
apruss
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- 17. Juni 2018
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Liebe Clavio-Gemeinde,
dank eurer Hilfe und Ermutigung bin ich bei meiner Flügelsuche an dem bereits beschriebenen Förster Flügel (Flügelsuche: wer hat Info über Förster-Vorkriegsmodelle?) drangeblieben. Hier ein update und natürlich auch wieder Fragen...
Ich habe hier schon ein paar mal gelesen "der Flügel sucht sich seinen Besitzer". Da scheint was dran zu sein. Der Förster steht nur ca 30km von hier. Nach meinem letzten Post habe ich noch zwei Bechstein 203 in Norddeutschland angeschaut und breit weiter gesucht: einen Steingräber 165 "zum Kennenlernen" bei einem Freund probiert, über einen Steingräber 200 in Bayern verhandelt, und Kontakte zu mehreren Blüthner Modell 6 geknüpft. Zu all denen hätte ich quer durch Deutschland fahren müssen, aber bevor es dazu kam haben sie sich alle selbst aussortiert. Ein Bechstein war aussen toll und hatte eine neue Renner Mechanik, aber Boden, Stimmstock und Gußplatte hatten Risse. Der Verkäufer des anderen 203 hatte unrealistische Preisvorstellungen. Der wahrscheinlich gute Blüthner war sofort weg, den Steingräber und einen anderen Blüthner haben lokale Klavierbauer, die die Instrumente sowieso kannten oder die ich zum Preis der gesparten Benzinkosten um ein lokales Gutachten gebeten habe als erheblich beschädigt und/oder schon mal saniert identifiziert. Komisch dass die Besitzer da nie was drüber wissen...
Also, alle anderen aktuellen Kandidaten gestorben, und gestern kam die lang erwartete Besichtigung des Förster mit einem lokalen Klavierbauer.
Ergebnis 1: die Substanz ist intakt und original, die originalen Stimmnägel halten, der Boden ist tatsächlich rissfrei, ebenso Stimmstock und Stege. Ein paar Noten gestimmt, die klingen gut (auch die verstimmten klingen irgendwie gut...). Der Hersteller der gebundenen Mechanik ist in der Tat nicht zu identifizieren, und die Mechanik ist komplett fehlreguliert (mehr dazu unten). Elfenbeinklaviatur ist leicht beschädigt, aber lt Fachmann mit moderatem Aufwand zu sanieren.
Der Schlossbalken ging ganz locker raus (danke @Tia) und darunter tatsächlich das Produktionsdatum....aber leider die entscheidende Zahl überlackiert. AAARRGGHHH! Er ist aber auf jeden Fall nicht von 1931, lesen kann man "30/8 1x. Also lt Seriennummer 1917 oder 1918. Und der Stimmstock ist auch dort rissfrei, super!
Ergebnis 2: ich habe eine Menge äussere Details entdeckt die mir extrem gut gefallen und die ich beim ersten Besuch gar nicht registriert hatte. Genau die richtige kleine Dosis Jugendstil für mich.
Also habe ich kurzentschlossen ja gesagt und angezahlt. Jetzt muss ich den Transport organisieren, und dann kommt er in meinen Werkstattkeller, wird gestimmt und erst mal beobachtet und so wie er ist in Ruhe ausprobiert. Kann gut sein dass ich mir das einrede (klingt er wirklich gut, oder ist er einfach nur laut?), aber ich habe das Gefühl einen guten Fang gemacht zu haben.
So, zur weiteren Strategie hab ich natürlich gleich ein paar Frage:
1. Saiten: der Reso Boden scheint intakt zu sein, die Saiten sind wohl noch original und bis auf die tiefste Saite rasselfrei. Man könnte sich also erst mal nur um die Mechanik kümmern, und die akustische Anlage in Ruhe lassen. Ich habe keinerlei Gefühl dafür, wie viel ich mit neuen Saiten gewinnen werde. Nach welchen Parametern kann man das abschätzen? Kann beim Neubezug auch Schaden angerichtet werden, so dass ich es dann doppelt bereue? Es geht mir nicht die Ersparnis, sondern nur um das Ergebnis. Der Klavierbauer meinte, dass er "mit dem alten Schrott" nicht mal halb so gut klänge wie mit neuen Saiten, aber ich bin nicht sicher ob ich 100% seiner Vorstellungen teile. Von bei ihm überarbeiteten Flügeln bin ich nicht wirklich begeistert....
