Warum dann Quintenzirkel???

Ich möchte gerne Theorie und Praxis beides vollständig verstehen, es ist sicher viel Arbeit aber lohnenswert, habe viele Jahre meines - schon alten - Lebens damit verbracht Noten aus Anfängerstücken zu spielen ohne überhaupt zu verstehen was ich da mache. Das Ergebnis? Ohne Noten war ich völlig hilflos. Jetzt möchte ich es ganzheitlich verstehen, auch wenn es lange dauern wird
 
Mein KL erzählt anderes: Daß die meisten Schüler kein Interesse haben: weder an der Musiktheorie noch an der Musikgeschichte.
Kann ich in keinster Weise bestätigen. Es ist die Frage, wie man diese Bereiche der Musik in den Unterricht integriert.
Nein, man muss Liedbegleitung, Popsongs nach Akkordsymbolen, Improvisation und Komposition durchnehmen. Nur so geht es - Theorie durch Praxis!
Exakt, so läuft das.
Ich finde auch die Reihenfolge sehr wahr: Erst kommt die Praxis und die wird theoretisch untermauert.
Wir lernen als Kind auch nicht zuerst die Grammatik und dann die Vokabeln.
Fragt mal die Dreijährigen nach Plusquamperfekt... :008:
 
Im "Klassik"-Bereich treten junge Leute zu Wettbewerben an bzw. arbeiten sogar auf ein Musikstudium hin, die weder irgendwelche Intervalle oder Akkorde hörend erkennen noch irgendeinen blassen Schimmer von der Theorie haben, die hinter dem steckt, was sie da so klimpern.
Und dann laufen noch Leute rum - es gibt ja auch geniale Instinktmusiker! - die -publikumswirksam, aber oft wahrheitswidrig - von sich behaupten, sie würden alles erfühlen, könnten aber keine Tonika von einer Dominante unterscheiden!
 
Den größten Teil meiner Harmoniekenntnisse habe ich in der Schule im Musikunterricht gelernt. Meine Instrumentallehrer haben mir eigentlich ausschließlich das Musizieren auf dem Instrument beigebracht. - Ich kann mich noch erinnern, dass die einzige Gelegenheit in der Geigenstunde mit (Kayser-) Etüden war, mir die harmonische und die melodische Molltonleiter als solche bewußt und bekannt zu machen.

Das Interesse an den Kompositionen und ein bisschen Musikgeschichte kam etwa mit 16 Jahren.

Die zwei Kulturen der Musik: polyphone und homophone Musik, die Formenlehre, einteilige und mehrteilige Liedform, die klassische Sonatenform, die Rondoform, Kanon, Aufbau einer Fuge usw. habe ich mir aus der Literatur selbst beigebracht - aber erst während der Bundeswehrzeit im Erwachsenenalter.

Im klassischen Klavierunterricht ist nur beschränkt Zeit zur Verfügung - und ein Schüler einschließlich seiner Eltern beabsichtigen und finanzieren den Unterricht, dass er in erster Linie sein Instrument spielt.

Und da tut sich ein Spagat auf:

Es gibt das Lehrer/Schüler-Paar, das neben Technik auch Musikstücke lernt, dass der Schüler dabei bleibt und den hörbaren Erfolg vermittelt, ordentlich Klavier spielen zu können.

Das andere Lehrer/Schüler-Paar, das im Unterricht Spieltechnik lernt, Harmonielehre und rhythmische Übungen paukt, die Formenlehre abarbeitet, "Liedbegleitung, Popsongs nach Akkordsymbolen, Improvisation und Komposition durchnimmt" (ich weiß nicht, wie viel Zeit Hasenbeins Schüler bei ihm Unterricht haben, um all das zu bewältigen), was über "seine" Kompositionen und die Komponisten lernt und einen Überblick in Musikgeschichte bekommt, und wo möglich auch noch (fast) fehlerfrei spielt. - Ich sehe beim zweiten Lehrer/Schüler-Paar die Gefahr, dass dem Lehrer der Schüler abhanden kommt, bevor er einigermaßen hörbar spielen kann.

Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen diesen beiden Lehrer/Schüler-Paaren.

Das noch höhere Ziel eines Lehrers müsste sein, seinen Schüler selbständig zu machen, ihn in die Lage zu versetzen, sich selbst - ohne am Tropf eines Lehrers zu hängen - weitere Literatur zu erarbeiten. Sich selbst einen Weg zu bahnen, auf dem er im Laufe der Zeit besser wird und vor allem, dass er bei der Stange bleibt.

