Welchen Klavierlehrer soll ich nur nehmen?

Wenn Dir das so wichtig ist, dann antworte ich gerne.

Zum größten Teil hast Du nämlich einfach Recht, und meine Ansicht zum Rest kannst Du aus den Antworten auf Rolf und Marlene entnehmen.

Aber gut, nochmal explizit:
Hm, vllt kann ich so weit gehen, zu behaupten, wenn jemand spielt, dann hört man eine gewisse "Stimmigkeit" der Athmosphäre im Stück, es klingt aber auch die Gefühlswelt des Spielenden an.
Eine reiche Gefühlswelt des Musizierenden wird eben einfach mehr rüberbringen.
Ein mechanisch und kühl gespieltes Stück wird den Zuhöer ebenfalls kalt lassen, oder aber auch irritieren.

Der Musizierende soll nicht im Moment des Musizierens verschiedenste Emotionen durchlaufen, weil das die Musik stört. Da gehen wir d'accord, denn das hast Du ja im "EDIT" auch geschrieben.
Demzufolge kann er aber im Moment des Musizierens auch keine "reiche Gefühlswelt" haben - logisch?
Das, was da reich ist, ist etwas anderes als Emotionen.

LG,
Hasenbein
 
wie wir bei Sitlblütes Beitrag gelesen haben, ist Musik in der Lage, Emotionen hervorzurufen. Und die sind anscheinend doch bei verschiedenen Menschen ähnlich, unabhhängig von Bildung, Herkunft und Kulturkreis.
Allerdings gibt es auch andere Studien und Experimente als jenes, auf das Stilblüte verwiesen hat. Da gibt es dann genauso starke Belege dafür, daß der emotionale Gehalt von verschiedenen Menschen unterschiedlich wahrgenommen werden – ebenfalls weitgehend unabhängig von Bildung, Herkunft und Kulturkreis. (Daß die Comptine bei fortgeschrittenen Musikern zumeist Langeweile auslöst, dürfte das Höchstmaß an Universalität sein. :D)

Bei mir ist es zum Beispiel so, dass Musik mir Gänsehaut hervorrufen kann.
Dazu gab es die sogenannten Chill-Experimente. Kurz: Auch das ist nicht so universell, wie man das manchmal gern hätte. :D

Das kann ich nicht nachvollziehen. Was ist z.B. mit Liszts „Consolation Nr. 3“ oder Mahlers Adagietto aus der 5. Symphonie, um nur zwei von unzähligen zu nennen. Wenn die nicht traurig wären – warum greifen die Zuhörer denn dann im Konzert zum Taschentuch, das sich zu den Augen bewegt?
Weil im Konzert Musik und Interpretation zusammentreffen. Und weil einzelne Musikstücke (beispielsweise durch Erinnerungen) mit bestimmten Emotionen verknüpft sein können, die dann beim Hören wachgerufen werden.

Dann hatte die Pianistin, die vor zwei Wochen Chopins Mazurka gespielt hat vermutlich eine Bindehautentzündung, als ihr Tränen in die Augen gestiegen sind.
Möglich wär's. :D

Ist es nicht so, dass gerade die Emotionen des Interpreten mit in das Stück einfließen, denn sonst würde wir ja alle die Noten so spielen wie sie notiert sind und bei allen würde es gleich klingen.
Diesen Umkehrschluß halte ich für ungerechtfertigt. Die Verfaßtheit des Interpreten hat erst einmal nichts damit zutun, welche Emotionen evoziert werden sollen. (Daß eine solche Beeinflussung dennoch selbst bei großen Musikern stattfindet, ist nur allzu menschlich und steht dem nicht entgegen.) Eine Interpretation, die zu sehr auf eigenen Gefühlen aufbaut, gerät allzuleicht schwülstig und manieriert.
 
Wenn Dir das so wichtig ist, dann antworte ich gerne.
Aber gut, nochmal explizit:

(....)
Demzufolge kann er aber im Moment des Musizierens auch keine "reiche Gefühlswelt" haben - logisch?
Das, was da reich ist, ist etwas anderes als Emotionen.

