G
Gomez de Riquet
Guest
Oktaven retard - rezeptpflichtig
Lieber Yannick,
leider verfehlt ein Teil der Diskussionsbeiträge das Thema.
Wenn aber schon irrtümlich vom Oktavengebrauch als einem Mittel,
etwas pianistisch auszuinstrumentieren, die Rede ist -
dann dazu auch mein Urteil: in Baß- und Mittellage noch erträglich,
im Diskant eine Beleidigung für die Ohren!
Es gibt kaum etwas häßlicheres als chromatische Rückungen in Oktavgängen
im Klavierdiskant - schlimmstes 19.Jahrhundert - man hört im Hintergrund
sofort die Drehorgel...
Nun hast Du aber nach etwas ganz anderem gefragt - dem Gebrauch
von Oktaven als einem kompositorischen Mittel. Dazu mein Rat:
prinzipiell meiden. Wenn Du das Komponieren erlernen möchtest,
sind Oktaven gefährlich: Sie gaukeln Dir Fülle vor - optisch und akustisch,
im Notenbild und im Klang -, während das musikalische Ergebnis eher
dürftig ist. Wenn Du große Klanglichkeit anstrebst, brauchst Du dafür
reale Vielstimmigkeit und dafür satztechnische Kenntnisse
(kontrapunktisch und harmonisch), deren Pointe u.a. wieder darin besteht,
die Oktave zu vermeiden.
Aber ist große Klanglichkeit überhaupt nötig?
Hör' Dir einstimmige Musik an, den Gregorianischen Choral,
außereuropäische Musik, um ein Gefühl für reine Melodik zu bekommen -
versuch einmal, solche Melodien zu komponieren. Probier dann aus,
nur zwei Stimmen zueinander in Beziehung zu setzen - das ist schwierig
genug, in gleicher Bewegung, in Gegenbewegung, in Mischformen.
Das Geheimnis dabei: Jede Stimme muß ganz individuell ausgeprägt sein
und trotzdem mit der anderen harmonieren (in der Liebe ist es bekanntlich
genauso). Wenn Du Dich sicher genug fühlst, machst Du mit Dreistimmigkeit
weiter. Schau Dir an, wie andere das Problem gelöst haben:
die Inventionen und Sinfonien von Bach, Menuette von Bach und Mozart.
Mit diesen Kunstmitteln wird Dir entschieden mehr gelingen als mit dem
vorzeitigen Einsatz von Oktaven. Mit Oktaven kannst Du arbeiten, wenn
Du keine satztechnischen Probleme mehr hast: zur Hervorhebung
einer Stimme oder um eine bestimmte klangliche Wirkung zu erzielen,
wie das Puccini auf ganz unvergleichliche Weise in seinen Opern getan hat.
(In der Zweiten Wiener Schule hat die Empfindlichkeit gegenüber der Oktave
übrigens ihren guten Grund: Tonverdoppelungen zerstören - genauso wie
Dreiklänge - die Reinheit des atonalen Satzes, können so etwas wie ein
tonales Zentrum erzeugen und dadurch falsche Hörerwartungen wecken.)
Hoffentlich nützt Dir das alles, was ich hier schreibe.
Kann man einmal etwas von Deiner Musik hören oder sehen?
Freundliche Grüße,
Christoph
Lieber Yannick,
leider verfehlt ein Teil der Diskussionsbeiträge das Thema.
Wenn aber schon irrtümlich vom Oktavengebrauch als einem Mittel,
etwas pianistisch auszuinstrumentieren, die Rede ist -
dann dazu auch mein Urteil: in Baß- und Mittellage noch erträglich,
im Diskant eine Beleidigung für die Ohren!
Es gibt kaum etwas häßlicheres als chromatische Rückungen in Oktavgängen
im Klavierdiskant - schlimmstes 19.Jahrhundert - man hört im Hintergrund
sofort die Drehorgel...
Nun hast Du aber nach etwas ganz anderem gefragt - dem Gebrauch
von Oktaven als einem kompositorischen Mittel. Dazu mein Rat:
prinzipiell meiden. Wenn Du das Komponieren erlernen möchtest,
sind Oktaven gefährlich: Sie gaukeln Dir Fülle vor - optisch und akustisch,
im Notenbild und im Klang -, während das musikalische Ergebnis eher
dürftig ist. Wenn Du große Klanglichkeit anstrebst, brauchst Du dafür
reale Vielstimmigkeit und dafür satztechnische Kenntnisse
(kontrapunktisch und harmonisch), deren Pointe u.a. wieder darin besteht,
die Oktave zu vermeiden.
Aber ist große Klanglichkeit überhaupt nötig?
Hör' Dir einstimmige Musik an, den Gregorianischen Choral,
außereuropäische Musik, um ein Gefühl für reine Melodik zu bekommen -
versuch einmal, solche Melodien zu komponieren. Probier dann aus,
nur zwei Stimmen zueinander in Beziehung zu setzen - das ist schwierig
genug, in gleicher Bewegung, in Gegenbewegung, in Mischformen.
Das Geheimnis dabei: Jede Stimme muß ganz individuell ausgeprägt sein
und trotzdem mit der anderen harmonieren (in der Liebe ist es bekanntlich
genauso). Wenn Du Dich sicher genug fühlst, machst Du mit Dreistimmigkeit
weiter. Schau Dir an, wie andere das Problem gelöst haben:
die Inventionen und Sinfonien von Bach, Menuette von Bach und Mozart.
Mit diesen Kunstmitteln wird Dir entschieden mehr gelingen als mit dem
vorzeitigen Einsatz von Oktaven. Mit Oktaven kannst Du arbeiten, wenn
Du keine satztechnischen Probleme mehr hast: zur Hervorhebung
einer Stimme oder um eine bestimmte klangliche Wirkung zu erzielen,
wie das Puccini auf ganz unvergleichliche Weise in seinen Opern getan hat.
(In der Zweiten Wiener Schule hat die Empfindlichkeit gegenüber der Oktave
übrigens ihren guten Grund: Tonverdoppelungen zerstören - genauso wie
Dreiklänge - die Reinheit des atonalen Satzes, können so etwas wie ein
tonales Zentrum erzeugen und dadurch falsche Hörerwartungen wecken.)
Hoffentlich nützt Dir das alles, was ich hier schreibe.
Kann man einmal etwas von Deiner Musik hören oder sehen?
Freundliche Grüße,
Christoph