Werden KL auf sowas vorbereitet?

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AuroraBorealis

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Hallo Clavios,

Infinity hat im Flüchtlingsfaden etwas geschrieben, was mich beschäftigt hat:

Wer also mit der Musik die Seele öffnet, der muss auch bereit und fähig sein, mit den Kaskaden von Emotionen und Erinnerungen, die unkontrolliert hochkommen können, umzugehen und für Stabilisierung zu sorgen. Sonst wird den Menschen ihre Handlungsfähigkeit genommen.

Werden KL in der Ausbildung eigentlich nur didaktisch geschult? Oder lernen sie auch mit den Emotionen der Schüler umzugehen? Kann Empathie überhaupt unterrichtet werden? Oder hat man die von der Erziehung mitbekommen oder durch Lebenserfahrung?

Wie gehen KL, wie geht Ihr KL damit um, wenn jemand plötzlich wie ein Häufchen Elend auf dem Klavierhocker sitzt und in Tränen ausbricht? Oder wenn jemand einen Wutanfall kriegt?

Bin neugierig auf Eure Antworten.

Beste Grüße
Aurora
 
Ich weiß nicht, inwiefern man sowas lehren kann - aber ich denke, jeder Mensch ist irgendwo empathisch.

Ich bin sicher, dass es nicht so ist. Wäre jeder Mensch empathisch, dann gäbe es weder (vorsätzliche) Gewaltverbrechen noch Stalking oder Mobbing etc..

Meines Wissens gehört das Lernen von Empathie nicht zum Medizinstudium und findet dort nur am Rande Erwähnung. Dass lässt vermuten, dass das Erwerben von Empathie im Musikstudium ebenfalls kein Thema ist.

Wer nicht über die Schlüsselkompetenz Empathie verfügt, wird vermutlich keinen Beruf ergreifen wollen, in dem er mit Menschen zu tun hat denen er recht nahe kommt. Die Empathiefähigkeit der/des KL hat einen positiven Einfluss auf den Lernerfolg der Schüler. Ich denke, dass sie mit der Erfahrung wächst, denn KL „lernen“ auch von ihren Schülern (nämlich damit angemessen umzugehen) wenn diese die Kontrolle über ihre Gefühle verlieren.
 
Tod eines nahen Menschen (der zwei Wochen vorher gestorben war). Jedenfalls haben wir ein paar Minuten einfach drüber geredet und mir war es danach deutlich besser gewesen.

Es tut mir leid, dass Du einen Angehörigen verloren hast. :-(

Was Du beschreibst, ist allerdings "nur" die normale Trauer, die ich um Himmels Willen dadurch nicht kleinreden möchte!!! Auch "normale" Trauer ist schrecklich, sie gehört allerdings zum emotionalen Spektrum eines "psychisch gesunden" Menschen (auch Tieres), sie fordert ihre Zeit der Verarbeitung und ist normalerweise irgendwann überwunden (Stichwort Trauerphasen).

Jemand, der kein Psychopath ist (also jemand, der der Empathie fähig ist, und das sind glücklicherweise die meisten), reagiert auf die Trauer von anderen mit Mit-Leid, das mehr oder weniger geschickt rübergebracht wird (an dieser Stelle kann man vielleicht ansetzen - sich ein paar grundsätzliche Handlungsoptionen aneignen, wie z. B. die Betroffenen in den Arm zu nehmen oder Ähnliches).


Depression oder gar PTBS hingegen sind anerkannte schwere Krankheitsbilder, die therapiebedürftig sind. Ein*e KL ist eo ipso damit überfordert. Dafür werden KLs nicht ausgebildet (ebenso wenig wie Reit-, Tennis-, Golf- oder Nachhilfelehrende etc.), und es ist auch nicht ihr Job.

Also bleibt, wenn man zufällig Zeuge einer Krise wird, nur der mehr oder weniger hilflose Versuch, die Situation adäquat zu meistern (Beruhigung). Falls man Zweifel an der Stabilität des/der Betroffenen hat, sollte man den/diejenige lieber nicht allein nach Hause schicken, sondern evtl. Angehörige/enge Freunde mobilisieren (lassen) oder schlimmstenfalls (falls die Krise eskaliert und außer Kontrolle zu geraten droht) ad hoc medizinische Hilfe ordern.
 