LG,
Hasenbein

natürlich, es ist mir wichtig, schließlich sind wir mitten drin....
Das
"Demzufolge kann er aber im Moment des Musizierens auch keine "reiche Gefühlswelt" haben - logisch?
Das, was da reich ist, ist etwas anderes als Emotionen."

habe ich so auch gar nicht geschrieben. Sondern ich meine, manche Menschen verfügen über ein breites Spektrum an emotionalem Erleben, andere nicht. Daraus kann man beim Musizieren schöpfen. Nicht, weil man es beim Spielen erleben muss, sondern weil man dieses Spektrum kennt, erinnern und in Musik umsetzen kann.
 
Sondern ich meine, manche Menschen verfügen über ein breites Spektrum an emotionalem Erleben, andere nicht.

Hier melde ich starke Zweifel an.

Die Menschen verfügen, sofern nicht irgendwie speziell erkrankt, alle über eine große Bandbreite emotionalen Erlebens.
Was sich hauptsächlich unterscheidet, ist, inwieweit sie das nach außen dringen lassen, zeigen.

Deswegen ist es z.B. auch Quatsch, zu behaupten, Männer seien im Hinblick auf Gefühlsreichtum den Frauen unterlegen. Möglicherweise ist es sogar umkehrt, wer weiß - jedenfalls ist es einfach so, daß Frauen i.d.R. ihr Herz auf der Zunge tragen und wegen jedem Kleinkram gleich voll abgehen, während Männer, die das gleiche Gefühl in sich spüren, sich äußerlich nur mehr zurückhalten.

Man würde ja auch nicht z.B. dem Teenager, der in seiner "coolen" Abschottungs-Phase ist, Gefühlsarmut unterstellen - im Gegenteil, man weiß ja, daß ihn sehr vieles innerlich beschäftigt in dieser Lebens-Umbruch-Zeit, wenn er untätig in seinem Zimmer rumhockt.

LG,
Hasenbein
 
Die Menschen verfügen, sofern nicht irgendwie speziell erkrankt, alle über eine große Bandbreite emotionalen Erlebens.
Was sich hauptsächlich unterscheidet, ist, inwieweit sie das nach außen dringen lassen, zeigen.

Darf ich noch etwas anfügen? Das emotionale Erleben bedarf ja eines Auslösers und der ist nicht immer derselbe. Ein Film mag den einen auf die Tränendrüsen drücken, andere lässt er völlig kalt. Was aber nicht heisst, dass diese Menschen Eisklötze sind, sondern dass sie einfach andere Filme brauchen, um einen ähnlichen Emotionsschub zu erleben :D

Lg, Nessie
P.S. Ich lasse meine Gefühlswelt auch nicht stark nach aussen dringen. Wohl eher atypisch "fraulich"...
 
Arte zeigte vor kurzem eine (hier auch angekündigte) Sendung über Musik und Hirn, in welcher u.a. eine Studie beschrieben wurde - darin wurden Menschen, die noch nie mit westlicher Musik, Tonsystem, Instrumenten usw. in Berührung kamen, drei kurze Musikausschnitte gezeigt, denen sie die Emotionen "Traurig", "Fröhlich" und "Bedrohlich" zuordnen sollten - wie gesagt in einem fremden Tonsystem in fremder Klangsprache mit unbekanntem Instrument! Es wurde alles so zugeordnet, wie auch jeder westlich Geprägte das sofort verstehen würde.
Vielleicht gibt es doch ein gewisses Urverständnis oder wie auch immer zu bezeichnende angeborene Form der Musikerkennung.
Woher die kommt, wäre eine interessante Frage - möglicherweise aus dem eigenen Körper (Puls, Herzfrequenz, Klang der Stimme) und der Natur (Wetter- Umwelt- und Tiergeräusche).


