Zum "Amadeus" habe ich 2013 folgende Kundenrezension für Amazon geschrieben:
5,0 von 5 SternenNur der halbe Mozart
Von
M. Mueller VINE-PRODUKTTESTERam 26. April 2003
Format: DVD
"Amadeus" ist zweifellos einer der ganz großen Kinofilme über eine Jahrtausendfigur der abendlänischen Kulturgeschichte: grandios besetzt in den Hauptrollen, selbst in kleinen Nebenrollen (Hof-Clique um den herrlich naiven Wiener Kaiser!)hervorragende Darsteller, opulente Ausstattung und - last, but not least - eine Filmmusik auf höchstem Niveau (ausschließlich Mozart unter der superben Leitung des fabelhaften Neville Marriner). Wenn dieser Film bei einem breiten Publikum, dessen Sache klassische Musik eher nicht ist, Interesse am Werk des großen Salzburgers weckt, erwirbt er sich große Verdienste. Allerdings besteht die Gefahr - vor allem für ein Publikum, das mit der Biografie Mozarts nicht so vertraut ist - einer Gleichsetzung von Film-Plot und historischer Realität. Davon nämlich weichen sowohl Shaffers Bühnenstück als auch Formans Verfilmung stellenweise erheblich ab. Sicher gelingt beiden dadurch eine Zuspitzung des rivalisierenden Verhältnisses Mozart - Salieri einerseits und der konfliktreichen Vater-Sohn-Beziehung andererseits. Nur: So war's eben nicht! Weder hat Salieri eine Dienstmagd in den Mozartschen Haushalt zu Spionagezwecken eingeschleust, noch war er der Auftraggeber des Requiems. Die Figur Mozart hingegen wirkt in ihrer obszönen Albernheit vor dem Hintergrund der "Bäsle"-Briefe und der haarsträubend ordinären Kanons plausibel. Leider wird sein Schaffen auf die beiden Gattungen Oper und Klavierkonzert reduziert. Die Aussparung der Kammermusik mag dadurch begründet sein, dass man eine Streichquartett-Premiere nicht so wirkunsgvoll filmisch umsetzen kann wie beispielsweise die "Figaro"-Uraufführung oder die des "Don Giovanni" (die übrigens nicht in Wien, sondern in Prag, und dort mit überwältigendem Erfolg, stattfand). Dass die großen Sinfonien aus der Wiener Dekade verschwiegen werden, ist allerdings unverzeihlich. (Auf die filmische Darstellung einer - historisch nicht gesicherten - Aufführung der Jupitersinfonie wäre es angesichts so vieler historischer "Freiheiten" nun wahrhaftig auch nicht mehr angekommen.)
Das Hineinschneiden ursprünglich gestrichener Sequenzen in diese Director's-Cut-Version wäre verzichtbar gewesen; vor allem die Hunde-Szene wirkt lediglich albern, und eine Konstanze, die vor Salieri die Hüllen fallen lässt, reicht über die Funktion eines billigen Gags nicht hinaus.
Trotz allem: Fünf Sterne für einen grandiosen Film, der immerhin mit den Klischees des unsäglichen Schwarz-Weiß-Schinkens "Wen die Götter lieben" einigermaßen aufräumt.