Entschuldigt, dass ich diesen alten Thread noch einmal ausgrabe, aber ich beschäftige mich z. Z. mit genau dem
gleichen Thema.
Ich vermute, man muss unterscheiden zwischen einer Art "musikalischen Notation" und einer Art "technischen Notation".
Die technische Notation spiegelt genau wieder, wie lange welcher Ton "gedrückt" werden soll - was nicht unbedingt
dem musikalischen Gedanken entspricht. Bei den insbesondere im Pop-Bereich üblichen arpeggierten Achtel-Akkorden in
der linken Hand als Begleitschema (Grundton-Quinte-Terz in weiter Lage) soll der Grundton ja schließlich auch länger
klingen als nur eine Achtel lang.
Ich habe mal ein wenig geschaut und einige Beispiele gefunden, bei denen die linke Hand "technisch" ungreifbar notiert
ist. Z. B. die
Barcarole op. 2 von Ivan Laskovsky.
Der in meinem angehängten Notenbeispiel rot markierte Takt ist m. E. definitiv so wie er dort notiert ist, nicht greifbar.
Das tiefe Cis im Bass kann nur durch das Pedal drei Achtel lang klingen - nicht jedoch dadurch, dass es drei Achtel
lang gegriffen wird.
Durch das Pedal werden jedoch auch die einzelnen Achtel-Noten in diesem Takt länger klingen als notiert.
Es scheint also eine zwei-stimmige Notierung zu sein, die dem Spieler vermittelt, wie es idealerweise klingen soll.
Jedoch kann man sich durch die technische Beschaffenheit des Klavieres dem nur annähern.
In einer anderen Instrumentierung (Ensemble) wäre es hingegen kein Problem, diesen musikalischen Gedanken so
wiederzugeben wie notiert.
Ich bin mir nicht ganz sicher, dafür fehlt mir der Überlick, aber ich glaube, dass diese Form der "musikalischen Notierung"
heutzutage aus der Mode geraten ist - wahrscheinlich, weil sie irritiert.
Zudem scheint es auch ein Klavier-Phänomen zu sein, denn ich kann mich aus dem Stegreif an keine Noten für
z. B. Streichinstrumene erinnern, in denen "technisch ungreifbares" notiert ist.