Daran schließt sich auch meine unerschütterliche Behauptung an, dass klassische Musik universell ist. :p Sicher ist ein Aspekt dabei auch die Verbindung von Musik und Sprache/Sprachmelodie - wenn ich seufze, geht die Stimme nach unten, wenn ich frage, nach oben. Gefühle, die durch Schreien, Jubeln, Grollen, Lachen ausgedrückt werden, haben in der Stimme ihren spezifischen Platz. Ist dies eigentlich bei allen Kulturen ähnlich??? Friedrich, huhu!!!!!!!! :p

Ansonsten geht es in der Musik um klangliche Entwicklungen, für die u.v.a. Spannung und Entspannung in vielerlei Ausprägung charakteristisch sind. Wie wenn man eine Geschichte erzählt. Natürlich sind damit auch Gefühle verbunden. Das kann man nicht voneinander trennen! Es ist sogar auffällig, wie ähnlich sich die Emotionen des Publikums bei z.B. einem Klavierabend sind (es sei denn, es werden Stücke gespielt, die manchen Hörgewohnheiten eher fremd sind :p ). Das gemeinsame Erleben führt zu solchen Momenten, dass z.B. bei Pausen das gesamte Publikum ergriffen ist von der Macht der Stille nach der bisherigen klanglichen Entwicklung des Stücks. Wenn du also sagst, hasenbein, die Bewegung und Energie der Musik ergreife vom Spieler Besitz, sind selbstverständlich auch Emotionen im Spiel.

Wieso das Spiel ein und desselben Stücks immer wieder auch bei denselben Pianisten unterschiedlich klingt und interpretiert wird, liegt nicht nur an unterschiedlichen Befindlichkeiten, sondern auch an den immer wieder unterschiedlichen Sichtweisen auf das Stück. Im Übeprozess beleuchtet man ja sowieso das Stück von vielen Seiten und die Entscheidung für eine bestimmte Gestaltung kann immer wieder geändert werden. Spielt man eine Stelle anders als sonst, hat das zudem Auswirkungen auf die gesamte Architektur. Baut man einen Turm aus Bauklötzen und verschiebt einen Baustein nur ein wenig, wird der Turm anders aussehen als wenn der Baustein schnurgerade ausgerichtet ist. Wenn ich früher mal mit einer Stelle unzufrieden war, sagte meine Lehrerin 'mach was draus'! Die nachfolgende Entwicklung kann dann anders sein, wenn man sich aufmerksam zuhört und aus etwas Neuem oder Merkwürdigem können sich ungeahnte Möglichkeiten ergeben.

All das und viel mehr steckt in Musik, die ja auch mehr oder weniger aus einem inneren Erleben der Komponisten entstanden ist.

Liebe Grüße

chiarina
 
Da isser wieder, der Rolfsche Widerspruchsgeist :D

Erstens habe ich "z.T." geschrieben, zweitens dürfte klar sein, daß es Stücke mit einer größeren Bandbreite emotionaler Reaktionsweisen gibt und ebenso welche, wo diese Bandbreite klein ist, wie es z.B. beim Trauermarsch oder bei Sonny Rollins' "St. Thomas" der Fall ist.

hilft nüscht, Meister Lampe :D
du schreibst, Musik enthalte a priori keine Emotionen - diese Aussage ist nur dann richtig, wenn man unter Musik bedrucktes Notenpapier versteht: dieses kann man endlos prügeln, es wird nicht jammern :)

allerdings ändert sich das, sowie Musik gerade gemacht wird: und das haben die Komponisten per Notenschrift fixiert. Und genau da stecken dann auch die gewollten beabsichtigten Emotionen drin, und werden zumeist auch verstanden (ja klar, vom entsprechend vorgebildeten Publikum). Kein Chopin dieser Welt hat im Labor die Quinten von b und ges gemixt und berechnet "so evozier ich bei den Leuten buhu-Stimmung, füge langsamen Marschrhythmus bei, fertig ist die Rezeptur einer marcia funebre, ganz wissenschaftlich und emotionslos" und dann die Hornbrille beiseite gelegt.

und was nun die mittels Musik erfahrbar gemachten Stimmungen und Emotionen betrifft: sie sind derart vielfältig und zugleich fein, dass es Mühe macht, sie in Worte zu fassen: ein nostalgisches Rachmaninov-Prelude ist schneller verklungen, als dass sein emotionaler Gehalt beschrieben (in Worte gefasst) wäre.

