

Einige Punkte, die du aufzählst, klingen schlüssig. Trotzdem überzeugen mich nicht alle. Ja, Russland ist als Markt weggebrochen. Genauso wie China. Aber sonst?
 
Nicht nur der 2.WK löschte einige Hersteller aus, sondern auch das Aufkommen von Tonträgern für den Hausgebrauch sowie Radio/TV.
Stimmt, aber ich habe den Eindruck, dass du nicht verstanden hast, was ich meine.

Du schreibst, dass Seiler und Co die WK, etc. überlebt haben und JETZT scheitern und folgerst damit implizit, dass die jetzige Krise für den deutschen Klavierbau schlimmer als die WK, der Finanzcrash 1929, etc. wäre. Aber das ist zu einfach gedacht.

Erstens tendiert der Markt generell dazu, dass es durch Konkurse und/oder Übernahmen zu weniger Anbietern kommt.
Und zweitens (viel wichtiger) haben eben viele die anderen Krisen nicht überlebt.
Wenn (Fantasiezahlen, ich kenne die exakten nicht) nun 3 von 20 Herstellern die aktuelle Krise nicht überleben, dann sind das zwar alles Hersteller, die die WK überlebt haben, aber in den letzten 80 Jahren hat sich einiges getan. Wer damals gut aufgestellt war, muss es heute nicht mehr sein.
Außerdem sind das 15%. Wenn es vor dem 1. WK 1000 und danach nur mehr 500 gegeben hat, sind das 50%. Und in 1960 überhaupt nur mehr 100, dann sind das 80% Verlust. So gesehen waren die anderen Krisen schlimmer.
 
Insgesamt wird im deutschsprachigen Raum wohl so viel Klavier gespielt wie noch nie ... es gibt viel mehr öffentliche und private Musikschulen als vor Jahrzehnten und viele davon haben Wartelisten .
Die deutsche Klavierindustrie hat schon vor 20 - 30 Jahren die falschen Weichen gestellt - vor allem ein bestmögliches SILENT-System wurde damals und auch noch vor wenigen Jahren als " nicht wichtig " genug eingeschätzt .
Diese Meinung gibt es ja besonders hier im Forum nach wie vor - andere Hersteller dagegen überlegen schon Klaviere ausschließlich mit Silent anzubieten.
 
Das sehe ich umgekehrt: Hier im Forum werden die Nachteile eines Silentsystems von vielen sehr kritisch betrachtet, ja. Das heißt aber nicht, dass Silent unwichtig ist, sondern umgekehrt, dass man besonders in die Entwicklung von Silent investieren sollte. Denn auch die Konflikte mit den Nachbarn sind ein wichtiges Thema, bei dem Silent Abhilfe schaffen kann.
 
Meine Standard-These für diese Beobachtungen und Verhältnisse:

die Dreiteilung der Gesellschaft.

1- unten gibt es immer die Armen, die Kranken, die, die kein Geld haben und dennoch irgendwie über die Runden kommen müssen. Da wird auch kein Klavier gespielt.

2- die Mitte einer Gesellschaft. Diejenigen Menschen, die arbeiten gehen, damit sie wohnen können, Essen kaufen können, KLeidung kaufen können, und wenn ein winzig bisschen Geld über ist, auch in Urlaub fahren können. Diese Menschen haben meist kein Vermögen, keine größeren Geldbestände - und böswillige Beobachter könnten das In-Urlaub-Fahrenkönnen als "Potential" sehen, ihnen die Miete zu erhöhen, weil, das würde, könnte ja gehen, weil wohnen wichtiger ist als In-Urlaub-Fahren, also macht man die Miete mal 150 EUR teurer. ...

Da wird im Ergebnis auch kein Klavier gespielt. Dass ich, aus dem Mittelstand, Eltern kleine Handwerker, einen dicken Flügel habe, ist outstanding, und kann nicht als Gegenbeispiel dienen.

