Werden KL auf sowas vorbereitet?

  • Ersteller des Themas AuroraBorealis
  • Erstellungsdatum

AuroraBorealis

AuroraBorealis

Dabei seit
7. Aug. 2015
Beiträge
81
Reaktionen
54
Hallo Clavios,

Infinity hat im Flüchtlingsfaden etwas geschrieben, was mich beschäftigt hat:

Wer also mit der Musik die Seele öffnet, der muss auch bereit und fähig sein, mit den Kaskaden von Emotionen und Erinnerungen, die unkontrolliert hochkommen können, umzugehen und für Stabilisierung zu sorgen. Sonst wird den Menschen ihre Handlungsfähigkeit genommen.

Werden KL in der Ausbildung eigentlich nur didaktisch geschult? Oder lernen sie auch mit den Emotionen der Schüler umzugehen? Kann Empathie überhaupt unterrichtet werden? Oder hat man die von der Erziehung mitbekommen oder durch Lebenserfahrung?

Wie gehen KL, wie geht Ihr KL damit um, wenn jemand plötzlich wie ein Häufchen Elend auf dem Klavierhocker sitzt und in Tränen ausbricht? Oder wenn jemand einen Wutanfall kriegt?

Bin neugierig auf Eure Antworten.

Beste Grüße
Aurora
 
Und obwohl ich erst kurz dabei bin, ist ganz klar: Ein Klavierlehrer ist mindestens genauso ein "Therapeut", wie ein guter Freund es auch ist.
Irgendjemand hat glaube ich mal im Forum sinngemäß etwas geschrieben, was ich seitdem nie mehr vergessen habe:
Wann beschäftigt sich jemand so regelmäßig und ausschließlich mit einer Person, eine Stunde lang in der Woche, und ist nur für dessen Bedürfnisse und Fragen da?
Das tut nur ein Lehrer im Einzelunterricht, und wenn man nicht gerade über Jahre hinweg Mathenachhilfe nimmt, ist das halt häufig ein Instrumentallehrer.
Noch dazu geht es um sensible Dinge, die die Persönlichkeit betreffen (eigener Ausdruck und eigene Fortschritte).
Es ist klar, dass da auch immer persönliche Aspekte aus dem Alltag thematisiert werden, beim anderen mehr, beim anderen weniger. Und als Gegenüber wird man dann meistens nicht stumm dasitzen und nicht reagieren, kommentieren oder wenigstens zur Kenntnis nehmen - schon hat man das "Therapeutenverhältnis" was immer benannt wird. Gleichzeitig ist der Klaiverlehrer nämlich auch eine außenstehende Person, die u.U. niemanden aus den Erzählungen kennt, und hat damit sozusagen eine "automatische" Schweigepflicht. Wieso nicht nach Herzenslust erzählen...
Und Kinder sagen ja sowieso immer die Wahrheit und kennen auch keine Scheu oder Scham. Ich hab schon unfreiwillig Sachen gesehen bzw. unter die Nase gehalten bekommen, das darf ich gar nicht erzählen... :-D

Irgendwann wäre es mal Zeit für ein anonymes Selbstzeugnis
"Entschuldigung, ich habe nicht geübt weil... - Aus dem Leben eines Klavierlehrers."
 
Wann beschäftigt sich jemand so regelmäßig und ausschließlich mit einer Person, eine Stunde lang in der Woche, und ist nur für dessen Bedürfnisse und Fragen da?
Das tut nur ein Lehrer im Einzelunterrich
Och da gibt´s auch noch ne andere Berufsgruppe. :-D
Aber denen wird ja auch nachgesagt, dass sie Therapeuten sind. :-D

Ach Mist, Rastaman hat´s ja schon erwähnt....ganz übersehen.
 
@aurora borealis
Ich arbeite auf einer Palliativstation, ich kann Traumata schon ganz gut einschätzen.
Es tut mir allerdings leid, das ich mit meinem posting bei dir anscheinend einen wunden Punkt getroffen habe. Ich wünsche dir und natürlich auch deiner Freundin alles Gute!
 
Wie schlecht muss der Unterricht sein ? Oder meinst Du, wenn die Klavierlehrerin sie abblitzen lässt ?
Ich fuerchte, du hast keine Vorstellung, wie hoch der Druck und Anspruch bei Musikern (und anderen Kuenstlern so wie Sportlern, Taenzern und anderen Wettbewerbsfaechern) da ist, wo die Luft duenn wird. Und zwar nicht von aussen, sondern von innen.
 