...warum muss ich dir das eigentlich erklären? ... :D

tja und da sind es primär die im jeweiligen Musikstück enthaltenen Stimmungen, um die es geht: die sollten begriffen werden (nicht dass man vereinfacht gesagt Trauermusik zum fröhlichen Tanz verzerrt) -- dazu sollte begriffen und umgesetzt werden, wie man das darstellt -- und ganz zuletzt in den Überlegungen zum spielen/darstellen kommt als individuelle Note das subjektive Empfinden des Spielers / Schülers hinzu.

wenn in antiromantischer Laune Strawinski ein kühles Statement loslässt, dann zielt er polemisch auf (aus seiner Sicht) spätromantische Übertreibungen
 
Außerdem ist schon im Titel ("Trost") zu erkennen, daß Liszt keineswegs eine traurige Stimmung vorschwebte, sondern eine beruhigende, tröstende.
...da fragt man sich doch, wie Liszt die tröstliche Stimmung herstellt ;) und da stellt man fest: nach zweimaligem Themadurchlauf erscheinen zwei todtraurige Themavarianten in f-Moll und a-Moll, ehe mit der Rückung zurück nach Des-Dur die "Tröstung" hergestellt wird -- und dann erkennt man: emotionale Kontraste gibt es in der Musik also auch, und zwar damit wirs besser kapieren :D:D ist ja auch klar: was soll ein Trost, wenn man nicht weiß, weswegen da getröstet werden soll
 
D.h., der Lehrer sollte erkennen (und vielleicht meint pppetc das ja auch, ich kann's immer nicht so richtig erkennen, weil er sich stets so bewußt unklar ausdrückt, vielleicht um seiner Unterrichtsweise einen größeren Nimbus zu verschaffen...),

Naja, so circa:

Ich drücke mich nicht bewußt unklar aus, sondern ich versuche, etwas nach
Möglichkeit offen zu formulieren - und das hat einen Grund:

Ich habe leider viel zu oft beobachten können, daß zu fest gefügte Ideen,
Bilder, Vorstellungen, Assoziationen, die Einer dem Andern gibt, mißverstanden
ankommen - und eine heillose Verwirrung anstiften.
Und gerade in diesem, unserem Medium, einem Web-Forum nämlich, wo das,
was man sagt, von Menschen wahrgenommen wird, die man nicht kennt,
möchte ich vorsichtig sein - das hat ganz und gar nichts mit "Nimbus" zu tun.
Und allerdings "sollte der Lehrer erkennen" (eine weitere Aufgabe, die einen
guten Lehrer auszeichnet) - wobei das Eigenartige doch ist, daß ein guter Lehrer
noch jedesmal mehr lernt als der Schüler (das ist ein lustiges Geheimnis, das
man eigentlich überhaupt nicht verraten sollte.......)
Im Weiteren wird er sich bemühen, diesen Prozeß der Selbst-Reflexion bei
seinen Schülern zu fördern, um eben diese beiden sich gegenseitig bedingenden
Teile - nämlich: Selbstbewußtsein und Demut - in ein dem Wachstum förderliches
Verhältnis zu entwickeln.
Das heißt: selbstverständlich "weiß" der Lehrer ein bissel mehr als der Schüler,
er weiß aber vor Allem, daß das, was er nicht weiß, das wirklich Entscheidende ist.