Ich wünsche dir und natürlich auch deiner Freundin alles Gute!

Danke @Schimmelchen - kann meine Freundin gebrauchen. Du hast wahrlich einen Beruf, der Einfühlungsvermögen und mentale Kraft erfordert.

Schade, dass sich nur zwei KL (@hasenbein, @Stilblüte) gemeldet haben. Rastaman kann ich mir nicht als KL vorstellen bei den Beiträgen. Aber vielleicht ist Infinity einer. Wenn ich nichts überlesen habe gibt es bisher leider nur Vermutungen.
 
Wer nicht über die Schlüsselkompetenz Empathie verfügt, wird vermutlich keinen Beruf ergreifen wollen, in dem er mit Menschen zu tun hat denen er recht nahe kommt. Die Empathiefähigkeit der/des KL hat einen positiven Einfluss auf den Lernerfolg der Schüler. .

Da habe ich leider andere Erfahrungen gemacht. Die Motivation eine bestimmte berufliche Laufbahn einzuschlagen ist sehr vielschichtig.

Berufliche Kompetenz beruht auf auf der Fähigkeit die Balance zwischen Identifizierung und Distanzierung zu halten. Gelingt dieses nicht, sind positive Erfolgsaussichten unrealistisch.
 
@Tastenscherge
nein, bin ich nicht. Ich arbeite auf einer Palliativstation.
Ein wundervolle Tätigkeit, bei der man jeden Tag am Wunder Mensch wachsen und von ihm lernen kann.
 
Verstehe ich nicht. Wem soll das denn reichen, dem Schüler oder dem Lehrer? Und warum vortäuschen, Mitgefühl (nicht Mitleid) habe ich in solchen Momenten von Natur aus.
Dem Leidenden ist es eine Hilfe weil er den Unterschied nicht merkt. Dem Mitleid-Vortäuschenden erspart es, sich in alles Elend in seiner Umgebung hineinzufühlen. Für die Situationen in denen das Mitgefühl vorhanden ist, braucht man sowieso keinen speziellen Plan.

Ob man das Mitgefühl nennt, wenn man das Leid des Betroffenen mit ihm fühlt oder Mitleid weil man mit ihm leidet macht für mich keinen Unterschied.
 
Dem Leidenden ist es eine Hilfe weil er den Unterschied nicht merkt. Dem Mitleid-Vortäuschenden erspart es, sich in alles Elend in seiner Umgebung hineinzufühlen. Für die Situationen in denen das Mitgefühl vorhanden ist, braucht man sowieso keinen speziellen Plan.

Ob man das Mitgefühl nennt, wenn man das Leid des Betroffenen mit ihm fühlt oder Mitleid weil man mit ihm leidet macht für mich keinen Unterschied.

Da fällt mir ein, dass ich mal einen Streit mit einem Exfreund hatte, weil er (= generell schon ziemlich arrogant in vielerlei Hinsicht und höchst kompetitiv....) in einer für mich blöden Situation in väterlichem Tonfall meinte, er hätte "schon ganz arg Mitleid" mit mir.

Vielleicht bin ich da eine Ausnahme, aber für mich sind die Ausdrücke "Mitleid" und "Mitgefühl" schon mit anderen Emotionen und Denkmustern assoziiert.
- Mitleid: Ich leide zwar schon auch "mit", allerdings aus einer anderen, eher überlegenen Position heraus. Beispielsweise hat man gern "Mitleid" mit hungernden Kindern oder scheiternden Menschen (diese Situationen appellieren an das eigene Gerechtigkeitsempfinden, weil man merkt, wie viel besser es einem selbst geht). Zudem wird "Mitleid" auch hin und wieder negativ konnotierend verwendet; je nach Tonfall ist "Ich habe einfach nur Mitleid mit Dir!" eine ziemlich schlimme Beleidigung. Diese zusätzliche negative Konnotation existiert bei "Mitgefühl" nicht.
- Mitgefühl: Ist für mich eher ein "in - den - anderen Hereinfühlen" auf Augenhöhe mit gegenseitigem Respekt.

Sorry mal wieder fürs Off Topic ;)
 
Schade, dass sich nur zwei KL .... gemeldet haben.