Irgendwann wäre es mal Zeit für ein anonymes Selbstzeugnis
"Entschuldigung, ich habe nicht geübt weil... - Aus dem Leben eines Klavierlehrers."

Reichlich off-topic, aber das erinnert mich an das wunderbare Plakat, das in einem der Räume unserer Musikschule hängt:

"Ich habe nicht geübt, weil ..."

Neben so netten Einfällen wie "Ich habe nicht geübt, weil die Katze mein Aufgabenbuch gefressen hat" findet sich auch:
"Ich habe nicht geübt, weil ich vergessen habe, wo das Klavier steht." Mein absoluter Favorit!
 
Hi,

Auch der beste Freund sollte nicht versuchen, zu therapieren, das führt zu Co-Abhängigkeit. Der beste Freund sollte versuchen, ein informierter, empathischer bester Freund zu sein.

Das Forum ist zwar nicht der richtige Ort, um in die Tiefe zu gehen, aber groß erklärt und auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Ich sehe hier das Zitat nicht im Kontext zum Flüchtlingsfaden, sondern beziehe die Worte auf einheimische Schüler. Denn da kann das Zitat auch zutreffen. Schüler wie Du und ich können auch schlimme Sachen erlebt haben: Eheliche Gewalt, schlagende Eltern, Einbrecher, sexueller Missbrauch von Kindern und Erwachsenen, Todesfälle, schwere Unfälle mit Toten und Verletzten und was auch immer.

Viele wissen aber nicht, dass da was in ihnen frisst, sie haben es ins Unterbewusstsein gedrängt. Und es ist bekannt, dass Therapeuten ihre Patienten mit genau diesen „Gefahrensituationen“ konfrontieren damit die Patienten merken, dass ihnen nicht schon wieder passiert, was ihnen damals passiert ist. Jede solcher "Gefahrensituationen" ist doch eine Chance für Betroffene und Psychotherapeuten, da anzusetzen.

Bei Einheimischen hätte ich mich etwas anders ausdrückt, auch wenn es das Problem natürlich auch dort gibt.

Die Regel bei Traumatherapie lautet Stabilisierung vor Konfrontation. Bei der Konfrontation bestimmt der Klient, wie weit er gehen möchte und was er verkraften kann, und es gibt auch Methoden und Vorgehensweisen, um eine völlige Destabilisierung vorzubeugen.

Auch ein Traumatherapeut wird nicht wahllos konfrontieren, sondern sicherstellen, dass es keine Kontraindikation gibt. Wenn z.B. ein Kind noch Kontakt zu den schlagenden Eltern hat und mit ihnen klarkommen muss, wird der Therapeut nicht versuchen, an Erinnerungen zu kratzen.

Sie wusste nicht warum, die KL war total perplex. Das ist dann öfter passiert Ursula hatte richtig Angst vor den Ausbrüchen die sie ihrer KL nicht zumuten wollte. Dann hat Ursula eine Psychotherapie gemacht. Ihre KL @Schimmelchen hat es sich „angetan“ sie weiter zu unterrichten. Sei wollte Ursula nicht fallen lassen nur um ruhigeren Unterricht zu haben.

In dem Falle macht die Klavierlehrerin den Unterricht weiter. Was toll ist.

Falsch wäre es, wenn die Lehrerin in so einer Situation die Möchtegern-Therapeutin gespielt hätte und die Schülerin wegen des Traumas ausgefragt hätte, oder (Beispiel) wenn die Lehrerin bestimmt hätte, dass man jetzt im Unterricht vermehrt Stücke über Liebe spielen müsste, um den Missbrauch durch den Vater zu verarbeiten. (Anders wäre es, wenn die Schülerin das Stück selbst spielen will, und es kann natürlich auch vorkommen, dass irgendein Stück zufällig und unbeabsichtigt irgendwelche Erinnerung auslöst.)

Der grundsätzliche Unterschied zwischen Unterricht und Therapie ist, dass der Unterricht in erster Linie drauf zielt, dass man Klavierspielen lernt (auch wenn es auch weitere positive Nebeneffekte geben kann), die Therapie will heilen (die Musik ist hier Mittel zum Zweck).

