Ich würde sagen, je größer das eigene pianistische Können bereits ist, desto wichtiger ist das optimale Instrument für das pianistische Fortkommen.
Hierzu meine persönliche Laufbahn: Ich selbst habe zuhause "nur" ein Klavier, Baujahr 1917, viele Jahrzehnte als Wirtshausklavier "missbraucht" und schlussendlich noch ein Jahrzehnt in einer Garage vergammelt, bevor es in unser Wohnzimmer kam. Es ist kein ganz schlechtes Klavier, aber auch kein Oberklasseinstrument. Und mir hat dieses Klavier im Endeffekt meine komplette Schulzeit über genügt, um pianistisch mich fortzuentwickeln. Angefangen von Null vor meiner ersten Klavierstunde (1994 wenn ich mich gerade richtig erinnere) bis zum Ende meines Klavierunterrichts nach dem Abitur 2006 (Wiederaufnahme von Unterricht irgendwann später in meinem Leben nicht ausgeschlossen - seit 2006 bin ich aber erstmal Autodidakt). In all diesen 13 Jahren bin ich auch mit einem gewiss nicht optimalen Klavier vorangekommen.
Hier zum Gruseln: Der Klang meines Klaviers, bevor ich mit Unterricht angefangen habe:
Nikolaus '93 Klavier.avi - YouTube
Das Instrument war ungestimmt und nicht reguliert - nach mehreren Jahren "Aufenthalt" in einer ungeheizten Garage. Und trotzdem bin ich mit diesem Ding damals pianistisch als Kind vorangekommen. Wohlgemerkt blieb mangels Klavier- und Musikverständnis in der kompletten Familie dieses Klavier auch unverstimmt und unreguliert bis 1996. Damals hatte ich schon fast drei Jahre lang Unterricht, ehe das Instrument zum ersten Mal ordentlich hergerichtet wurde.
Das Entscheidende aber ist, dass irgendwann der Punkt kommt, wo so ein Instrument nicht mehr ausreicht. 1996 wurde es wie gesagt innen komplett überarbeitet und reguliert und dann auch zum ersten Mal gestimmt. Also auf ein sehr gut bespielbares Klavier-Niveau gebracht. Und bis mindestens 2006 hat das für mein Fortkommen und zu meiner vollsten Zufriedenheit auch gereicht.
Heutzutage allerdings - obwohl ich zurzeit nur etwa alle zwei Wochen für ein paar Stunden zum spielen komme derzeit - merke ich zunehmend, dass ich mit der Mechanik eines Klaviers allgemein an meine Grenzen komme. Ob es genau dieses nicht optimale Klavier bei meinen Eltern zuhause ist, oder Klaviere allgemein - ich weiß es nicht. Jedenfalls glaube ich, dass ich mich nur mit einem Flügel wirklich gezielt weiterentwickeln kann. Vor allem zu meiner Zufriedenheit weiterentwickeln. Zumindest was die Spieltechnik und Motorik angeht. Deshalb ist bei mir (sobald es finanziell und räumlich eben drin ist) in Zukunft auch ein Flügel fix geplant, ich weiß nur noch nicht, wann ich mir einen leisten kann bzw. vor allem, wann ich Platz dafür habe.
Und doch: Auch wenn mich mein Klavier spieltechnisch oft doch sehr an Grenzen bringt, die ich einfach mit dem Instrument nicht überwunden bekomme, kann ich mich in Dingen wie Klangschönheit und differenziertem Spiel TROTZDEM auch an diesem Instrument noch weiterentwickeln. Zwar bekomme ich meine Ergebnisse nicht auf das Niveau, auf dem ich sie gerne hätte, weil die feinsten Differenzierungsmöglichkeiten schlicht fehlen. Aber ich spüre dennoch noch Fortschritte.
Zum Schlluss könnte man sogar noch ganz frech einen draufsetzen: Man kann sich sogar ganz ohne Instrument pianistisch weiterentwickeln. Zum Beispiel durch viel Anhören guter Musik, Mitlesen der Noten oder durch vergleichbare musikalische Kopfarbeit abseits des Instruments selbst. ;)