Ob es nun so ist haben die zwei nicht geschrieben. Ich könnte das Schweigen ja verstehen wenn ich gefragt hätte: "Wieviel kostet euer Klavierunterricht?". Oder: "Wie viele Schüler habt Ihr eigentlich?" Oder: "Wieviel verdient Ihr für einen Auftritt?" Ist die Ausbildung der KL denn ein Tabu an dem ich gekratzt habe? Kapier ich nicht wirklich. Könnt Ihr Euch bitte dazu durchringen zu antworten - diese Frage interessiert mich wirklich (wegen meiner Freundin Ursula, wir haben uns darüber unterhalten und sind steckengeblieben)? Ein schlichtes ja oder nein auf meine Frage wäre doch genug.

@ag2410
@walsroderpianist
@Stephan
@Stilblüte
@koelnklavier
@hasenbein
@rolf
 
Also, ich bin nicht dafür qualifiziert, emotional aufwühlende Dinge mit meinen Schülern zu "bearbeiten" oder gar zu therapieren.
Sicher jammern manche über die Schule, oder erzählen etwas, das sie beschäftigt. Da redet man kurz, und dann ist wieder der Unterricht im Vordergrund. Das ist für die Schüler dann auch positive Ablenkung.
Aber ich bin nicht die Therapeutin für psychisch belastende Probleme, das kann ich nicht sein. Ich bin in erster Linie Lehrerin.
Natürlich gibt es Klavierstücke, die die Schüler berühren, aber in meinem Unterricht hat noch keiner geheult. Es gab und gibt Frustration wegen Prüfungssstücken, aber das ist etwas anderes.
Wenn jetzt ein Schüler aufgrund eines berührenden Stückes einen Nervenzusammenbruch bekäme, weil zB. etwas aus der Kindheit "hochkocht", würde ich umgehend die Eltern kontakten. Natürlich den Schüler trösten, aber niemals die Laienpsychologin oder Laientherapeutin spielen. Ich bin ein empathischer Mensch, aber auch selbstkritisch genug, um zu wissen, was ich leisten kann, und was nicht.

Zufrieden? ;-)

(Ich habe als Jugendliche damals ein paar dramatische Dinge erlebt, aber wäre niemals auf die Idee gekommen, mich bei meiner KL, die ich wirklich sehr gern hatte, auszuheulen.)
 

@ag2410
Danke für Deine Antwort. Mir ist klar, dass KL nicht therapieren können und sollen. Das erwarte ich ja garnicht von denen. Aber Einfühlsamkeit sollten sie haben.

Ich habe in meiner Vorstellung geschrieben, dass meine Freundin Ursula wegen gesundheitlichen Gründen aufgehört hat. Sie wollte ihr Klavier nicht mehr und hat es mir überlassen. Aber sie kann es jederzeit zurückhaben. Sie hat nicht wegen einer Verletzung oder so aufgehört, sondern weil sie nicht mehr wollte, weil sie Schmerzen hatte, viele in den Händen. Also, sie war beim Unterricht, es lief alles ganz wie üblich, der KL hat was erklärt. Plötzlich bekommt Ursula Herzrasen und Schweißausbrüche. Liegt aber nicht am Klimakterium, das hat sie noch nicht. Sie war wegen irgendwas plötzlich total aufgeregt und der KL hat gefragt was los ist. Ursula hat gesagt, sie fühle sich nicht gut, muss kurze Pause machen. Der KL hat gesagt, dass nichts passiert sei und es kann darum nicht so schlimm sein. Ursula sind die Tränen gekommen, sie hat aber nicht geweint, nur halt die Tränen. Sagt der KL, sie soll sich nicht so anstellen, es sei doch nichts passiert. Irgendwas ist aber passiert - Ursula weiß aber nicht warum sie sich so aufgeregt hat. Seitdem hat sie kein Klavier mehr angerührt. Ich fand die Reaktion (wie sie das beschrieben hat) vom KL nicht passend, kein Mitgefühl, keine Einfühlungsgefühl. Darum habe ich gefragt, ob KL lernen auf unerwartete Reaktionen von Schülern reagieren zu können.
 
Um im Falle Deiner Freundin "richtig" reagieren zu können, hätte der Klavierlehrer Ahnung von "psychischer erster Hilfe" haben müssen. Und das lernt man in kaum einer pädagogischen Ausbildung... Zumindest vor 20 Jahren war das noch überhaupt kein Thema... auch wenn wir einen Prof hatten, der ein Faible für Psychologie hatte und uns einiges dazu beigebracht hat.
 