In Diesem Sinne

stephan
 
Im Weiteren wird er sich bemühen, diesen Prozeß der Selbst-Reflexion bei
seinen Schülern zu fördern, um eben diese beiden sich gegenseitig bedingenden
Teile - nämlich: Selbstbewußtsein und Demut - in ein dem Wachstum förderliches
Verhältnis zu entwickeln.

das gefällt mir außerordentlich gut - übrigens ein Kennzeichen jener "Lehrer", zu denen vorzudringen mehr als nur ein paar bestandene Prüfungen notwendig waren (sofern man jahrelang da unterrichtet sein will) --- die haben lustigerweise auch ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen kühlster Sachlichkeit und sensibelstem Klangsinn: beides sehr nützliche Eigenschaften!
 

Das heißt, man muß schon etwas in der Musik spüren, das mit dem eigenen Inneren resoniert, damit ein authentisches, die Zuhörer berührendes Spiel und eine schlüssige Interpretation herauskommen. Aber bei dem, was da zwischen den Klängen und dem eigenen Inneren resoniert, handelt es sich nicht um konkrete Emotionen wie "traurig" oder "fröhlich".

Ich sehe das genauso. Es geht beim Musizieren nicht um konkrete Gefühle wie "lustig" oder "traurig". Das Emotionale in der Musik ist ein sprachlich nicht wirklich fassbarer Fluss von Empfindungen, den man durch einen Begriff nur zersplittern würde und den man daher auch zersplittert, wenn man sich mit solchen Begriffen im Kopf ans Klavier setzt. Es ist aber nicht so, dass in der Musik keine Emotionen vorhanden wären, sondern es geht darum, diese Emotionen nicht durch Begriffe zu zerstören. Die Musik resoniert mit einer "Seinsweise" in uns, die nicht begrifflicher, sondern emotionaler Natur ist, - eben emotional im Sinne eines kontinuierlichen Flusses. Das ist es auch, was Musik lebendig und bedeutsam macht, nämlich wenn der Musiker den emotionalen Fluss der Klänge umsetzen und ausdrücken kann.

Letztlich ist die Musik nichts anderes als ein Kommunikationsmittel. Sie selbst ist im Grunde nur bewegte Luft und enthält gar nichts, auch keine Emotionen. Aber sie entspricht am meisten dem Teil in uns, der nicht durch Begriffe kategorisiert ist und deshalb durch Sprache nur schwer erfasst werden kann. Deshalb kann ich als Musiker meinen emotionalen Fluss durch sie ausdrücken und zugleich in anderen Menschen den emotionalen Fluss berühren.

Warum Musik so eine besondere Wirkung auf uns hat und wir ein so großes Bedürfnis nach ihr haben, hängt damit zusammen, dass es in uns eben diese "Seinsweise" gibt, an der die Sprache scheitert. Alle Künste sind in ihrer Nonverbalität geeignet, diese Seinsweise zu berühren, zu stimulieren und dadurch lebendig zu halten. Ein Grund, warum wir ohne Kunst geistig und psychisch abbauen.

Wenn ich nun sage, man müsse das, was eine Musik ausdrückt, in sich selbst wiederfinden, so meine ich damit nicht, dass man beim Musizieren Trauer, Wut oder Freude empfinden muss. Sondern ich meine, dass man verbunden sein muss mit seinem eigenen emotionalen Fluss und dass man ein Bewusstsein braucht für das, was die Musik ausdrückt, die man spielen will.

Das ist nun aber keineswegs selbstverständlich, sondern erfordert Arbeit und Entwicklung.

Grüße von
Fips
 
Die Menschen verfügen, sofern nicht irgendwie speziell erkrankt, alle über eine große Bandbreite emotionalen Erlebens.
Was sich hauptsächlich unterscheidet, ist, inwieweit sie das nach außen dringen lassen, zeigen.

Hier melde jetzt mal ich Zweifel an. Natürlich gibt es große Unterschiede in der Art, wie Menschen - egal welchen Geschlechts - ihre Gefühle nach außen hin zeigen. Aber daneben gibt es sehr wohl auch große Unterschiede in der Wahrnehmungsfähigkeit von Gefühlen. Zwar sind alle Gefühle in voller Bandbreite vorhanden, aber sie werden nicht immer voll wahrgenommen und nicht immer in dieser Bandbreite bewusst gespürt. Und das bedeutet nichts anderes, als dass so jemand beim Musizieren auch nicht über die volle Bandbreite seiner Emotionen verfügen kann.