3- Die gutgestellte kleine Klientel derer, die hoch bezahlte Jobs haben, oder ererbtes Vermögen, Häuser zu vermieten, oder ein gut laufendes Geschäftsmodell, wie sie per Dachdecken, per Klempnern, per Autotuning, per ditte unn datte, per Vorstands-Jobs, per Politiker-sein, per hohem-Beamten-Sein oder per Schriftstellerei hohe Einkünfte erzielen, die letztlich aus der arbeitenden Mitte derer kommen, die wenig Geld und i.w. nur ihre Arbeitskraft haben - die die upperclass ganz gut zur Ader lassen gelernt hat, letztlich ausbeutet.

So sammelt und sammelt sich dann Geld auf den Banken, für nix, denn Ronald Reagans Theorie des Trickle-Downs ist falsifiziert, die Sage, dass das Geld, was man den Öberen gibt, nach unten durchsickern werde und somit dann alle davon etwas hätten.

Hinzu kommen noch so Schlauheiten wie Cum-ex und Cum-Cum, 35 Milliarden Schaden an der Allgemeinheit, dass der blöde Staat von kriminellen Subjekten mit Juristenwissen und Bankerwissen Geld "zurückerstattet", das ihm niemals gezahlt worden war. Indikator dafür, dass die Öberen zu Teilen es mit der Beteiligung an den Soziallasten mal so gar nicht haben, Moral udn Ethos dürften sie als komplett hinderlich betrachten ... und per Besteuerung von bis zu 42 oder 45% auf Arbeitseinkünfte (versus 25% auf Kapitalerträge) putzmunter dafür sorgen, dass die arbeiten gehende Mitte der Gesellschaft mal hübsch und weitenteils nicht nur die Soziallasten der Armenversorgung trägt, sondern auch noch die Straßen baut und finanziert, auf denen die Öberen ihre Sechs- und Achtzylinder-SUFFs von Audi, BMW und Mercedes spazierenfahren. Da das Fahren bei überfüllten Straßen aber nicht ganz so viel Spaß macht, macht man auch das Autofahren noch teuer und teurer (die Grünen? Hab die 25 Jahre lang gewählt...), damit sich tendenziel und a la longue nur noch die Oberschicht das Autofahren wird leisten können. Weil, wir haben so eine Außenministerin, die mit Papis dickem Geld mal kurzfristig in London sich ein kleines Studium auf einen L.L.C. Law Licentiate oder wie das heiß, erkaufte, und nun "kommt sie vom Völkerrecht", das gesponsorte Töchterlein mit der kecken Aussprache. Der andere schrieb Kinderbücher. So richtig arbeiten gegangen scheint von denen derer Öberschichten-Kinderlein kaum wer.

In diesem unerklärte Krieg der Gesellschaftsschichten (Oben bekriegt Mitte) positionioniere man das Klavierspiel, und die Anstrengungen, ein vernünftiges Klavierspiel erlernen zu wollen.

a- du brauchst die Zeit dafür, schwierig, wenn du morgens und abends jeweils noch eineinviertel Stunden dich durch die Staus schlagen musst auf den Arbeitswegen, und

b- du brauchst überzähliges Geld dafür, damit es dir am Urlaubsfahren (sommers Meer, winters skifahren, Frühjahr und Herbst Städtereisen und Shopping) an nichts mangelt. Wo der Haushalt schon mit Wasserbett und Sauna und Pool und und und auf Anschlag ausgestattet ist

c- du brauchst den Durchhaltewillen und das Wissen, dass es vier-fünf-sechs Jährchen braucht, bis das Klavierspiel auf Selbstgang kommt, mit genügenden Erfolgen des eigenen Befriedigt-Seins.

Dann wird klar, dass Klavierkauf neu ein sehr seltenes Spiel geworden ist, angesichts derer vielen Ablenkungen und Möglichkeiten, als Angehöriger der Oberschicht sein "zuvieles" Geld loszuwerden. (Ich kenne welche, die zweimal im Jahr kreuzfahren, und gewännen sie im Lotto, führen sie siebenmal, statt klavierzuspielen.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei mir haben sich noch nie russische Kunden gemeldet. Auch von Kollegen ist mir da nichts bekannt.

