Ich spekuliere jetzt mal ein bisschen, ohne dass das fundiert waere: Vielleicht haengt das auch mit einer - in einer bestimmten Zeit, in Deutschland? - bewussten Abwendung von allem zusammen, was mit "19. Jh."-Virtuositaet assoziiert werden koennte.
hallo,
da hat Pianovirus eine wichtige Beobachtung angesprochen:
- das Verwenden schneller bis schnellster Oktavenpassagen sowie rasante "Schüttelakkorde" waren im 19. Jh. zu einem der
typischen Mittel pianistischer Virtuosität geworden und wurden - wie so manches - inflationär (irgendwie rührend wirkt Th. Badarszewskas "Gebet einer Jungfrau", wo auf niedrigstem manuellem Niveau durch "Pasagen" und "Oktaven" ein optischer "a la liszt Eindruck" hergestellt sein will :D)
- - wie bei allen "Techniken" gibt es gelungene und weniger gelungene Anwendungen (z.B. in Brahms erstem Klavierkonzert sind die Oktavtriller und Doppeloktavgänge sehr gelungen, oft auch bei Liszt)
aber es gibt ja nicht nur schnelle/schnellste laute Oktaven!
Oktavierung ist oft auch ein Mittel der
Verfeinerung des Klangs, hierbei keineswegs rasant oder laut:
- man vergleiche die einstimmige und die oktavierte Variante des Themas in Liszts Consolation III (Anhang)
- der gesamte Mittelteil von Chopins Oktavenetüde (spielt man das einstimmig, klingt es etwas fader) (Anhang)
parodistisch geraten manchmal "falsche" bzw. verfremdete Oktaven, man sehe die Augmentation des Themas in Prokovevs Suggestion diabolique (die aber ebenso viele "normale" Oktaven einsetzt - um den Klang gelegentich schärfer zu machen) (Anhang)
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was das trommelwirbel- oder trillerartige Anschlagen von Akkorden betrifft, also allerlei Akkordtriller, so regt sich erstaunlicherweise niemand darüber auf, dass derartige Passagen in der Klaviermusik des 20. Jh. sehr sehr gerne eingesetzt werden (denn sie eignen sich u.a. hervorragend für Cluster) - und das,
obwohl diese Spieltechnik eindeutig aus der virtuosen Romantik stammt (eine Erweiterung des Tremolo, welche schon bei Liszt in Clusternähe kommt, in Skrjabins Sonate Nr.10 finden sich dann um 1913 schon richtige Cluster) - - - - technisch/musikalisch unterscheiden sich diese Figuren bei Strawinski oder Rhiem oder Ligeti
nicht von solchen bei Liszt, Tschaikowski oder Rachmaninov.
(scherzando)
ich bin da für Gerechtigkeit: wenn Oktaven tatsächlich abgelehnt werden sollen, dann sollte man diese strenge "Anti-19.Jh.-Haltung" auch auf die diversen Formen der Schüttelpassagen anwenden... :D ... ...aber da darf man gar nicht weiterdenken: Sprünge kommen im 19. Jh. vermehrt auf, strenge Fugen schon bei und vor Bach... ... was bleibt denn dann noch?...
Gruß, Rolf