Wie zuvor schon ausgeführt, geht es dabei nicht um Gefühlskategorien wie "traurig" oder "wütend", sondern um die Verbundenheit mit dem emotionalen Fluss. Wenn das Bewusstsein bestimmter Empfindungen beschränkt ist, dann kann der emotionale Fluss auch nicht dorthin fließen. Und dies beeinträchtigt dann auch die musikalischen Ausdrucksfähigkeiten.

Mir fällt leider kein besseres Wort ein als "emotionaler Fluss". Ich hoffe, es ist verständlich, was ich meine.

Grüße von
Fips
 
Es ist aber nicht so, dass in der Musik keine Emotionen vorhanden wären, sondern es geht darum, diese Emotionen nicht durch Begriffe zu zerstören.


Lieber Fips,

diesen Ausschnitt deines Beitrags sehe ich nicht so, ganz besonders nicht unter dem Aspekt der pädagogischen Arbeit. Wenn ich mit Schülern arbeite, geht es oft um die Beschreibung von Klängen, von klanglichen Entwicklungen. Sehr oft sind diese Beschreibungen bildlicher Natur und selbstverständlich enthalten sie Begriffe, die Emotionen auslösen. Wie bereits beschrieben, lässt sich das Eine vom Anderen nicht trennen.

Die Sprache ist ein sehr wichtiges Mittel, sich mit etwas auseinanderzusetzen und selbstverständlich auch mit dem emotionalen Gehalt. So tastet man sich an den Kern heran, erreicht ihn aber mit der Sprache nie, versucht nichtsdestotrotz, immer weiter vorzudringen.

Auch bewegte Luft kann verschiedener Natur sein: sie kann zart wie ein Windhauch unsere Wange streifen, sie kann uns einhüllen in einen Kokon aus warmer Luft, sie kann eisig kalt uns zum Erzittern bringen, sie kann zum Sturm werden, gegen den wir ankämpfen müssen, um vorwärts zu kommen...... . Bei all diesen Beschreibungen stellen wir uns in der Regel sinn-bildlich vor, wie sie sich anfühlen und dies soll nur ein Beispiel dafür sein, dass man die Emotion nicht vom Zustand, von der Entwicklung und hier vom klanglichen Geschehen abkoppeln kann. Je vielschichter das Kunstwerk, desto vielschichtiger auch die Emotionen.

Liebe Grüße

chiarina
 
Zitat von Stilblüte:
Arte zeigte vor kurzem eine (hier auch angekündigte) Sendung über Musik und Hirn, in welcher u.a. eine Studie beschrieben wurde - darin wurden Menschen, die noch nie mit westlicher Musik, Tonsystem, Instrumenten usw. in Berührung kamen, drei kurze Musikausschnitte gezeigt, denen sie die Emotionen "Traurig", "Fröhlich" und "Bedrohlich" zuordnen sollten - wie gesagt in einem fremden Tonsystem in fremder Klangsprache mit unbekanntem Instrument! Es wurde alles so zugeordnet, wie auch jeder westlich Geprägte das sofort verstehen würde.
Vielleicht gibt es doch ein gewisses Urverständnis oder wie auch immer zu bezeichnende angeborene Form der Musikerkennung.


Daran schließt sich auch meine unerschütterliche Behauptung an, dass klassische Musik universell ist. :p Sicher ist ein Aspekt dabei auch die Verbindung von Musik und Sprache/Sprachmelodie - wenn ich seufze, geht die Stimme nach unten, wenn ich frage, nach oben. Gefühle, die durch Schreien, Jubeln, Grollen, Lachen ausgedrückt werden, haben in der Stimme ihren spezifischen Platz. Ist dies eigentlich bei allen Kulturen ähnlich??? . . .

