Wie geht Ihr mit UNSPIELBAREN Stellen um

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Ich frage mich immer, ob Rachmaninow wohl die Akkorde am Ende des letzten Préludes aus op. 32 greifen konnte. Ich muss da ein wenig tricksen...
Ich würde sagen, es ist gut möglich. Andererseits sollte man auch nicht vergessen, wie er oft greifbare Akkorde zu Klangzwecken arpeggierte. Dieses meistens schnelle Arpeggieren verlieh seinem Klavierklang Wärme oder auch Wucht. Die heutigen Instrumente sind aber in der Regel dafür zu hart intoniert, sodass sich die Töne eines arpeggierten Akkords, sobald man ungefähr ein mf übersteigt, nicht mehr "summieren", sondern dünner wirken als ein gleichzeitiger Schlag.
 
Ja, arpeggieren ist in dieser Stelle, wo große orchestrale Wucht gefordert ist, nicht ideal. Meine aktuelle Lösung sieht so aus:

1620203072317.png

Aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, dass ich die Akkorde eines Tages greifen kann...
 
Ich frage mich immer, ob Rachmaninow wohl die Akkorde am Ende des letzten Préludes aus op. 32 greifen konnte. Ich muss da ein wenig tricksen...
Ich arpeggiere die Akkorde. Bei dem Tempo geht das recht komfortabel. Wie die meisten, habe ich das hin und her ausprobiert. Dabei greife ich den obersten Ton jeweils über und kann ihn noch ein wenig hervorheben. Über Vorschlags-Varianten könnte man die Oktave hervorheben, wenn man das interessant findet. Mir fehlen nur noch wenige Preludes von Op. 32. Das 13. harrt auch noch der Vollendung. Kommt zum Schluss.
Ideal ist das arpeggieren natürlich nicht. Die Vorschlagsvarianten allerdings zerhäckseln die Akkorde. Alles ist weit weg vom Klang der Originalnotierung. Dieses Prelude hört man relativ selten ausgekoppelt aus dem Zyklus, obwohl es spektakulär klingt. Ob das an den Schlussakkorden liegt?
Es ist übrigens ein Gerücht, dass Klavierspieler mit zu kleinen Händen Behindertenparkplätze benutzen dürfen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Entschuldigt, dass ich diesen alten Thread noch einmal ausgrabe, aber ich beschäftige mich z. Z. mit genau dem
gleichen Thema.

Ich vermute, man muss unterscheiden zwischen einer Art "musikalischen Notation" und einer Art "technischen Notation".
Die technische Notation spiegelt genau wieder, wie lange welcher Ton "gedrückt" werden soll - was nicht unbedingt
dem musikalischen Gedanken entspricht. Bei den insbesondere im Pop-Bereich üblichen arpeggierten Achtel-Akkorden in
der linken Hand als Begleitschema (Grundton-Quinte-Terz in weiter Lage) soll der Grundton ja schließlich auch länger
klingen als nur eine Achtel lang.

Ich habe mal ein wenig geschaut und einige Beispiele gefunden, bei denen die linke Hand "technisch" ungreifbar notiert
ist. Z. B. die Barcarole op. 2 von Ivan Laskovsky.
Der in meinem angehängten Notenbeispiel rot markierte Takt ist m. E. definitiv so wie er dort notiert ist, nicht greifbar.
Das tiefe Cis im Bass kann nur durch das Pedal drei Achtel lang klingen - nicht jedoch dadurch, dass es drei Achtel
lang gegriffen wird.
Durch das Pedal werden jedoch auch die einzelnen Achtel-Noten in diesem Takt länger klingen als notiert.

Es scheint also eine zwei-stimmige Notierung zu sein, die dem Spieler vermittelt, wie es idealerweise klingen soll.
Jedoch kann man sich durch die technische Beschaffenheit des Klavieres dem nur annähern.
In einer anderen Instrumentierung (Ensemble) wäre es hingegen kein Problem, diesen musikalischen Gedanken so
wiederzugeben wie notiert.

Ich bin mir nicht ganz sicher, dafür fehlt mir der Überlick, aber ich glaube, dass diese Form der "musikalischen Notierung"
heutzutage aus der Mode geraten ist - wahrscheinlich, weil sie irritiert.
Zudem scheint es auch ein Klavier-Phänomen zu sein, denn ich kann mich aus dem Stegreif an keine Noten für
z. B. Streichinstrumene erinnern, in denen "technisch ungreifbares" notiert ist.Beispiel.JPG
 
Durch das Pedal werden jedoch auch die einzelnen Achtel-Noten in diesem Takt länger klingen als notiert.
Ja, das ist überall, wo Pedal verwendet wird, der Fall - und die Verlängerung der Notenwerte wird nicht notiert.
Klaviernoten, in welchen die realen Tondauern durch Pedalnahme notiert wären, würde man als unlesbar wahrnehmen: Betz zeigt das in seinem Pedalbuch am Beispiel von Chopins op.25,12.