2. Mechanik: die Mechanik muss wohl komplett überarbeitet und neu reguliert werden. Lt Klavierbauer sind die Hammerköpfe auch hinüber, obwohl sie für mich nicht sehr abgespielt aussehen. Und zu guter letzt ist die Mechanik nicht nach heutigem Standard, sondern eine gebundene Konstruktion. Wie ich von euch gelernt habe ist das ja nur für den Klavierbauer ein Problem beim Regulieren und nicht für mich beim Spielen, aber es wird sicher in Zukunft nicht leichter jemanden zu finden der das kann und es machen will.
Frage also: erhebliches Geld in die alte Mechanik investieren, oder (wie ich es in dem o.g. Bechstein gesehen habe) eine neue Mechanik reinstecken. Ich weiss dass das erst mal teurer wird, aber vielleicht ist es langfristig die bessere Investition.
Die Preise, die ich bis jetzt aufgeschnappt habe, sind 2-3k für Überarbeitung mit neuen Hammerköpfen, und 4k für eine neue Mechanik. Liege ich da grössenordnungsmässig richtig?
Die alte Klaviatur will ich auf jeden Fall erhalten;
nicht auf Plastik zu spielen ist für mich ein wesentlicher Grund keinen neuen Flügel zu kaufen. Ich habe auf YT gesehen wie eine Blüthner Patent gegen eine Renner ausgewechselt wurde und die Klaviatur erhalten wurde.
3. Das Äussere: ich hab keine Ahnung was die Vorbesitzer auf dem Flügel stehen hatten, es hatte auf jeden Fall unten scharfe Ecken. Der vordere Teil des Deckels hat hässliche tiefe Kratzer. Die zum Fenster gewandte Seite ist wie üblich ausgebleicht und auch verkratzt, aber nicht ganz so hässlich.
Ich hasse glänzendes Polyester, und für mich darf der Flügel gerne matt sein und Kampfspuren haben. Nur nicht ganz so hässlich wie auf dem Deckel.
Ich habe hier die Geschichten von Schellack Selbstversuchen gelesen. Bei manchen von euch scheint es gut zu gehen, andere berichten echte Horrorgeschichten. Was tun? Ich mache gerne was selbst und habe einen guten Werkstattraum. Soll ich es probieren oder besser gleich die Finger davonlassen?
Sorry für den langen Post, wenn ihr bis hierher durchgehalten habt schon mal im Voraus vielen Dank für die Hilfe.
Viele Grüsse, Andreas
dank eurer Hilfe und Ermutigung bin ich bei meiner Flügelsuche an dem bereits beschriebenen Förster Flügel (Flügelsuche: wer hat Info über Förster-Vorkriegsmodelle?) drangeblieben. Hier ein update und natürlich auch wieder Fragen...
Ich habe hier schon ein paar mal gelesen "der Flügel sucht sich seinen Besitzer". Da scheint was dran zu sein. Der Förster steht nur ca 30km von hier. Nach meinem letzten Post habe ich noch zwei Bechstein 203 in Norddeutschland angeschaut und breit weiter gesucht: einen Steingräber 165 "zum Kennenlernen" bei einem Freund probiert, über einen Steingräber 200 in Bayern verhandelt, und Kontakte zu mehreren Blüthner Modell 6 geknüpft. Zu all denen hätte ich quer durch Deutschland fahren müssen, aber bevor es dazu kam haben sie sich alle selbst aussortiert. Ein Bechstein war aussen toll und hatte eine neue Renner Mechanik, aber Boden, Stimmstock und Gußplatte hatten Risse. Der Verkäufer des anderen 203 hatte unrealistische Preisvorstellungen. Der wahrscheinlich gute Blüthner war sofort weg, den Steingräber und einen anderen Blüthner haben lokale Klavierbauer, die die Instrumente sowieso kannten oder die ich zum Preis der gesparten Benzinkosten um ein lokales Gutachten gebeten habe als erheblich beschädigt und/oder schon mal saniert identifiziert. Komisch dass die Besitzer da nie was drüber wissen...
Also, alle anderen aktuellen Kandidaten gestorben, und gestern kam die lang erwartete Besichtigung des Förster mit einem lokalen Klavierbauer.
Ergebnis 1: die Substanz ist intakt und original, die originalen Stimmnägel halten, der Boden ist tatsächlich rissfrei, ebenso Stimmstock und Stege. Ein paar Noten gestimmt, die klingen gut (auch die verstimmten klingen irgendwie gut...). Der Hersteller der gebundenen Mechanik ist in der Tat nicht zu identifizieren, und die Mechanik ist komplett fehlreguliert (mehr dazu unten). Elfenbeinklaviatur ist leicht beschädigt, aber lt Fachmann mit moderatem Aufwand zu sanieren.