Beispiel: Lehrer/Therapeut und Schüler/Klient spielen vierhändig am Klavier, der Schüler/Klient kann den Takt nicht halten. Der Lehrer wird versuchen, den Schüler so zu begleiten, dass er lernt, im Takt zu spielen (z.B. in dem er den Takt hält, auch wenn dann der Schüler dadurch rauskommt). Der Therapeut wird überlegen, was das für den Klient bedeutet, was der Klient momentan braucht und z.B. sich dafür entscheiden, sich beim Begleiten dem Klienten anzupassen, damit er körperlich spüren kann, dass er bedingungslos angenommen wird.

Dazu muss man auch sagen, dass auch der Lehrer den Unterricht einfühlsam oder unempatisch machen kann. In dem Beispiel oben hat er die Wahl zwischen "bist Du zu blöd, um den Takt zu halten?" und "das schaffen wir zusammen, das machst Du schon viel besser als letzte Woche!"
 
Und meiner: Warum dauern Pausen bei den Bandproben maximal zwanzig Minuten? Ist doch klar. Sonst müsste man den Schlagzeuger jedesmal neu anlernen!!!
smilie_happy_309.gif
smilie_happy_309.gif
smilie_happy_309.gif
smilie_happy_309.gif

Das war der heutige gespielte Witzzzz. Wünsche viel Vergnügen gehabt zu haben!

LG von Rheinkultur
 

Liebe Stilblüte, herzlichen Dank für die Einblicke, die du uns als KL gewährst. Ich finde das sehr interessant einmal die "andere" Seite zu betrachten.
Zitat von Stilbluete:
Wann beschäftigt sich jemand so regelmäßig und ausschließlich mit einer Person, eine Stunde lang in der Woche, und ist nur für dessen Bedürfnisse und Fragen da?
Das tut nur ein Lehrer im Einzelunterricht,
Bei Erwachsenen: So sollte eigentlich jede gute Partnerschaft funktionieren! Und tiefe Freundschaften würde ich da auch nicht ausschließen wollen.
Bei Kindern: Da würde ich die Eltern in dieser Position sehen.
Sicherlich in allen Fällen ohne Tic-Tac Zählerei, also nicht wie beim KL in festgelegten 30 /45 oder 60 Minuten. Aber das ist ja auch gut so.

Leider ist die Welt nicht so perfekt, wie ich sie jetzt darlege. Vielen Menschen fehlt eine gute Partnerschaft, Freundschaft oder sich kümmernde Eltern.
Ich habe es noch nie von dieser Warte aus gesehen, das die KLs da in gewisser Weise ein Ersatz sind. Das macht euren Beruf sicherlich nicht einfacher.
 
Ja, das ist lustig -- wie du uns hier vorführst, daß du noch nie in einer Band gespielt hast
smilie_happy_309.gif
Da muss ich Dich leider enttäuschen, das habe ich vermutlich häufiger als Du getan. Am Sonntag werde ich bei einem Konzert eines großen Männerchores mit einer Bigband als Teil derselben an den Tasten sitzen, während Du Dir zu Hause die soundsovielte Ladung Gras reinziehst oder über der zweihundertsiebenundachtzigsten Variation Deines "Kuckucks" brütest.

Dabei frohes Schaffen wünscht

Rheinkultur
 
Das passt leider nicht mit deinen dumpfen Voruteilen zusammen -- dürfte also falsch sein. Daß der Drummer keinen Bock hat, mit deinem behäbigen Männerchor zu spielen, kann ich gut verstehen -- da stellt man sich halt einfach mal doof ;-) Frohes Schaffen noch mit deinem Männerchor (hat bestimmt voll Groove -- also, was du dir halt darunter so vorstellst
smilie_happy_309.gif
)
Dass Du selber dumpfe Vorurteile artikulierst, hast Du ja selbst dokumentiert, indem Dir leider das Lesen und Verstehen meines Beitrags gründlich misslungen ist. Zum einen ist die Bigband als Gast des nicht von mir geleiteten Männerchors gebucht, zum anderen wird der von Dir als "behäbig" abqualifizierte Männerchor natürlich nicht mit Bandbegleitung "Ännchen von Tharau" singen. Und dass "unser" Drummer nicht der aus dem gespielten Witzzzz ist, dürfte wohl auch klar sein. Aber wenn man von der ersten bis zur letzten Sekunde mit dem Krieg gegen das Bildungsbürgertum beschäftigt ist, klappt es eben nicht mehr so richtig mit der Detailwahrnehmung. Das hat allerdings den Vorteil, dass man sich das Doof-Stellen sparen kann. In diesem Sinne schönes Wochenende - egal ob mit Kuckucks-Variationen oder dick gerauchter Birne... .

