Heute vor 69 Jahren starb der russische Komponist Sergei Edouardewitsch Bortkievicz.
Dieser Komponist ist einer der interessantesten Klavierkomponisten der russischen Spätromantik. Er wird als russischer Komponist gelistet, da er im russischen Kaiserreich, in der Stadt Charkow (heutige Ukraine) geboren wurde und obwohl er polnische Vorfahren hatte. Sein Lebensweg verlief ähnlich reich an Ortswechseln wie das von Rachmaninoff. Er war der Kultur des deutschsprachigen Raumes sehr zugetan, musste aber im ersten Weltkrieg auf sein Gut nach Charkow zurückkehren. Bei der russischen Revolution wurde sein Gut umstellt und geplündert. Es folgte eine umständliche Flucht über Jahre mit Rückkehr nach Deutschland. 1933 wurde das Leben hier für einen Russen zunehmend unangenehmer und er wich nach Wien aus, wo er bis an sein Lebensende blieb und auch beerdigt wurde. Im Bombenhagel gegen Kriegsende erhielt sein Haus einen Treffer. Seinen eigenen Beschreibungen nach wurde sein Flügel von einem großen Stück Mauerwerk getroffen, war aber ansonsten voll funktionsfähig. Die Familie musste dann im Bad ausharren, da sich das Haus nicht mehr beheizen ließ.
Sein Kompositionsstil ist absolut konservativ und erinnert massiv an Chopin, Tschaikowsky, Rachmaninoff und Scriabin.
Er lehnte moderne Einflüsse ab und bezeichnete moderne Musik als ''kakophone Musik''.
Obwohl einzelne seiner einfacheren Stücke in etlichen Unterrichtssammlungen auftauchen, wurde ihm ein ähnliches Schicksal zu Teil wie Medtner: Er blieb ein Komponist der dritten Reihe. Äußerst originelle Stücke finden sich überall in seinen Werken. Er schrieb u.a. ein Violinkonzert, drei Klavierkonzerte (eigentlich vier, das erste hat er vernichtet), eine Oper, einige Lieder und zwei Sinfonien. Das Hauptwerk ist sicher dasjenige für Klavier. Das Violinkonzert habe ich gerade gehört. Es klingt so attraktiv wie das von Glasunow.
Es ist relativ wenig verlegt. Eine seiner für mich interessantesten Kompositionen ist die zweite Klaviersonate. Der erste Satz enthält Anspielungen, ja fast schon Zitate, von Chopins f-moll Klavierkonzert und Tschaikowskys Jahreszeiten. Der zweite Satz, das Allegretto, ist ein absoluter Bringer! Der letzte Satz gemahnt sehr deutlich an Scriabin. Es gibt keine Printversion. Alle Freunde dieses Werkes müssen noch genau ein Jahr ausharren bis zum legalen download.
Die Ähnlichkeit einiger Werke zu Chopin ist sehr offensichtlich, wie z.B. die Polonaise. Es gibt eine Mazurka, die beim Hören von denen Chopins nicht mehr zu unterscheiden ist.
Insgesamt find ich, das dieser Komponist in die Gruppe der russischen, spätromantischen Pianisten/Komponisten Rachmaninoff, Medtner und Scriabin als Nr. 4 gehört, auch wenn er nicht ihren Bekanntheitsgrad erreicht hat.
Ich hatte ursprünglich das Todesjahr 1951 im Kopf, habe aber gerade noch rechtzeitig gesehen, dass es 1952 war . Ich habe jetzt so viel geschrieben, dass ich alles einfach stehen lasse ohne mich hoffnungslos um Kopf und Kragen geschrieben zu haben. 2022 verweise ich dann auf diesen Post (oder irgendwer anderes).