Der Schlossbalken ging ganz locker raus (danke @Tia) und darunter tatsächlich das Produktionsdatum....aber leider die entscheidende Zahl überlackiert. AAARRGGHHH! Er ist aber auf jeden Fall nicht von 1931, lesen kann man "30/8 1x. Also lt Seriennummer 1917 oder 1918. Und der Stimmstock ist auch dort rissfrei, super!
Ergebnis 2: ich habe eine Menge äussere Details entdeckt die mir extrem gut gefallen und die ich beim ersten Besuch gar nicht registriert hatte. Genau die richtige kleine Dosis Jugendstil für mich.
Also habe ich kurzentschlossen ja gesagt und angezahlt. Jetzt muss ich den Transport organisieren, und dann kommt er in meinen Werkstattkeller, wird gestimmt und erst mal beobachtet und so wie er ist in Ruhe ausprobiert. Kann gut sein dass ich mir das einrede (klingt er wirklich gut, oder ist er einfach nur laut?), aber ich habe das Gefühl einen guten Fang gemacht zu haben.
So, zur weiteren Strategie hab ich natürlich gleich ein paar Frage:
1. Saiten: der Reso Boden scheint intakt zu sein, die Saiten sind wohl noch original und bis auf die tiefste Saite rasselfrei. Man könnte sich also erst mal nur um die Mechanik kümmern, und die akustische Anlage in Ruhe lassen. Ich habe keinerlei Gefühl dafür, wie viel ich mit neuen Saiten gewinnen werde. Nach welchen Parametern kann man das abschätzen? Kann beim Neubezug auch Schaden angerichtet werden, so dass ich es dann doppelt bereue? Es geht mir nicht die Ersparnis, sondern nur um das Ergebnis. Der Klavierbauer meinte, dass er "mit dem alten Schrott" nicht mal halb so gut klänge wie mit neuen Saiten, aber ich bin nicht sicher ob ich 100% seiner Vorstellungen teile. Von bei ihm überarbeiteten Flügeln bin ich nicht wirklich begeistert....
2. Mechanik: die Mechanik muss wohl komplett überarbeitet und neu reguliert werden. Lt Klavierbauer sind die Hammerköpfe auch hinüber, obwohl sie für mich nicht sehr abgespielt aussehen. Und zu guter letzt ist die Mechanik nicht nach heutigem Standard, sondern eine gebundene Konstruktion. Wie ich von euch gelernt habe ist das ja nur für den Klavierbauer ein Problem beim Regulieren und nicht für mich beim Spielen, aber es wird sicher in Zukunft nicht leichter jemanden zu finden der das kann und es machen will.
Frage also: erhebliches Geld in die alte Mechanik investieren, oder (wie ich es in dem o.g. Bechstein gesehen habe) eine neue Mechanik reinstecken. Ich weiss dass das erst mal teurer wird, aber vielleicht ist es langfristig die bessere Investition.
Die Preise, die ich bis jetzt aufgeschnappt habe, sind 2-3k für Überarbeitung mit neuen Hammerköpfen, und 4k für eine neue Mechanik. Liege ich da grössenordnungsmässig richtig?
Die alte Klaviatur will ich auf jeden Fall erhalten;


3. Das Äussere: ich hab keine Ahnung was die Vorbesitzer auf dem Flügel stehen hatten, es hatte auf jeden Fall unten scharfe Ecken. Der vordere Teil des Deckels hat hässliche tiefe Kratzer. Die zum Fenster gewandte Seite ist wie üblich ausgebleicht und auch verkratzt, aber nicht ganz so hässlich.
Ich hasse glänzendes Polyester, und für mich darf der Flügel gerne matt sein und Kampfspuren haben. Nur nicht ganz so hässlich wie auf dem Deckel.
Ich habe hier die Geschichten von Schellack Selbstversuchen gelesen. Bei manchen von euch scheint es gut zu gehen, andere berichten echte Horrorgeschichten. Was tun? Ich mache gerne was selbst und habe einen guten Werkstattraum. Soll ich es probieren oder besser gleich die Finger davonlassen?
Sorry für den langen Post, wenn ihr bis hierher durchgehalten habt schon mal im Voraus vielen Dank für die Hilfe.
Viele Grüsse, Andreas