Naja, man muss schon den Markt ansprechen - Webseite in russisch, evtl. Kooperationen mit Händlern vor Ort knüpfen, usw.
Auf der Frankfurter Musikmesse z.B. (hat genauso die Fliege gemacht wie die Klavierhersteller) ging das relativ prima.
Als großer Händler oder großes Pianohaus hatte man es da natürlich wesentlich einfacher, für die kleineren ist das eher tatsächlich schwierig, einen Markteintritt zu schaffen. Aber da Russland keinen eigenen Hersteller hat (die zwei bekanntesten von früher aus St. Petersburg trugen auch noch deutsche Namen, wie Diederichs und Schröder) hatten deutsche Hersteller einen sehr guten Stand dort drüben.
Heute dominiert bei Abverkaufszahlen Asien. Die haben halt - genauso wenig wie die Türkei - kein Embargo verhängt.
Klingt schlüssig, ist es aber nicht. Einerseits sind die Kinder, die bei Einschulung keinen Stift oder Schere halten könne, nicht meine Kunden, bzw. deren Eltern bilden normalerweise nicht das Klientel, das bei mir Klaviere kauft.
Natürlich nicht. Und diese Zahl nimmt leider zu. Schlimmer noch: Kinder aus Bildungshaushalten werden im schlechtesten Fall sogar noch dafür gemobbt. Selbst auf meinem Gymnasium wurden manche Instrumentenspieler (zumindest die Jungs) manchesmal dumm angemacht, überlicherweise von den Berufsmobbern, Klimavergiftern und Nieten, die später dann (zum Glück) sitzen blieben.

Aber auf der anderen Seite gibt es ja auch genug Leute, die ein Instrument lernen:
Die musikalische Ausbildung stagniert zumindest auf einem noch recht ordentlichen Niveau.

Einige Punkte, die du aufzählst, klingen schlüssig. Trotzdem überzeugen mich nicht alle. Ja, Russland ist als Markt weggebrochen. Genauso wie China. Aber sonst?

Naja, das reicht, um kaputt zu gehen, wenn man von diesen Riesen-Märkten im wesentlichen abhängig ist.


@jsger bist du in der Branche beruflich tätig? Als was?

Ich bin eigentlich Betriebswirt, aber nebenberuflich auch in der Musikbranche tätig, u.a. im Notensatz und dem Aufbau von Musikkatalogen/Datenbanken. Solange es die Frankfurter Musikmesse gab, war das im April immer eine wunderbare Gelegenheit, Leute aus der Branche zu treffen. Der Pianosalon in Halle 1 war natürlich obligatorisch, später war er dann in Halle 6, da stellten Schimmel und manche andere aber schon nicht mehr aus.
Ab und zu konnte man dann sich auch ein bisschen treiben lassen und z.B. einem Michel Voncken bei der Vorstellung des Yamaha Tyros zuhören. :-)
Heute ist das alles nur noch Geschichte, lediglich die Prolight+Sound ist geblieben. Ist auch so ein Indikator.

Stimmt, aber ich habe den Eindruck, dass du nicht verstanden hast, was ich meine.

Du schreibst, dass Seiler und Co die WK, etc. überlebt haben und JETZT scheitern und folgerst damit implizit, dass die jetzige Krise für den deutschen Klavierbau schlimmer als die WK, der Finanzcrash 1929, etc. wäre. Aber das ist zu einfach gedacht.

Erstens tendiert der Markt generell dazu, dass es durch Konkurse und/oder Übernahmen zu weniger Anbietern kommt.
Und zweitens (viel wichtiger) haben eben viele die anderen Krisen nicht überlebt.

Das waren aber vielfach auch kleine Hersteller.
Bei einigen ist es in der Tat sehr schade. Hab jetzt kürzlich ein Klavierkonzert in Weimar erlebt, gespielt auf einem Berdux-Flügel.
Ein Klang, der so manchen Steinway in den Schatten stellt.


Wenn (Fantasiezahlen, ich kenne die exakten nicht) nun 3 von 20 Herstellern die aktuelle Krise nicht überleben, dann sind das zwar alles Hersteller, die die WK überlebt haben, aber in den letzten 80 Jahren hat sich einiges getan. Wer damals gut aufgestellt war, muss es heute nicht mehr sein.
Außerdem sind das 15%. Wenn es vor dem 1. WK 1000 und danach nur mehr 500 gegeben hat, sind das 50%. Und in 1960 überhaupt nur mehr 100, dann sind das 80% Verlust. So gesehen waren die anderen Krisen schlimmer.