LG von Rheinkultur (der ab jetzt keinen Bock mehr zum Antworten hat)
 
Vielleicht kam das falsch rüber - ich meine ja gerade eine Person, die außerhalb des engeren Personenkreises steht, also eben nicht Eltern, Geschwister oder enge Freunde. Natürlich sind die zum Reden und Behüten da, aber eine außenstehende Person, die mit dem eigenen Dunstkreis nicht so viel zu tun hat, ist oft besonders wertvoll (das merkt man, wenn man gute Freunde in anderen Städten hat).
 
Reichlich off-topic, aber das erinnert mich an das wunderbare Plakat, das in einem der Räume unserer Musikschule hängt:

"Ich habe nicht geübt, weil ..."

Neben so netten Einfällen wie "Ich habe nicht geübt, weil die Katze mein Aufgabenbuch gefressen hat" findet sich auch:
"Ich habe nicht geübt, weil ich vergessen habe, wo das Klavier steht." Mein absoluter Favorit!
Aber was sagt der Lehrer, wenn du sagst, ích habe nicht geübt weil ich zuviele 0,04 eingeworfen habe ? Das hab ich nämlich mal sagen müssen. Das war schon ziemlich therapeutisch dann, aber zum Schluß haben wir zusammen noch einen 0,04 genossen. Das nächste Mal war ich gut vorbereitet.
 
...
Und selbst abgesehen vom Unterrichtsinhalt kann das leicht vorkommen. Beziehungsprobleme (des Schülers oder der Eltern des Schülers) oder sonstige persönliche Dramen wie Verlust und existentielle Probleme spielen sich im Leben eines jeden leider regelmäßig ab.

Vorbereitet? Natürlich wird das im Studium thematisiert, in meinem jedenfalls. ...
Reicht es da nicht, wenn man Mitleid vortäuschen kann?
 
Aber was sagt der Lehrer, wenn du sagst, ích habe nicht geübt weil ich zuviele 0,04 eingeworfen habe ? Das hab ich nämlich mal sagen müssen. Das war schon ziemlich therapeutisch dann, aber zum Schluß haben wir zusammen noch einen 0,04 genossen. Das nächste Mal war ich gut vorbereitet.

:denken: War das jetzt für dich, Romeo, oder für den Klavierlehrer therapeutisch? Das hab ich nicht ganz verstanden! :konfus:
 
Hallo Clavios,

Infinity hat im Flüchtlingsfaden etwas geschrieben, was mich beschäftigt hat:



Werden KL in der Ausbildung eigentlich nur didaktisch geschult? Oder lernen sie auch mit den Emotionen der Schüler umzugehen? Kann Empathie überhaupt unterrichtet werden? Oder hat man die von der Erziehung mitbekommen oder durch Lebenserfahrung?

Wie gehen KL, wie geht Ihr KL damit um, wenn jemand plötzlich wie ein Häufchen Elend auf dem Klavierhocker sitzt und in Tränen ausbricht? Oder wenn jemand einen Wutanfall kriegt?

Bin neugierig auf Eure Antworten.

Beste Grüße
Aurora

Hey,

sowas ähnliches hatte ich im Gesangsunterricht mal gehabt. Das war kein starker emotionaler Ausbruch in dem Sinne, sondern einfach ein Gespräch über den Tod eines nahen Menschen (der zwei Wochen vorher gestorben war). Jedenfalls haben wir ein paar Minuten einfach drüber geredet und mir war es danach deutlich besser gewesen.

Ich weiß nicht, inwiefern man sowas lehren kann - aber ich denke, jeder Mensch ist irgendwo empathisch. Und nach einer Weile kannst du natürlich auch deine Schüler einschätzen. Nach 3-4 Jahren kennt mich meine Gesangslehrerin nunmal, samt Macken :) Ich könnte mir allerdings gut vorstellen, das zumindest psychologische Ansätze in der Ausbildung von Instrumentallehrern/Gesangslehrern mit rein fließen, da Musik auch aus Gefühlen besteht.

Aber aus persönlicher Erfahrung heraus kann ich sagen, dass Musik tatsächlich die Seele wieder ein wenig heilt und ich rede gerade nicht von der Situation, die ich oben beschrieben habe.
 
Zuletzt bearbeitet:

Zurück
Top Bottom