- Dabei seit
- 21. Jan. 2007
- Beiträge
- 11.516
- Reaktionen
- 17.494
Ich möchte hier an einem Beispiel eine Möglichkeit erklären, die ich als effektives und zielführendes Üben bezeichnen würde.
Bei diesem Punkt des Übens geht es darum, genau zu verstehen, durchblicken, durchleuchten, hinterfragen, was man eigentlich übt. Das bedeutet nicht nur, mit dem gelesenen Notentext eine Klangfolge zu verbinden, sondern alles, was man vorfindet, strukturell und logisch zu verstehen.
Ich möchte das an einem Beispiel zeigen:
http://216.129.110.22/files/imglnks...01649-FChopin_Ballade_No.4__Op.52_BHBand1.pdf Letzte Seite, 1. Takt.
Erster Eindruck für geschätzte 99% aller, die das sehen: Unübersichtlich, kompliziert, Klangvorstellung vermutlich kaum vorhanden.
Es gib jetzt (mindestens) zwei Herangehensweisen: Die erste: Man spielt den Takt so oft von vorne bis hinten durch, bis die Finger ihn irgendwann ausführen können. Da es von Vorzeichen wimmelt und man zwei bis drei Töne gleichzeitig spielen muss, dazu noch Lage und Schlüssel wechseln ist das nicht eben leicht ausführbar und wird eine ganze Weile dauern.
Woran liegt das? Man weiß nicht, was man tut.
Wenn ich hier wahllos Buchstaben oder sogar ganze Wörter zusammenhanglos hinschreibe, kann man alles lesen, aussprechen, einzeln kapieren, sich aber schwer merken, da kein Sinn erkennbar ist. Ganze Sätze können aber problemlos sofort widergegeben werden, auch wenn sie lang sind. Bzw. durch sinnvolle Untergliederung in mehrere Satzteile werden sie plötzlich gefühlt kürzer, da man sich ganze Sinnabschnitte merkt.
Ebenso auch hier: Wenn man die Stelle einen Moment lang betrachtet, fällt einem folgendes auf:
Die linke Hand spielt fast den ganzen Takt lang nur einen (rot eingerahmten) verminderten Akkord, welcher leicht zu merken und auszuführen ist.
Würde man sich nur von Ton zu Ton hangeln, müsste man viel mehr nachedenken und die Hand wüsste auch nicht, welche Bewegung die richtige ist, da es kein wirkliches Ziel gibt.
Die rechte Hand hat zwar Doppelgriffe zu spielen, doch bei genauerem Hinsehen erkennt man auch hier, dass sich vieles wiederholt:
Einzelton und zwei Doppelgriffe, zweimal hintereinander von verschiedenen Tönen aus, wird nach oben mehrmals sequenziert (sequenzierter Teil eingerahmt).
Lediglich der Anfang und Zielton im Folgetakt sind leicht verändert.
(unterschiedlicher Anfang / Ende eingerahmt und die beiden Akkorde, die zusammen den Teil ergeben, der sequenziert wird)
Die Sequenz beginnt beim 2. 16teil mit dem a, (entspricht dem 2. eingerahmten Akkord).
Was bleibt also inzwischen von dem komplizierten Takt übrig:
Links ein Akkord, der noch dazu sehr populär und darum vermutlich längst bekannt ist, rechts zwei Akkorde. Macht insgesamt drei Akkorde, klingt nicht nach so grauenhaft viel.
Es könnte einem jetzt noch auffallen, dass das Tastenbild des einen Akkordes quasi ein Negativ des anderen ist - der eine enthält lauter schwarze Tasten und eine weiße, beim anderen ist es umgekehrt.
Wenn man sich noch etwas länger und am Instrument damit auseinandersetzt, fällt einem sicher noch mehr ein.
Fazit: Drei Akkorde, von denen der der linken Hand manuell und inhaltlich bekannt ist, die zwei der rechten Hand ähnlich gegriffen werden (gleicher Fingersatz möglich - 1 24 35) und charakteristisches Aussehen haben.
Mit diesem Wissen wird der Takt verhältnismäßig einfach!
Gehen wir noch einen Schritt zurück: Betrachten wir im Notenbeispiel die ersten Vier Takte. Sieht alles wüst aus - doch bei näherem Hinsehen erkennt man, dass zwei der vier Takte jeweils bis auf die Lage identisch sind. Wieder zwei im üben "gespart".
Was ich damit sagen will:
Wenn man einen Haufen schwarzer Punkte vor sich hat und weiß, dass das schwierig ist, wird es davon nicht einfacher. Schwierig ist immer das Unbekannte. Wenn man aber anfängt, die Schwierigkeit selbst zu suchen, so wird sich eine nach der anderen plötzlich in Luft auflösen - aha, der halbe Takt hier ist ganz einfach, aha, das Motiv kenne ich von weiter vorne, aha, hier ist eine Sequenz, aha, da wird was wiederholt -- und ahaaa, diese Stelle hier scheint etwas schwieriger zu sein.
Vermutlich macht sie nur 10% der "schwarzen, unbekannten, komplizierten Seite, die ich lieber nicht üben will" aus.
Schwierige Stellen überwinden bedeutet oft erstmal, sie zu finden, zu sortieren und zu kennen.
Je genauer man eine Schwierigkeit erkennt, lokalisiert, einkreist, desto kleiner wird sie. Wie bei einem verwirrten Wollknäul, bei dem der ganz große Wust aus lockeren Fäden besteht und meist nur in der Mitte ein kleiner fester Knäul ist, der isoliert auch ganz gut aufzudröseln ist.