In der Masse war das Sterben schlimmer, aber die Hersteller, die bis heute durchgehalten haben, sollten zumindest so gut aufgestellt sein, dass sie selbst eine längere Durststrecke durchhalten können. Unter normalen Umständen wäre das auch der Fall, aber die EU hat ja mit dem Embargo dafür gesorgt, dass massive Absatzschwierigkeiten entstanden.
Die USA fangen jedenfalls den Absatzeinbruch nicht auf, die kaufen nur gezielt alles an deutscher Industrie auf, was sie kriegen können.
Renner Mechanik hat sich Steinway schon vor Corona einverleibt, was für andere Hersteller natürlich gefährlich ist.
Wer will schon von einem Konkurrenten beliefert werden? Das ist auch so ein Punkt, wo aus kartellrechtlicher Sicht hätte eingegriffen werden müssen.
Oder europäische Hersteller hätten einen Verbund gründen und jeweils zu 20% Anteil Louis Renner kaufen müssen.
So kann es jetzt passieren, dass Steinway mit der Renner Mechanik dasselbe macht, wie Yamaha mit dem Silent-System - irgendwann nur noch die eigenen Klaviere damit ausstatten.
Die deutsche Klavierindustrie hat schon vor 20 - 30 Jahren die falschen Weichen gestellt - vor allem ein bestmögliches SILENT-System wurde damals und auch noch vor wenigen Jahren als " nicht wichtig " genug eingeschätzt .

Das war ein wesentlicher Fehler, ja. In Mehrparteien-Mietwohnungen sind akustische Klaviere ohne das System quasi raus.


In diesem unerklärte Krieg der Gesellschaftsschichten (Oben bekriegt Mitte) positionioniere man das Klavierspiel, und die Anstrengungen, ein vernünftiges Klavierspiel erlernen zu wollen.

b- du brauchst überzähliges Geld dafür, damit es dir am Urlaubsfahren (sommers Meer, winters skifahren, Frühjahr und Herbst Städtereisen und Shopping) an nichts mangelt. Wo der Haushalt schon mit Wasserbett und Sauna und Pool und und und auf Anschlag ausgestattet ist
Sorry, aber wir hatten damals nicht die finanziellen Mittel. Ich musste mit Behelfslösungen agieren.
Heute gibt es bei kleinanzeigen.de gebrauchte gute Klaviere, die nur noch gestimmt werden müssen für 500-700 EUR.
Die Preise für die Klavierstunden sind auch gefallen. Für 15-20 EUR/Stunde gibt es private Einzel-Nachhilfe von qualifizierten Studenten/Musikhochschülern. Ist weniger als das, was meine Eltern Anfang der 90er Jahre für meine Stunden im Einzelunterricht bezahlt haben.

c- du brauchst den Durchhaltewillen und das Wissen, dass es vier-fünf-sechs Jährchen braucht, bis das Klavierspiel auf Selbstgang kommt, mit genügenden Erfolgen des eigenen Befriedigt-Seins.
Das ist allerdings eine Erziehungsfrage.
Ich hab den Wunsch Klavierspielen zu lernen geäußert. Meine Eltern griffen den sofort auf.
Aber unter der Bedingung, dass ich - wenn ich nach ein paar Wochen immer noch weitermachen will - dann auch zielstrebig weitermache.

Dann wird klar, dass Klavierkauf neu ein sehr seltenes Spiel geworden ist, angesichts derer vielen Ablenkungen und Möglichkeiten, als Angehöriger der Oberschicht sein "zuvieles" Geld loszuwerden. (Ich kenne welche, die zweimal im Jahr kreuzfahren, und gewännen sie im Lotto, führen sie siebenmal, statt klavierzuspielen.)
Es muss ja nicht neu sein. Wie gesagt gibt es gute Gebrauchte von privat deutschen Fabrikates für unter 1000 EUR.
Wer natürlich seine Prioritäten auf Luxusreisen setzt, da kann man halt nix machen. Ist halt schade für den Nachwuchs.
Es gibt ja aber auch wenige öffentliche Angebote. Wenn aber die Schulklassen zunehmend aus Kindern bestehen, die Schwierigkeiten haben, die einfachsten Dinge zu erlernen, dann schwindet in Deutschland der Markt dafür.
 

