Für Bögen über Taktgrenzen hinweg gibt es bei Bach zahlreiche Beispiele - nur sind es dann eben keine Auftakte:
@mick: dies sieht für mich nicht wie ein Autograph von J.S.Bach aus, aber ich kenne auch nur ein paar davon (
Bach Digital ist ja eine Fundgrube dafür). Kannst du bitte die Quelle angeben, wo du das her hast?
Ich würde mich sehr für die zahlreichen Beispiele interessieren, bei denen Bach Bögen über Taktgrenzen angegeben haben soll (also Autographen, keine Abschriften mit mglw. Ergänzungen, und schon gar keine Notenherausgeber, die irgendwas dazugedichtet haben).
Ich kenne nur ein paar ganz wenige aus der Orgelliteratur, die in dem Kontext nur als Ausnahme von der Regel (siehe weiter unten) anzusehen sind.
@rolf: du hast die Busoni-Ausgabe herangezogen bzgl. Binde-Bögen in der C-Dur-Invention.
Das ist wunderbar, man sollte nur wissen, dass das natürlich eine romantisierende Ausgabe ist und zu der Zeit Mode war, Bach-Noten mit solchen Bögen zu versehen, die in die Taktschwerpunkte bzw. über Taktgrenzen hinweggingen. Bei Orgelmusik kann man sich da z.B. auch an der Straube-Ausgabe ergötzen.
Man sollte weiterhin wissen, dass das nix, aber auch gar nix mit dem Urtext zu tun hat. Bach hat dort keine legato-Bögen gezeichnet, siehe
Autograph der 1. Invention
Bevor man die Frage beantwortet, wann man Bach legato spielt oder ob man in Taktschwerpunkte hineinbindet, sollte man sich erst einmal die Frage beantworten, ob man der Aufführungspraxis des Barock im Allgemeinen und J.S.Bach im Besonderen nahekommen möchte (das kann man für viele Aspekte völlig instrumentenunabhängig sehen) oder ob einem das völlig egal ist.
Wenn man sich mit der historischen Aufführungspraxis beschäftigen möchte, gibt es Primärquellen wie die von C.P.E.Bach "Versuch über die wahre Art...) und andere, und dazu jede Menge aktueller Quellen, die sich damit beschäftigen. Lohmann wurde schon genannt, Paul Heuser "Das Clavierspiel der Bachzeit" ist kompakter und erschwinglich und finde ich ebenso empfehlenswert. Die Standardspielweise ist demnach so, dass NICHT in Taktschwerpunkte oder über Taktgrenzen hinweg gebunden gespielt wurde.
Ebenso das genannte Argument, dass die Inventionen eine Lernhilfe für das cantable Spiel ist, was zweifellos stimmt, spricht dem nicht entgegen. Auch beim Singen sowie Bogen - oder Blasinstrumenten soll man
"an geeigneten Orten Beide, Athem und Bogenstrich, wechseln, und am allerwenigsten einer anderen als Hauptnote, vor welcher auch allein nur jener Wechsel stattfinden kann, einen Accent geben" (Quelle: P. Heuser S.75 bzgl. Artikulation/Legato, aus einer Encyclopädie der damaligen Zeit)
Wichtig ist auch zu wissen, dass diese grundlegende Artikulationsweise unabhängig vom Instrument zu sehen ist und somit unter anderem auch für alle Tasteninstrumente jener Zeit galt. Das Clavichord kommt dem Klavier in der Hinsicht am nächsten, als das es - im Gegensatz zum Klavier - beliebig feine Dynamikabstufungen zulässt (es gibt keinen Hammer, der "verhungern" kann, sondern eine Tangente, die unendlich zart anschlagen kann). Den Grund, dass diese grundlegende Artikulationsweise bzgl. Taktschwerpunkten nicht auch für das heutige Klavier gelten soll, bloß weil es damals noch nicht existierte, sehe ich nicht so. Diese Basisdinge barocker Spielart sind Instrumentenunabhängig.