Wo sind alle die ehemaligen Klavierschüler, die bei den vielen, ach so guten Klavierlehrern Unterricht hatten, aber nicht so viel Motivation mitbekommen haben, dass sie als Erwachsene auch noch mit Vergnügen spielen wollen (und den Kindern ein Vorbild sein könnten)?

Wenn ich mir die hiesige Musikschule angucke - wie viele Klavierschüler gehen da durch! Sie müssten eigentlich waschkörbeweise zu Jugend musiziert kommen, aber da sieht das eher mau aus! Ich bin überzeugt, dass ein höherer Prozentsatz der Schüler den Ehrgeiz hätten, da mitzumachen, wenn ihnen nur ein Weg gezeigt würde. - Es ist natürlich für einen KL immer eine Anspannung, einen Schüler zum Wettbewerb vorzubereiten und anzumelden. Es ist einfacher, sich diesen Aufwand zu ersparen.

Die gleiche Anspannung ist übrigens das jährliche Brot der Gymnasiallehrer und auch der Realschullehrer, die ihre Schüler auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten, mit ihnen mitfiebern und sich dann über die gezeigte Leistung mitfreuen können.

Ganz ähnlich im Sport bei Sportler/Trainer - Paar. Die haben den Ehrgeiz, im Wettkampf zusammen was zu erreichen. Nur so vor sich hin zu sportlern, das ist ihnen zu wenig.

Ich gehörte zum ersten Lehrer/Schüler-Paar, spiele übrigens immer noch mit wachsender Begeisterung Klavier und versuche, andere in dieser Hinsicht anzustecken.

Grüße - Walter
 
Das andere Lehrer/Schüler-Paar, das im Unterricht Spieltechnik lernt, Harmonielehre und rhythmische Übungen paukt, die Formenlehre abarbeitet, "Liedbegleitung, Popsongs nach Akkordsymbolen, Improvisation und Komposition durchnimmt" (ich weiß nicht, wie viel Zeit Hasenbeins Schüler bei ihm Unterricht haben, um all das zu bewältigen),
Natürlich kann man im Unterricht nicht immer alles schaffen. In der Kürze der Zeit so viel wir möglich zu erreichen, sollte jedoch das Ziel sein. Und da ist die methodische und didaktische Fantasie des Lehrers gefordert: eine ausgewogene Mischung von Literaturspiel und Improvisation, Spiel nach Noten und Spiel nach Leadsheets, klassische Kunstmusik und Popularmusik usw. Und immer, wenn es sich anbietet, theoretische Zusammenhänge in der praktischen Anwendung erfahrbar machen. Z.B. kann eine Stelle mit einer kleinen Kadenz als Modell für die eigene Ausgestaltung einer Melodie dienen. Auch, um anschließend die Schülermelodie analytisch mit der Originalstelle zu vergleichen und so die Besonderheit des Originals herauszustellen.

Da gibt es wirklich viele Möglichkeiten. Es muss nicht alles gleichzeitig geschehen, aber mit größtmöglicher Fantasie des Lehrers und einem starken Bewusstsein für die Vernetzung der Unterrichtsinhalte. Und natürlich ist die Schüleraktivierung entscheidend, damit Interesse geweckt wird.
 
Die zwei Kulturen der Musik: polyphone und homophone Musik, die Formenlehre, einteilige und mehrteilige Liedform, die klassische Sonatenform, die Rondoform, Kanon, Aufbau einer Fuge usw. habe ich mir aus der Literatur selbst beigebracht - aber erst während der Bundeswehrzeit im Erwachsenenalter.
Bei mir gab's das auf nem Unterschichtsgymnasium ganz normal im Musikunterricht.

Das noch höhere Ziel eines Lehrers müsste sein, seinen Schüler selbständig zu machen, ihn in die Lage zu versetzen, sich selbst - ohne am Tropf eines Lehrers zu hängen - weitere Literatur zu erarbeiten. Sich selbst einen Weg zu bahnen, auf dem er im Laufe der Zeit besser wird und vor allem, dass er bei der Stange bleibt.
Was hat der Lehrer damit zu tun? Das sollte vor allem Ziel des Schülers sein. Wenn er nicht will, warum soll man ihn zwingen?
 