Das waren aber vielfach auch kleine Hersteller.
Weil jetzt Grotrian-Steinweg so groß ist?!

In der Masse war das Sterben schlimmer, aber die Hersteller, die bis heute durchgehalten haben, sollten zumindest so gut aufgestellt sein, dass sie selbst eine längere Durststrecke durchhalten können.
Warum? Sie könnten auch bis jetzt durchgehalten haben, indem sie ihre Reserven aufgebraucht haben.
Dass eine Firma heute existiert, heißt nicht, dass sie wirtschaftlich solide da steht.
 
Naja, man muss schon den Markt ansprechen

Ich spare mir mal das Zitieren des Rests. Ich kenne auch Steinways, die einem Berdux-Flügel unterlegen sind, aber das müssen dann schon ziemliche Gurken sein, die eher in keinem Konzertsaal stehen.

Was für ein Konzert in Weimar war das denn, welcher Flügel kam da zum Einsatz und wo kann man auf der Herstellerseite vielleicht auch Details nachlesen? Bin ja als Händler immer daran interessiert, vielleicht eine Nische zu entdecken.

Das mit den Preisen für Instrumente um die 1990er Jahre solltest Du allerdings vielleicht doch einmal konkretisieren, oder aber Dein Gedächtnis auffrischen. Ich habe 1988 mein Klavierstudium begonnen und Dad war großzügig und hat mir einen Flügel als Übeinstrument spendiert (Hatte auch den Glücksfall einer Anbauwohnung im Garten, wo es keinen störte) - und der hat 3.500 DM inklusive Transport gekostet. Sehr brauchbare Mechanik, >200cm, deutsches Produkt (Ja, ich habe den Namen des Herstellers wirklich verdrängt).

Einerseits sprichst Du von "Deinem Gymnasium" und dann wiederum von einer recht diffusen Tätigkeit in der Musikwirtschaft.

Nimm's mir nicht übel, aber das klingt angesichts der Anzahl von Beiträgen hier doch alles recht tendenziös und mit Wortgirlanden verschleiertem Bullshit mit irgendeiner Agenda.

Was genau wolltest Du in diesem länglichen Beitrag noch einmal vermitteln? Gibt's da eine Kurzfassung von?
 
Was für ein Konzert in Weimar war das denn, welcher Flügel kam da zum Einsatz und wo kann man auf der Herstellerseite vielleicht auch Details nachlesen? Bin ja als Händler immer daran interessiert, vielleicht eine Nische zu entdecken.

Das Konzert war im Notenbank-Gebäude in Weimar.
Herstellerseite weiß ich nicht, ich glaube die werden gar nicht mehr hergestellt, obwohl bei Wikipedia steht, dass Berdux seit Mitte der 90er wieder existent sei, aber wohl nur als genutzter Markenname.

Das mit den Preisen für Instrumente um die 1990er Jahre solltest Du allerdings vielleicht doch einmal konkretisieren, oder aber Dein Gedächtnis auffrischen. Ich habe 1988 mein Klavierstudium begonnen und Dad war großzügig und hat mir einen Flügel als Übeinstrument spendiert (Hatte auch den Glücksfall einer Anbauwohnung im Garten, wo es keinen störte) - und der hat 3.500 DM inklusive Transport gekostet. Sehr brauchbare Mechanik, >200cm, deutsches Produkt (Ja, ich habe den Namen des Herstellers wirklich verdrängt).

Damals gab es kein kleinanzeigen.de oder eBay, sondern nur das regionale Inseratsblatt, wo dann im Landkreis mal eine Handvoll Klaviere abgegeben wurden. Gute Klaviere zu annehmbaren Preisen zu bekommen war für uns damals quasi ein Ding der Unmöglichkeit.
Unter 5-6.000 DM war da selten was inseriert, höchstens zum Aufpolieren.
Einen deutschen Flügel für 3500 DM hätten wir mit Kusshand genommen, zumal der Platz kein Problem war.