Aurora, Deine Frage kann ich mit "nein" beantworten (ich weiß es von einer KL, die ihr Fach studiert hat). Lebenserfahrung und Empathie sollten es KL (wie eigentlich jedem Menschen) ermöglichen, angemessen auf unerwartete Reaktion der Schüler (Menschen) reagieren zu können.

Was Du von Deiner Freundin schilderst (besonders Schmerzen in den Händen) erinnert mich an meine Schwägerin. Sie hat eines Tages ohne erkennbaren Grund Schmerzen bekommen, hauptsächlich in den Händen und Unterarmen. Sie konnte kaum noch ein Glas festhalten ohne Schmerzen zu haben. Ich habe sie gefragt, ob es etwas gibt, das sie nicht "anpacken" will. Oder ob es Tätigkeiten gibt, die sie machen muss aber nicht will. Schmerzen die Hände, dann kann man diese unliebsamen Tätigkeiten nicht machen und hat sie sich erstmal vom Hals geschafft. Erstmal....

Ich habe meiner Schwägerin damals geraten eine Psychotherapie zu machen um herauszufinden was mit ihr (und in ihr) los ist. Sie hat es gemacht, sie hat erfahren was die Hintergründe für ihre Schmerzen gewesen sind. Diese ließen immer mehr nach und waren irgendwann wieder verschwunden.

Die Reaktion Deiner Freundin lässt mich vermuten, dass der KL sie irgendwie "getriggert" und/oder ein Déjà-vu ausgelöst hat. Und ich denke, dass ihr nicht damit geholfen ist, das Klavier wegzugeben und auf etwas zu verzichten, dass ihr anscheinend Freude bereitet. Und, dass sie vielleicht herausfinden sollte, warum sie das Klavier weggegeben hat (es war ja anscheinend eine Reaktion auf den Vorfall im Unterricht). Zu wissen, dass Du Deiner Freundin das Instrument jederzeit zurückgeben würdest, falls sie danach fragt, ist sicherlich ein guter Anfang.
 
Und, dass sie vielleicht herausfinden sollte, warum sie das Klavier weggegeben hat (es war ja anscheinend eine Reaktion auf den Vorfall im Unterricht).

...ich weiß nicht, ob ein Gespräch mit dem KL bereits stattgefunden hat, aber ich würde an dieser Stelle vielleicht auch versuchen, den Vorfall mit ihm zu klären.

@AuroraBorealis

...kann sein, dass der KL wenig Mitgefühl hatte... genauso gut kann es aber auch sein, dass er im ersten Moment mit der Reaktion seiner Schülerin überfordert war und deshalb nicht wusste, wie er mit ihr umgehen soll. Ich würde nicht jedem, der nach außen hin "hart oder emotionslos" reagiert, sofort Empathielosigkeit unterstellen... manchmal ist es auch einfach nur Überforderung oder Unsicherheit.

Ich wünsche deiner Freundin auf diesem Wege alles Gute und hoffe, dass sie sich bald wieder ans Klavier traut und musiziert :-)
 
@AuroraBorealis
Die Reaktion war für sie nicht ideal, aber hast du daran gedacht, dass er mit der Situation überfordert war? Wie soll man reagieren, wenn ein Schüler von jetzt auf dann, ohne "Grund", in Tränen ausbricht? Er hat durch seine sachliche Art möglicherweise versucht, sie wieder auf den Boden zu bringen. Ich werde ihn sicher nicht verurteilen.
Schweissausbrüche und Herzrasen können Anzeichen einer Panikattacke sein.
LG Antje
 
Antje - in Tränen ausgebrochen ist sie nicht, sie hat nicht wirklich geweint, waren nur feuchte Augen. Was heißt "nur", passiert ja nicht ohne Grund.

Habe mit Ursula lange über Eure Beitrage und den Vorfall geredet. Sie hat viel darüber nachgedacht, und was geträumt, sie ahnt, was wegen dem Klavier hochgekommen ist. Es ist eine Bestätigung von einem Verdacht, den sie schon länger hat.

Möchte mich auch im Namen meiner Freundin für Eure Beiträge bedanken.
 

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