gibt doch zig Fäden auf clavio zu den Werken männlicher Komponisten: Hayn, Beethoven, Rachmaninoff, Scriabin, Händel, Bach, usw. usf.
Es ging hier - mit deinen Worten - um
nicht sonderlich außergewöhnlich gelungenen Werke
männlicher Komponisten. In dieser Kategorie tummeln sich eher andere Gestalten als die von dir Genannten.
Dennoch ist das gar nicht der eigentliche Punkt. Ein Werk emanzipiert sich in dem Moment von seinem Schöpfer, in dem es der Öffentlichkeit übergeben wird. Es muss ab diesem Moment für sich allein bestehen. Unter welchen Umständen es entstanden ist, welches Geschlecht, welche Weltanschauung oder welchen Charakter sein Schöpfer hatte, spielt keine Rolle mehr.
Man mag sich mit solchen Fragen beschäftigen, sicher hat das auch einen historischen Wert - aber eben keine künstlerische Bedeutung.
Drehen wir es doch einfach mal um: Schmälert es die Bedeutung des Tristan als
das Schlüsselwerk der Spätromantik schlechthin, wenn man weiß, dass Wagner ein opportunistischer, antisemitischer und narzisstisch veranlagter weißer Mann war - sozusagen der Prototyp des Toxischen?
Wenn nicht - warum soll man dann das Werk einer vermutlich benachteiligten Komponistin des 18. oder 19. Jahrhunderts auf's Podest heben, obwohl es - aus verständlichen Gründen wohlgemerkt! - die künstlerische Qualität der großen Meister nicht erreicht? Mit dem mittelmäßigen Stück eines der zahllosen heute vergessenen männlichen Komponisten dieser Zeit tut man das ja auch nicht. Und auch die waren nicht alle privilegiert, nicht einmal die Besten waren es. Eine aus reicher, gebildeter Familie stammende Fanny Hensel hatte wohl weniger Möglichkeiten als ihr Bruder. Aber mit Sicherheit bessere Voraussetzungen als ein gewisser Franz Schubert.
Klar ist natürlich, dass viele Werke von herausragenden Frauen aus dem einfachen Grund gar nicht erst entstanden sind, weil sie als Frauen keine Möglichkeiten hatten, ihr Talent zu entwickeln. Das ist bedauerlich - aber man schafft keine nachträgliche Abhilfe, indem man sich nun mehr oder weniger unkritisch auf die verhältnismäßig wenigen Werke stürzt, die trotz aller Widrigkeiten aus vergangenen Jahrhunderten überliefert sind. Viel sinnvoller wäre es, neugierig auf das zu sein, was neu entsteht - und da braucht es zum Glück keine geschlechtliche Markierung. Frauen haben heute dieselben Möglichkeiten wie Männer - manchmal sogar bessere, weil es in etlichen öffentlich finanzierten Bereichen eine explizite Frauenförderung gibt. Von einer Männerförderung habe ich hingegen noch nie gehört.