Einerseits sprichst Du von "Deinem Gymnasium" und dann wiederum von einer recht diffusen Tätigkeit in der Musikwirtschaft.

???
Mein früheres Gymnasium. So besser?
Ich bin seit fast 20 Jahren berufstätig. Und meine Tätigkeit in der Musikbranche ist nicht diffus, sondern nur nicht mein Hauptjob.

Nimm's mir nicht übel, aber das klingt angesichts der Anzahl von Beiträgen hier doch alles recht tendenziös und mit Wortgirlanden verschleiertem Bullshit mit irgendeiner Agenda.

Tendenziös, Bullshit, Agenda? Leidest du irgendwie an Paranoia?

Was genau wolltest Du in diesem länglichen Beitrag noch einmal vermitteln? Gibt's da eine Kurzfassung von?

Du kannst ihn dir gerne nochmal durchlesen und sachlich drauf antworten.
 
Du kannst ihn dir gerne nochmal durchlesen und sachlich drauf antworten.
Ein sachlicherer Versuch, aber im gleichen Grundtenor bleibend:

- Einzelvorkommnisse wie irgendwo zerdepperte Klaviere in der Öffentlichkeit taugen schon vom Prinzip her nicht dazu, eine im größeren Zeitrahmen stattfindende Veränderungen wie das angeblich abnehmende Bildungsniveau zu belegen. Zudem wurde schon dargelegt, dass heute umgekehrt wesentlich mehr Klavierunterricht stattfindet als früher.
- Preise Klavierunterricht: die heutigen absoluten Preise liegen deutlich über dem was z.B. mein eigener Klavierunterricht in den 90ern gekostet hat. Gemessen an der Kaufkraft ist das vergleichbar. Zudem belegen die vollen Musikschulen, dass die heutigen Preise bezahlbar sind.
- Schimmel ist 2008 durch den Einbruch des US-Marktes insolvent geworden. Aktuell ist der chinesische Markt eingebrochen aufgrund weggefallender staatlicher Subventionen. Dieser Einbruch war gerade für Schimmel und Grotrian mit Ihrem China-Fokus seit deren chinesischen Übernahmen signifikant - der russische Markt ist im Vergleich dagegen klein.
- Das Aufkommen der Tonträger ist eine von vielen Begleiterscheinungen wie z.B. das Internet und Streamen in den letzten Jahren und vieler weitere Quellen für Freizeitaktivitäten, die heute in Konkurrenz zum Klavierspielen stehen. Und trotzdem scheint sich das Klavier gemessen an den vollen Musikschulen gut zu schlagen.

Alle diese Argumente für den kleinen Neuklaviermarkt in Deutschland sind nicht stimmig, sind unbelegt und wirken hergeholt. Ich sehe andere Entwicklungen eher dafür verantwortlich: heute gibt es Digitalpianos als kostengünstige Alternative, zudem habe Klaviere eine extrem lange Produktlebensdauer, was der Gebrauchtmarkt mit sehr viele Instrumenten aus 1920-1980 belegt. Aber davon abgesehen gibt es noch eine wesentliche gesellschaftliche, die maßgeblich die Nachfrage nach Klavieren gedrückt hat: vor >100 Jahren war das Klavier (Pianino, Flügel, Cembalo, etc..) das absolute Statussymbol, d.h. damals hat man sich Klaviere auch ins Haus gestellt, obwohl man nicht drauf gespielt hat. Nach WW2 wurde im aufkommenden Wirtschaftswunder das Auto zum neuen Statussymbol. Das erklärt eher, warum der akustische Neuklaviermarkt vor ca. 100 Jahren von ca. 200.000 Klavieren/Jahr bis heute auf ca. 4.000 Klaviere gefallen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
... Davon abgesehen gibt es noch eine wesentliche gesellschaftliche, die maßgeblich die Nachfrage nach Klavieren gedrückt hat: vor >100 Jahren war das Klavier (Pianino, Flügel, Cembalo, etc..) das absolute Statussymbol, d.h. damals hat man sich Klaviere auch ins Haus gestellt, obwohl man nicht drauf gespielt hat. Nach WW2 wurde im aufkommenden Wirtschaftswunder das Auto zum neuen Statussymbol. Das erklärt eher, warum der akustische Neuklaviermarkt vor ca. 100 Jahren von ca. 200.000 Klavieren/Jahr bis heute auf ca. 4.000 Klaviere gefallen ist.
Und für diejenigen, die's ganz genau wissen wollen: IMG_20240925_223302475.jpg
 
