Ich glaube, am Ende ist es entscheidend, welchen Klang und welches Spielgefühl man mag. Diese "Wiener Mechanik/Oberdämpfer = 0 Euro"-Rechnung finde ich irgendwie merkwürdig...
Diese 0 Euro Rechnung wird vom Handel gemacht, wobei folgendes in Betracht zu ziehen ist:
Erstens MUSS jedes Instrument aufgearbeitet werden, um dafür hinterher zu gewährleisten. Ich möchte jetzt nicht zu Gewährleistungsrichtlinien auch noch Stellung beziehen, aber Fakt ist, dass man ein Instrument nicht auf der einen Seite ins Geschäft rein - und auf der anderen Seite wieder raus schiebt, OHNE etwas daran zu tun, außer einen Verkäufer anzustellen, das Ding zu fotografieren, die Webseite mit Bildern zu bestücken etc... Das geht nicht mal mit neuen Klavieren.
Das allermindeste was bei einem gebrauchten Klavier getan werden muss ist stimmen, reinigen und komplett durchsehen. Ein hervorragend gewartetes Instrument, dass TOP reguliert ist und an dem weniger als ein halber Tag Arbeit notwendig ist gibt es nur in Ausnahmefällen am (Einkaufs)Markt - und meistens betrifft es jüngere Semester. In der Regel muss man etwas mehr investieren als "muss ja nur gestimmt werden" und das schlägt dann mit vielen Arbeitsstunden zu Buche.
Bleibt folgende Rechnung über:
...Die eigenen Besichtigungskosten
+ Transport ins Geschäft
+ Stimmen und allerlei Arbeiten in der Werkstatt
+ Transport zum Kunden, welcher sehr oft "dabei" ist beim Verkauf
+ anteilige Garantieleistungen falls ein Ton klemmt
+ Miete vom Geschäft (Anteilig für die Stellfläche)
+ möglicherweise inkludierte Erststimmung vor Ort
+ der Gewinn, welcher das eigene Einkommen sicherstellt.
Wenn man nun auf dieser Grundlage das Instrument kalkuliert, und das tut man natürlich VOR der Anschaffung kommt durch obige Posten schnell ein 4-stelliger Betrag heraus, ohne dass man noch einen Cent an den Anbieter bezahlt hat. Das bedeutet gleichzeitig, ein Klavier muss mehr Wert sein als 0 ehe man es geschenkt nimmt, nämlich:
a) schon in einem überschaubar guten allgemeinen Zustand sein. Da schließt mehr als 50% der Fälle aus. Eine Generalüberholung lohnt in seltensten Fällen, da man preislich sehr schnell in schwindelerregende Höhen kommt und solche Instrumente zu Ladenhütern mutieren.
b) Interessenten geben, die zwar nur wenig Geld ausgeben wollen, aber den Komfort und die Sicherheit, die ein Geschäft bietet schätzen. Da fallen schon sehr viele mögliche Interessenten aus, denn in diesem Segment "finden" diejenigen meist ein Schnäppchen von Privat und gehen das eigene Risiko ein, dass es halt nur Murks ist oder sie sind so schlau, dass sie sich einen Klaviermacher buchen um die Sache zu begutachten.
Um nun wieder einen Bogen zu finden: Man kann als Händler nicht jedem Anruf nachlaufen und jedes Klavier besichtigen und sich auf Lager stellen, dass einem angeboten wird, weil
...es sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, Termine auszumachen und Klaviere zu besichtigen.
...diese Kosten nützlicher investiert werden könnten, oder diese Kosten auf die Instrumente aufgeschlagen werden müssten, die man dann tatsächlich nimmt - was bedeutet, jene müssen dann noch günstiger angeschafft werden. Wodurch sich oft ein Marktwert 0 ergibt.
Ich kann als Händler zwar alle möglichen "Angebote" ablehnen, aber man sollte so fair bleiben es erst dann als 0 Wert zu beurteilen, wenn man es gesehen hat. 0 Wert für den Handel kann ohne weiteres bedeuten - es ist real 500 Euro Wert.
LG
Michael