Liebe Stilblüte, liebe Chiarina,

diese Sätze gehen dem Mitteleuropäer natürlich "runter wie Öl". Kann man dem aber uneingeschränkt zustimmen? Oder sind evtl. Zweifel angebracht?

In der aktuellen "Zeit Wissen" (Ausgabe 1/2012) . . .

click => Zeit Wissen 01/2012 - Inhaltsverzeichnis

cover-540x304.jpg


. . . kann man auf Seite 21 folgendes lesen:

" ... . Anders ist es bei Menschen in Indonesien beispielsweise, die bisher nichts mit westlicher Musik verband: Europäer, die in Jakarta leben, tun ihren einheimischen Nachbarn akustische Qualen an, wenn sie eine Beethoven-Sinfonie laut abspielen. Auf uns wiederum wirkt eine indische oder indonesische Komposition unweigerlich fremd - die andersartigen Tonleitern haben wir niemals in Form von Kinderliedern geübt. ... "

Traditionelle Instrumente dieser Region sind teilweise ganz anders gestimmt, beim Gamelan z.B. existieren Töne mit der 1,7- bzw. 2,29-fachen Frequenz des Grundtons.

Hätte die von ARTE gezeigte Studie (deren Inhalt ich nicht kenne) vor 30 oder 50 Jahren stattgefunden, wäre das Ergebnis u.U. anders(?) ausgefallen, da der "...zunehmende kulturelle Austausch und digitale Verbreitungsmöglichkeiten von Musik..." (Zitat http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia evtl. schon Wirkung zeigt. (?)

Cordialement
Sol

PS - gibt es einen Link zur besagten Sendung auf ARTE?
 
Zitat von Stilblüte:
Arte zeigte vor kurzem eine (hier auch angekündigte) Sendung über Musik und Hirn, in welcher u.a. eine Studie beschrieben wurde - darin wurden Menschen, die noch nie mit westlicher Musik, Tonsystem, Instrumenten usw. in Berührung kamen, drei kurze Musikausschnitte gezeigt, denen sie die Emotionen "Traurig", "Fröhlich" und "Bedrohlich" zuordnen sollten - wie gesagt in einem fremden Tonsystem in fremder Klangsprache mit unbekanntem Instrument! Es wurde alles so zugeordnet, wie auch jeder westlich Geprägte das sofort verstehen würde.
Vielleicht gibt es doch ein gewisses Urverständnis oder wie auch immer zu bezeichnende angeborene Form der Musikerkennung.




Liebe Stilblüte, liebe Chiarina,

diese Sätze gehen dem Mitteleuropäer natürlich "runter wie Öl". Kann man dem aber uneingeschränkt zustimmen? Oder sind evtl. Zweifel angebracht?
Ich hatte ja schon meine Zweifel in einem früheren Beitrag angemeldet. (Nein, mir geht das auch als Mitteleuropäer nicht runter wie Öl :D). Der Film lief schon einmal vor längerer Zeit auf Arte, deshalb habe ich jetzt nur kurz wieder reingeschaut. Allerdings scheint die Prämisse der Universalität von Musik schon voorgezeichnet gewesen zu sein, so daß (fast?) ausschließlich Forscher und Wissenschaftler vorkommen, die eben diesen Standpunkt vertreten.

In der aktuellen "Zeit Wissen" (Ausgabe 1/2012) kann man auf Seite 21 folgendes lesen:

" ... . Anders ist es bei Menschen in Indonesien beispielsweise, die bisher nichts mit westlicher Musik verband: Europäer, die in Jakarta leben, tun ihren einheimischen Nachbarn akustische Qualen an, wenn sie eine Beethoven-Sinfonie laut abspielen. Auf uns wiederum wirkt eine indische oder indonesische Komposition unweigerlich fremd - die andersartigen Tonleitern haben wir niemals in Form von Kinderliedern geübt. ... "
Da scheinen die Macher dieses Magazins das Thema sehr viel offener zu behandeln. (Ich weiß schon, warum ich die Zeit schätze.)