Spannende Diskussion. Schwankende Bildung, mangelnder Durchhaltewille der jüngeren Generationen (den ich allerdings bei älteren genauso beobachte), die Verdrängung durch andere Hobbys (es wird viel mehr Sport getrieben als früher, die Zeit muss irgendwo herkommen), das Leben ist für manche Schichten sehr teuer geworden, öffentlich ausgestellte Klaviere werden beschädigt (ein grundsätzliches Problem in Deutschland mit Dingen in der Öffentlichkeit, viele beklatschen das ja sogar als Entfaltung des freien Willens, während ich in Singapur auf vollkommen intakten Klavieren im öffentlichen Raum gespielt habe, die waren nur furchtbar verstimmt), junge Klavierspieler werden am Gymnasium gemobbt, die Städte werden immer dichter (trotzdem steigt der Wohnraum pro Person tendenziell) - all das sind Faktoren, mit denen man aber nicht den Niedergang der deutschen Klavierindustrie erklären kann.

Der wichtigste Faktor ist: Das Klavier durchläuft seit 20 Jahren eine technologische Revolution. Erst durch Keyboards, dann durch Digitalpianos, Hybridpianos, Silent-Pianos, neuartige Selbstspielsysteme (Spirio etc.), die Klavier-App auf Lang Langs iPad. Diese Revolution wurde durch Asien ausgelöst (wie bei vielen anderen Technologiezweigen auch) und die deutschen Hersteller sind nicht mitgezogen. Man sucht heutzutage Instrumente, die mit den veränderten Lebensverhältnissen mithalten können, und das sind leider vorrangig digitale (bzw. solche mit digitalen Schnittstellen). Würde Apple ein Klavier bauen, die Leute würden es kaufen, denn es würde automatisch die gespielten Stücke korrigieren und auf Instagram oder Tiktok hochladen. Dort gibt es nämlich durchaus eine riesige Community von Pianisten, nur sitzen sie fast nie vor einem deutschen Instrument.

Im Markt für Klavierspieler bleiben nur diejenigen Hersteller, die entweder preisgünstig das Einstiegssegment bedienen (Kawai, Yamaha), ein gutes, aber immer noch bezahlbares Instrument mit digitaler Anbindung herstellen (Kawai, Yamaha, Casio, Roland...) oder im extrem marketinglastigen, werbe- und product placement intensiven Hochpreissegment erfolgreich sind - dass hier vor allem S&S vieles richtig macht, liegt auf der Hand.

Ähnlich ist es übrigens der Fotoindustrie ergangen. Es wird heute millionenmal so viel fotografiert und gefilmt wie vor 50 Jahren, aber kaum noch mit einem Gerät aus Deutschland. Trotzdm würde man nicht behaupten, dass die Menschen heute kein Interesse mehr an Fotografie haben.
 
Darf ich fragen wo? Ich war mehrmals dienstlich dort und die einzigen Instrumente, die ich gesehen habe, waren in Geschäften. Nichts am Flughafen, nichts in den Malls, nichts in den MRT-Stationen (oft eh fast das selbe ;) ), etc.
In den MRT Stations Bayfront und Orchard steht jeweils ein bunt verziertes Yamaha herum. Mechanisch gut mitgenommen und dringend stimmbedürftig, aber in keiner Weise mutwillig beschädigt. Spielt man darauf, sammeln sich sofort die Kinder, vor allem chinesische, und wagen vorsichtig ein paar Töne. Von den (in Singapur generell sehr gebildeten und interessierten) Eltern bekommt man dann mit, wie schwierig die Suche nach einem bezahlbaren Klavierlehrer sein kann, aber dass das Kind schon früh Spaß an der Musik zeigt.
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