Ich wollte nur über die gewaltige Preisdifferenz von gewissen Oberklass-Modellen diskutieren. Diese Differenzen lassen sich nicht mehr "rationell" mit Kostengründen begründen, sondern nur dadurch, dass es Kunden gibt, die bereit sind so tief in Tasche zu greifen. Es ist wie bei einem Polo-Shirt von Tommy Hilfiger, der deutlich teuerer ist als ein nicht Marken-Modell
Hallo. French-Lesson, diese Diskussion hatten wir hier schon mal. Bei allen Dienstleistungen und Produkten gilt das Pareto-Prinzip. Soll heißen: Mit 20% Aufwand erreicht man bereits 80% Ergebnis, während für die restliche 20% nochmals etwa 80% Aufwand nötig sind.
Definieren wir mal ein 100%-Klavier an einem beliebigen Punkt: Nehmen wir einfach mal an, dass man für 10.000,- ein Klavier bekommt, das alle Erwartungen (Klang, Haltbarkeit, Technik, Aussehen, etc) zu 100% befriedigt. Um nun ein Klavier herzustellen, das (mit großer Wahrscheinlichkeit) 20% besser ist (schwierig zu definieren und sehr subjektiv), sind eben nicht 20% mehr Aufwand (Material/Zeit/Geld/Know-How) nötig, sondern eher 100%. Das heißt, dass ein 20.000,- €-Klavier EBEN NICHT doppelt so gut ist wie ein 10.000,-er, sondern eher nur 15, 20 oder vielleicht 25%.
Je weiter man sich von der Null-Linie (=100%) nach oben entfernt, desto exponentieller wird der Aufwand. Ein Klavier für 30.000 ist somit nicht 3x und auch auch nicht nochmals 25% besser, sondern es erreicht vielleicht nur 130 oder 135% auf der imaginären Skala. Dennoch ist der Preis nicht einer Marke geschuldet, sondern dem tatsächlichen Aufwand.
Geh in eine Klaviermanufaktur und sieh es Dir an. Arbeitsschritte, die im mittleren Segment vielleicht voll- oder halbautomatisiert sind, werden im Top-Segment von den besten Fachkräften gemacht, die das Unternehmen hat (und entsprechend bezahlt). So kann ein Teilarbeitsschritt bei Vollautomatisierung 5,- kosten, bei Linienfertigung durch Menschen 50,- und bei Ausarbeitung durch Spezialisten gar 500,-.
Selbst in der vollautomatisierten Automobilindustrie gilt diese Regel: Ein Auto für 200.000,- ist nicht 10x besser als eines für 20.000,-. Dennoch gibt es genug Menschen, die bereit sind, für Unterschiede zu bezahlen, die anderen gering und ungerechtfertigt vorkommen.
Das Wichtigste aber: Dieses Prinzip kehrt sich unterhalb der 100%-Marke um! Um ein Klavier mit 85% Qualität zu erzeugen, braucht der Hersteller nicht 85% Aufwand, sondern nur noch 25%. Genau dieses Klavier wird jetzt aber NICHT für 25% verkauft, sondern für 8.500,- (also der Qualität und nicht dem Aufwand entsprechend)!!!!
UMSATZBEZOGEN (nicht per Stück, sondern per XY Umsatz) wird mit den Klavieren unterhalb der 100%-Linie richtig, richtig Geld verdient, und oft werden damit die teuren, besseren Klaviere sogar quersubventioniert, um diese dann nicht für 25.000,- sondern für 19.990,- verkaufen zu können.
Am meisten für sein Geld bekommt der Rationalist also bei einem 100%-Klavier - hier sind (theoretisch) Preis und Qualität parallel. Der Emotionale hingegen ist bereit, für einen qualitativen Zuwachs von 30% letztendlich 200% draufzulegen. Beide machen es richtig!
Der Sparfuchs (oder der, der eben nicht genug Kapital hat) - der zahlt zuviel (bezogen auf den Fertigungsaufwand, nicht auf die "Qualität")
Soweit die Theorie. In der Praxis gibt es natürlich die berühmten Ausnahmen. Eine Lederhandtasche 08/15 für 100,- ist ihr Geld wert. Ein handgefertigte Tasche aus dem besten Leder ist auch 1.000,- wert (aber nur 30% "besser"). Ein Hermes-Handtäschchen für 12.000,- hingegen ist Markenfetischismus. Möglicherweise ist es objektiv auch nur 100,- wert. Kommt es aber zum Wiederverkauf, kann das Hermes-Täschchen eventuell sogar mit Gewinn verkauft werden - das ist dann der Markenwert, mit dem man auch trefflich spekulieren kann.