Traditionelle Instrumente dieser Region sind teilweise ganz anders gestimmt, beim Gamelan z.B. existieren Töne mit der 1,7- bzw. 2,29-fachen Frequenz des Grundtons.

Hätte die von ARTE gezeigte Studie (deren Inhalt ich nicht kenne) vor 30 oder 50 Jahren stattgefunden, wäre das Ergebnis u.U. anders(?) ausgefallen, da der "...zunehmende kulturelle Austausch und digitale Verbreitungsmöglichkeiten von Musik..." (Zitat http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia evtl. schon Wirkung zeigt. (?)
Der Veranstalter der Studie weist in dem Film ja schon darauf hin, eine Kultur gesucht (und gefunden) zu haben, die so abgeschieden leben soll, daß keinerlei kultureller Austausch stattgefunden hat. Ob das tatsächlich der Fall ist, läßt sich so aus der Ferne nur schwer einschätzen. (Ich muß da irgendwie an Salcia Landmanns SChilderung der Entstehung des Bircher-Müeslis denken...)

Für mich ist aber der Versuchsaufbau an sich weitaus problematischer. Die Bewertungsskala fröhlich-traurig-bedrohlich ist so grob, daß es schwerfällt, ein anderes Ergebnis zu erzeugen. Mit der in der Studie am stärksten mit Traurigkeit identifizierten Melodie würde ich zum Beispiel eher Nachdenklichkeit assoziieren. Diese Antwortmöglichkeit gab es aber nicht.

PS - gibt es einen Link zur besagten Sendung auf ARTE?
Noten und Neuronen - Teil 1 (Der Rest kommt dann im Anschluß, ich war jetzt einfach zu faul, die restlichen Links zusammenzusammeln...)
 
. . . kann man auf Seite 21 folgendes lesen:

" ... . Anders ist es bei Menschen in Indonesien beispielsweise, die bisher nichts mit westlicher Musik verband: Europäer, die in Jakarta leben, tun ihren einheimischen Nachbarn akustische Qualen an, wenn sie eine Beethoven-Sinfonie laut abspielen. Auf uns wiederum wirkt eine indische oder indonesische Komposition unweigerlich fremd - die andersartigen Tonleitern haben wir niemals in Form von Kinderliedern geübt. ... "

Was ist denn an dieser Mitteilung, die nu ooch nich viel anderes als "andere Länder, andere Sitten" aussagt, so bemerkenswert? Dass es über etliche Jahrhunderte hin Kulturen gab, die sich mit kaum oder gar keinem Kontakt zu anderen (bzw. weit entfernten) eigen entwickelten, ist eine historische Tatsache.
 
In der aktuellen "Zeit Wissen" (Ausgabe 1/2012) . . .

click => Zeit Wissen 01/2012 - Inhaltsverzeichnis

cover-540x304.jpg


. . . kann man auf Seite 21 folgendes lesen:

" ... . Anders ist es bei Menschen in Indonesien beispielsweise, die bisher nichts mit westlicher Musik verband: Europäer, die in Jakarta leben, tun ihren einheimischen Nachbarn akustische Qualen an, wenn sie eine Beethoven-Sinfonie laut abspielen. Auf uns wiederum wirkt eine indische oder indonesische Komposition unweigerlich fremd - die andersartigen Tonleitern haben wir niemals in Form von Kinderliedern geübt. ... "

Traditionelle Instrumente dieser Region sind teilweise ganz anders gestimmt, beim Gamelan z.B. existieren Töne mit der 1,7- bzw. 2,29-fachen Frequenz des Grundtons.

Hallo sol,

obiges kann ich nur bestätigen! Als ich erstmals vor ca. 25 Jahren eine wirklich gute Darbietung von Gamelanmusik in Indonesien hörte, hat mich diese eigentlich in erster Linie befremdet. Ich fühlte mich beim Anhören dieser Musik überhaupt nicht wohl - heute kann ich solcher Musik ganz anders begegnen!

LG

Debbie digitalis
 

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