Ich sehe beim zweiten Lehrer/Schüler-Paar die Gefahr, dass dem Lehrer der Schüler abhanden kommt, bevor er einigermaßen hörbar spielen kann.
Liegt vermutlich daran, dass auch Du Musiktheorie im theoretischen und nicht im praktischen Bereich verortest. Mit bereits sehr wenigen musik"theoretischen" Grundlagen kann man schon unglaublich viel anhörbare Musik machen.
Das noch höhere Ziel eines Lehrers müsste sein, seinen Schüler selbständig zu machen, ihn in die Lage zu versetzen, sich selbst - ohne am Tropf eines Lehrers zu hängen - weitere Literatur zu erarbeiten.
Nichts anderes hat Hasenbein ausgedrückt. Das geht halt nicht ohne Musikverständnis.
 
Den größten Teil meiner Harmoniekenntnisse habe ich in der Schule im Musikunterricht gelernt. Meine Instrumentallehrer haben mir eigentlich ausschließlich das Musizieren auf dem Instrument beigebracht.
Ich habe da die genau gegenteilige Erfahrung. Der Musikunterricht in der Schule hat mich völlig unterfordert, weil ich, der ich ab 6 Jahre Klavierunterricht hatte, und bereits als Volksschüler deutlich mehr wusste als das, was im Lehrplan fürs Gymnasium geboten wurde (und was den Rest der Schüler überforderte, aber das ist eine andere Baustelle).

Die Grundlage meines Klavierunterrichtes war die Schule von Roehr-Hillemann. Die kann man heute noch kaufen, aber ich vermute mal, dass die heute keine große Chancen mehr gegen irgendwelche Tastenkrokodile hat (ok, der Seitenhieb mag ein gepflegtes Vorurteil sein, aber was soll's). Fakt ist jedoch, dass in den Heften Praxis und Theorie Hand in Hand gehen. Natürlich ist es Aufgabe des Lehrers, die theoretischen Aspekte aufzugreifen und zu erklären und zu vertiefen. Das nötige Interesse ist sicher nicht bei jedem Kind vorhanden, aber meine erste Klavierlehrerin hat hier offenbar alles richtig gemacht. Sie hat mein theoretisches Interesse erkannt und gefördert, neben der Theorie hat sie u.a. auch Gehörbildung mit mir praktiziert. Sie hat mich gelobt, wenn es berechtigt war, und in den Senkel gestellt, wenn ich offensichtlich nix geübt hatte. Sie war eine wunderbare Lehrerin, der ich viel verdanke.
 

Ich hab vor 6 Monaten zum ersten Mal was von Kadenzen gehört und wie man Dreiklänge aufbaut und benennt. Aktuell lern ich die Dur Ton Leitern mir mehr als mäßigem Interesse. Aber was ich damit anfangen soll weiß ich nicht. Wieviel Vorzeichen eine Tonart hat muss ich lange überlegen. Ich glaube für mich ist der Zug abgefahren da noch groß „richtiger“ an Stücke heranzugehen. Ich erkenne Akkorde und Muster aber der Name fehlt dazu. Manches ist vertraut zu greifen und dann hab ich es schnell in den Fingern aber ohne dass ich das benennen kann. Ich geh mal davon aus dass es das ist was einem die Theorie bringen kann, das zu wissen und zu benennen. Aber für einen Hobbyspieler weiß ich nicht ob man da den heiligen Gral draus machen muss.
 
Ich erlaube mir die Parallele noch zum Essen zu ziehen. Da würde keiner in Frage stellen dass Omas Hausmannskost schmeckt und den Zweck erfüllt. Man Stelle sich vor Oma würde sich erst an den Herd trauen wenn sie das Verhalten von Gluten beim Backvorgang verstanden hätte…..
 
In Russland haben Musikschüler - laut unserer russischen KL - immer parallel zum Instrumentalunterricht einmal wöchentlich Musiktheorie-Stunden. Das hat die KL meiner Kinder auch versucht einzuführen und Gruppenstunden für ihre Schüler (in zwei Altersgruppen) angeboten. Da gabs Gehörbildung, Theorie...

Leider hat sichs nicht auf Dauer durchgesetzt, vielleicht auch weil den Eltern die Wichtigkeit nicht bewusst ist?
Was meine KL da so zwischendrin wild und bröckchenweise in den Unterricht einwirft, bringt mir jedenfalls absolut keinen systematischen Einblick. Deswegen erarbeite ich mir das mit Büchern nun selbst.

Mein Musikunterricht in der Schule war seinerzeit für mich als damalige Nicht-Klavierspielerin völlig unverständlich. Aber für meine Kinder mag das jetzt evtl. anders sein. Mein Sohn hatte da einen ganz guten Unterricht. Besonders gemocht hat er die Musiktheorie aber nicht. Da fehlte dann wohl wieder der Bezug zur Praxis.
 