Zahllose romantische Klaviersachen wären ohne Pedal nicht nur unspielbar, sondern auch scheußlich ;-)
 
Ja, das ist überall, wo Pedal verwendet wird, der Fall - und die Verlängerung der Notenwerte wird nicht notiert.

Richtig - und es zeigt, dass die Klaviernotation nicht "absolut" oder "klingend" ist, im
Gegensatz zu der Notation vieler anderer Instrumente.
Was aber eben auch zu dem Effekt führt, dass teilweise Dinge notiert werden, die,
(wie in meinem Notenbeispiel) nur annäherungsweise auf dem Klavier so klingen können wie notiert:
Entweder ist der Bass-Ton zu kurz, oder die Achtel sind zu lang.
Aber genau das, was dort steht, wird man "klingend" auf dem Klavier niemals spielen können.

Zahllose romantische Klaviersachen wären ohne Pedal nicht nur unspielbar, sondern auch scheußlich ;-)

Das stimmt!
Der Pedal erfüllt viele verschiedene Funktionen.

Dichler lesen!
Dort ist der klavierspezifische Unterschied von technischer und musikalischer Notation erschöpfend erklärt!

Oh, guter Tipp, da werde ich sicher mal reinschauen!
Aber offenbar lag ich mit meiner Theorie "technische" und "musikalische" Notation nicht so verkehrt.

Wird denn heutzutage überhaupt noch "musikalisch" auf dem Klavier notiert, oder ist es tatsächlich aus genannten
Gründen nicht mehr zeitgemäß?
Mit der Notierung zeitgenössischer Klavierwerke kenne ich mich kaum aus - aber zumindest im Jazz-, Pop- oder
NeoClassical-Bereich (was man im Internet an Noten so findet) scheint man die "musikalische" Notierung nicht
mehr anzutreffen.
 
Aber genau das, was dort steht, wird man "klingend" auf dem Klavier niemals spielen können.
das ist aber in diesem Beispiel (und in zahllosen anderen) auch nicht vorgesehen - die Notation ist da eine Art Stenografie, die man verstehend und instrumentbezogen entschlüsseln muss; Liszt: "verständiger Pedalgebrauch wird vorausgesetzt"
 
das ist aber in diesem Beispiel (und in zahllosen anderen) auch nicht vorgesehen - die Notation ist da eine Art Stenografie, die man verstehend und instrumentbezogen entschlüsseln muss; Liszt: "verständiger Pedalgebrauch wird vorausgesetzt"

So habe ich es vermutet.
Aber das scheint tatsächlich ein Klavier-Phänomen zu sein (vielleicht noch Harfe oder Gitarre?) - jemanden, der z. B. ausschließlich Geigen-Noten gewohnt ist, würde das vollkommen irritieren.
 
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denn ich kann mich aus dem Stegreif an keine Noten für
z. B. Streichinstrumene erinnern, in denen "technisch ungreifbares" notiert ist.
Jeder drei- oder vierstimmige Akkord ist auf einem Streichinstrument nicht so spielbar, wie es das Notenbild vermuten lässt. Und die Solo-Literatur ist voll davon. Insofern wundert mich diese Aussage doch ein wenig…
 
Jeder drei- oder vierstimmige Akkord ist auf einem Streichinstrument nicht so spielbar, wie es das Notenbild vermuten lässt. Und die Solo-Literatur ist voll davon. Insofern wundert mich diese Aussage doch ein wenig…
Bzgl. Akkorden hast Du vollkommen Recht, das stimmt!
Rein rhythmisch müssen mehr als zweistimmige Klänge / Akkorde auf Streichinstrumenten gebrochen / arpeggiert werden, das ist natürlich
richtig (somit bezieht sich die notierte länge eines Akkordes immer auf die Länge des Gesamtakkordes und nicht auf die Länge seiner einzelnen
Töne) - aber es ist (im Gegensatz zum Klavier) bei grundsätzlich allen mehr als zweistimmigen Klängen so.
Die Frage nach "arpeggiert oder nicht?" kommt also niemals auf.
Und es sind alle (zumindest alle die, die mir gerade einfallen) Akkorde so, wie sie notiert sind, stets greifbar (linke Hand).


Ich vermute aber, die Notierung von Akkorden auf Streichinstrumenten ist in der Hinsicht zwar sicher auch irgendwo "musikalisch" (und
nicht "technisch"), aber in erster Line ganz pragmatisch für die optische Übersichtlichkeit.

Spannendes Thema...! :)
 
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