Ich plädiere also für hingucken, nachdenken statt nur blind draufloszuüben gemäß der selbsterfüllenden Prophezeihung "- sieht schwierig aus - ist es auch..."
Bei diesem Punkt des Übens geht es darum, genau zu verstehen, durchblicken, durchleuchten, hinterfragen, was man eigentlich übt. Das bedeutet nicht nur, mit dem gelesenen Notentext eine Klangfolge zu verbinden, sondern alles, was man vorfindet, strukturell und logisch zu verstehen.
Ich möchte das an einem Beispiel zeigen:
http://216.129.110.22/files/imglnks...01649-FChopin_Ballade_No.4__Op.52_BHBand1.pdf Letzte Seite, 1. Takt.
Erster Eindruck für geschätzte 99% aller, die das sehen: Unübersichtlich, kompliziert, Klangvorstellung vermutlich kaum vorhanden.
Es gib jetzt (mindestens) zwei Herangehensweisen: Die erste: Man spielt den Takt so oft von vorne bis hinten durch, bis die Finger ihn irgendwann ausführen können. Da es von Vorzeichen wimmelt und man zwei bis drei Töne gleichzeitig spielen muss, dazu noch Lage und Schlüssel wechseln ist das nicht eben leicht ausführbar und wird eine ganze Weile dauern.
Woran liegt das? Man weiß nicht, was man tut.
Wenn ich hier wahllos Buchstaben oder sogar ganze Wörter zusammenhanglos hinschreibe, kann man alles lesen, aussprechen, einzeln kapieren, sich aber schwer merken, da kein Sinn erkennbar ist. Ganze Sätze können aber problemlos sofort widergegeben werden, auch wenn sie lang sind. Bzw. durch sinnvolle Untergliederung in mehrere Satzteile werden sie plötzlich gefühlt kürzer, da man sich ganze Sinnabschnitte merkt.
Ebenso auch hier: Wenn man die Stelle einen Moment lang betrachtet, fällt einem folgendes auf:
Die linke Hand spielt fast den ganzen Takt lang nur einen (rot eingerahmten) verminderten Akkord, welcher leicht zu merken und auszuführen ist.
Würde man sich nur von Ton zu Ton hangeln, müsste man viel mehr nachedenken und die Hand wüsste auch nicht, welche Bewegung die richtige ist, da es kein wirkliches Ziel gibt.
Die rechte Hand hat zwar Doppelgriffe zu spielen, doch bei genauerem Hinsehen erkennt man auch hier, dass sich vieles wiederholt:
Einzelton und zwei Doppelgriffe, zweimal hintereinander von verschiedenen Tönen aus, wird nach oben mehrmals sequenziert (sequenzierter Teil eingerahmt).
Lediglich der Anfang und Zielton im Folgetakt sind leicht verändert.
(unterschiedlicher Anfang / Ende eingerahmt und die beiden Akkorde, die zusammen den Teil ergeben, der sequenziert wird)
Die Sequenz beginnt beim 2. 16teil mit dem a, (entspricht dem 2. eingerahmten Akkord).
Was bleibt also inzwischen von dem komplizierten Takt übrig:
Links ein Akkord, der noch dazu sehr populär und darum vermutlich längst bekannt ist, rechts zwei Akkorde. Macht insgesamt drei Akkorde, klingt nicht nach so grauenhaft viel.
Es könnte einem jetzt noch auffallen, dass das Tastenbild des einen Akkordes quasi ein Negativ des anderen ist - der eine enthält lauter schwarze Tasten und eine weiße, beim anderen ist es umgekehrt.
Wenn man sich noch etwas länger und am Instrument damit auseinandersetzt, fällt einem sicher noch mehr ein.
Fazit: Drei Akkorde, von denen der der linken Hand manuell und inhaltlich bekannt ist, die zwei der rechten Hand ähnlich gegriffen werden (gleicher Fingersatz möglich - 1 24 35) und charakteristisches Aussehen haben.
Mit diesem Wissen wird der Takt verhältnismäßig einfach!
Gehen wir noch einen Schritt zurück: Betrachten wir im Notenbeispiel die ersten Vier Takte. Sieht alles wüst aus - doch bei näherem Hinsehen erkennt man, dass zwei der vier Takte jeweils bis auf die Lage identisch sind. Wieder zwei im üben "gespart".
Was ich damit sagen will:
Wenn man einen Haufen schwarzer Punkte vor sich hat und weiß, dass das schwierig ist, wird es davon nicht einfacher. Schwierig ist immer das Unbekannte. Wenn man aber anfängt, die Schwierigkeit selbst zu suchen, so wird sich eine nach der anderen plötzlich in Luft auflösen - aha, der halbe Takt hier ist ganz einfach, aha, das Motiv kenne ich von weiter vorne, aha, hier ist eine Sequenz, aha, da wird was wiederholt -- und ahaaa, diese Stelle hier scheint etwas schwieriger zu sein.
Vermutlich macht sie nur 10% der "schwarzen, unbekannten, komplizierten Seite, die ich lieber nicht üben will" aus.
Schwierige Stellen überwinden bedeutet oft erstmal, sie zu finden, zu sortieren und zu kennen.
Je genauer man eine Schwierigkeit erkennt, lokalisiert, einkreist, desto kleiner wird sie. Wie bei einem verwirrten Wollknäul, bei dem der ganz große Wust aus lockeren Fäden besteht und meist nur in der Mitte ein kleiner fester Knäul ist, der isoliert auch ganz gut aufzudröseln ist.
Ich plädiere also für hingucken, nachdenken statt nur blind draufloszuüben gemäß der selbsterfüllenden Prophezeihung "- sieht schwierig aus - ist es auch..."