In Russland haben Musikschüler - laut unserer russischen KL - immer parallel zum Instrumentalunterricht einmal wöchentlich Musiktheorie-Stunden. Das hat die KL meiner Kinder auch versucht einzuführen und Gruppenstunden für ihre Schüler (in zwei Altersgruppen) angeboten. Da gabs Gehörbildung, Theorie...

Leider hat sichs nicht auf Dauer durchgesetzt, vielleicht auch weil den Eltern die Wichtigkeit nicht bewusst ist?
Was meine KL da so zwischendrin wild und bröckchenweise in den Unterricht einwirft, bringt mir jedenfalls absolut keinen systematischen Einblick. Deswegen erarbeite ich mir das mit Büchern nun selbst.

Ich denke nicht, dass sich das flächendeckend verwirklichen lässt. Bei uns dümpelt die eine Musikschule so vor sich hin, während die andere im Nachbarort Leistungsklassen mit zweimal Unterricht pro Woche plus zusätzlich einer solchen Theoriestunde hat. Da sammelt sich dann eben die Klientel, die mehr möchte, dem überwiegenden Rest reicht das Vor-sich-Hindümpeln.

Mir geht's wie dir, ich erarbeite mir das systematisch selbst (zum einen, weil es mich interessiert, zum anderen, weil man einfach merkt, wieviel leichter man sich tut, wenn man die Hintergründe versteht).
 
Wieder ein Thema, bei dem ich mich als stille Mitleserin oute, weil sich bei mir nun Fragen zum Thema auftun:
Ich bin bereits 54 und habe erst vor ca. 3/4 Jahr mit dem Erlernen des Klavierspielens begonnen (bitte keine Kommentare, dass ich dafür zu alt bin und das keinen Sinn macht, ich habe Spaß daran). In der Schule hatte ich ab der sechsten Jahrgangsstufe keinen Musikunterricht mehr, also sind keinerlei Musik-Theorie-Kenntnisse vorhanden.

Mein Klavierlehrer hat mir den Quintenzirkel erklärt und aktuell übe ich dir G-Dur-Tonleiter. Nun zur eigentlichen Frage: Wie viel Platz sollte nach eurer Meinung bereits im Anfangsunterricht die Theorie einnehmen? Ich hatte schon überlegt, zusätzlich zum Unterricht selbständig zu Hause dafür zu arbeiten, aber womit startet man dann am Besten? (Und fairerweise muss ich zugeben,dass ich die begrenzte Zeit, die ich zur Verfügung habe, lieber am piano verbringe) Oder reicht es (wie mein Klavierlehrer sagt), wenn man nebenbei ein wenig einfließen lässt?

Bin bezüglich des Themas Theorie etwas verunsichert und nachdem ich hier so häufig von schlechten Klavierlehrern lese, würde mich interessieren, ob mein Klavierlehrer richtig agiert oder er mich mit Theorie verschont, aus welchem Grund auch immer.
 
(bitte keine Kommentare, dass ich dafür zu alt bin und das keinen Sinn macht, ich habe Spaß daran).

Alt? Mit 54?
:konfus:

Derartige Kommentare wirst Du bei uns nicht erleben, denn hier gibt es zahlreiche Ü60, viele Ü70 und sogar Ü80, die sich leidenschaftlich musizierend mit Klaviermusik beschäftigen.

Literatur, die hier des öfteren empfohlen wird:
- Wieland Ziegenrücker - Musiktheorie
- Thomas Krämer - Harmonielehre im Selbststudium

Zu letztgenanntem gibt es bei Clavio einen Workshop.
 
Mein Klavierlehrer hat mir den Quintenzirkel erklärt und aktuell übe ich dir G-Dur-Tonleiter. Nun zur eigentlichen Frage: Wie viel Platz sollte nach eurer Meinung bereits im Anfangsunterricht die Theorie einnehmen? Ich hatte schon überlegt, zusätzlich zum Unterricht selbständig zu Hause dafür zu arbeiten, aber womit startet man dann am Besten?
Für den Start empfehle ich immer gerne Ziegenrücker: "Allgemeine Musiklehre".
Da kannst du erstmal die Sprache der Musik lernen, einschließlich grundsätzlicher Harmonielehre.

Das ist schon das, was den meisten fehlt, und meines Erachtens die Grundlage ist, die jeder braucht.
 

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