Aus irgendeiner Ecke habe ich gehört, dass sich die Herstellungsverfahren wohl geändert haben, bzw. maschinell modifiziert wurden, so dass der heute hergestellte Hammerkopffilz eine andere Konsistenz hat, die sich selbst bei angemessener Hammerkopfgröße klanglich sehr bemerkbar macht. Und das eher unangenehm. Aber das weiss ich nicht genau...
Hallo Sesam,
vor kurzem las ich hierzu den Hinweis des verstorbenen Klavierkonstrukteurs Klaus Fenner in seinem Buch: die Hammerkopffilze wurden früher mit einer Maschinerie auf die Mahagoni-Hämmer gebogen, die heute nicht mehr im Einsatz ist, eine aufwendigere Maschinerie.
Mal ein Versuch, den Unterschied zu beschreiben:
1- Filzplatte flach über die volle Breite von 85 oder 88 Hämmern - die Kanten rechts und links flach angeschrägt
2- Von oben senkt man die Hammerkerne auf, bzw. die konturierte Mahagonileiste
3b (heute) wird mit zwei Schlitten rechtwinklig - also quer - der Filz um den Kern gebogen.
4- Fixierung mit Klammern
5- Aussägen der Einzelhämmer
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3a -früher aber wurde mit VIER beweglichen Schlitten - schräg von unten und schräg von oben - Filz angebogen. D.h. nach der alten Fertigungsmethode war der Filz beim Biegen an fünf Stellen (den Boden als zusätzliche Krafteinleitung betrachtet) von außen Kräften ausgesetzt, ihn gegen den Hammerkern zu biegen.
Heute sind es nur noch drei Kraftilinien.. ...
Klaus Fenner hielt das heutig praktizierte "Dreischlitten"- Verfahren (ist jetzt mal meine Benennung) für nachteilig gegenüber der früheren "Fünfschlitten"-Fertigung. Allerdings sind die Fünfschliitten-Biegemaschinen aufwendiger zu konstruieren und zu fertigen, während man zum Dreischlitten-Verfahren sich heutiger Pressen bedienen kann, die quasi im Katalog zu kaufen sind.
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Andere Beschreibung:
1- Der spätere Hammer sei mal rund, eine Uhr.
2- Der Hammerstiel kommt in 12-Uhr-Position.
3- Der "Bodendruck" von unten kommt aus 6-Uhr-Pos.
4- Der Seitendruck heute kommt aus den 9-Uhr- und 3-Uhr-Positionen.
Früher hingegen bog man aus 4-Uhr- 8-Uhr-Position (also leicht schräg von unten), UND aus 10-uhr-, 2-Uhr- Positionen (also leicht schräg von oben) den Filz an.
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Allerdings muss man noch eines mit berücksichtigen, darauf wies auch Klaus Fenner hin: die heutigen Filze seien hoch wahrscheinlich wieder etwas anders verfilzt, verarbeitet. Insofern müsste man das "Gesamtsystem alt" gegen das "Gesamtssystem neu" vergleichen - uU casus irrealis:
das dürfte schwierig sein, denn selbst wenn man sich die Biegerei wieder so aufbaut wie früher - wie käme man an neue Filzplatten alter Fertigungsmethoden heran? Selbst wenn man noch in irgendwelchen finsteren Lagerecken welche alten Platten "New Old Stock" fände - die Materialien müssten >70 Jahre alt sein (ich meine mich zu erinnern, dass Fenner schrieb, das alte Verfahren sei nur bis zum Weltkrieg praktiziert worden..). SO alte Filzplatten hingegen sind AUCH knallhart - egal, wie sie mal "anders" verfilzt worden seien..
Da schiene mir viel Forschungsarbeit vonnöten.
Es gibt somit gewisse Gründe, warum manche Uraltflügelmöger AUCH wert darauf legen, dass die Hämmer UND die Saiten noch die alten seien.. Meine hässliche Vermutung (dagegen) ist allerdings, dass diese Sammlerkameraden AUCH was Modernes zum Spielen verfügbar haben und die Performanz ihrer Uralt-Flügel eben nicht täglich zum Spielen brauchen, sondern nur zum Angucken...
Die Vergangenheit originalgetreu zurückzuholen stößt also auf so mancherlei Hemmnisse.. ;)
Aber ein hoch interessantes Thema.
Nach meiner Überzeugung GIBT es heute noch Mozarts und Beethovens Originalsound von uralten Klavieren: dann, wenn ihre Hämmer beledert sind, nicht mit Filz ausgerüstet, und wenn die Saiten nicht umsponnen sind, sondern Blanksaiten sind, bei 400 oder 415 Hz gespannt. Mal eine Vermutung..
Ich war mal vor min. 15 Jahren an einem ruhigen Wochentag im Deutschen Museum in München. Der freundliche Saalwärter duldete es halb lächeld, halb wegguckend, dass ich die Instrumente spielte. Clavichorde, Harpsichorde, Spinette, Hammerklaviere..
Diesen Nachmittag werde ich auf immer in meinem Herzen bewahren.
Freundliche Grüße
Bernd B
Edit PS NB ooops... vergessen: warum (!!) macht das einen Unterschied? Je mehr Punkte oder Kraftlinien auf einem Umfang ich beteiligt habe, umso gleichmäßiger ist die Biegerei. Idealerweise müsste man also, um möglichst wenig punktuell hohe Kräfte beim Filzaufbiegen zu haben, mit c. a10-15 radial agieren den Schlitten den Filz anbiegen.
..und dennoch würden man nicht unabhängig von den Herstellungsmethoden der Filzplatten selbst biegen können: bei JEDEM Biegevorgang in der Mechanik gibt es die äußeren Bereiche, die "gezogen" (auf "Zerreißen" beansprucht) werden, und die inneren Bereiche, die unter Druck geraten. Irgendwo in der Mitte gibt`s die sogenante "Neutrale Faser", wo nur gebogen wird, nicht gezogen oder gedrückt.
Maschinenbau, Mechanik, 3. Semester, "Mehrachsige Spannungszustände".
...öhm, und 5. Semester: Mechanik anisotroper Werkstoffe (=Werkstoffe, die zB Fasern haben und sich nicht in jeder Himmelsrichtung gleich verhalten..)