Den größten Teil meiner Harmoniekenntnisse habe ich in der Schule im Musikunterricht gelernt. Meine Instrumentallehrer haben mir eigentlich ausschließlich das Musizieren auf dem Instrument beigebracht. - Ich kann mich noch erinnern, dass die einzige Gelegenheit in der Geigenstunde mit (Kayser-) Etüden war, mir die harmonische und die melodische Molltonleiter als solche bewußt und bekannt zu machen.
Das Interesse an den Kompositionen und ein bisschen Musikgeschichte kam etwa mit 16 Jahren.
Die zwei Kulturen der Musik: polyphone und homophone Musik, die Formenlehre, einteilige und mehrteilige Liedform, die klassische Sonatenform, die Rondoform, Kanon, Aufbau einer Fuge usw. habe ich mir aus der Literatur selbst beigebracht - aber erst während der Bundeswehrzeit im Erwachsenenalter.
Im klassischen Klavierunterricht ist nur beschränkt Zeit zur Verfügung - und ein Schüler einschließlich seiner Eltern beabsichtigen und finanzieren den Unterricht, dass er in erster Linie sein Instrument spielt.
Und da tut sich ein Spagat auf:
Es gibt das Lehrer/Schüler-Paar, das neben Technik auch Musikstücke lernt, dass der Schüler dabei bleibt und den hörbaren Erfolg vermittelt, ordentlich Klavier spielen zu können.
Das andere Lehrer/Schüler-Paar, das im Unterricht Spieltechnik lernt, Harmonielehre und rhythmische Übungen paukt, die Formenlehre abarbeitet, "Liedbegleitung, Popsongs nach Akkordsymbolen, Improvisation und Komposition durchnimmt" (ich weiß nicht, wie viel Zeit Hasenbeins Schüler bei ihm Unterricht haben, um all das zu bewältigen), was über "seine" Kompositionen und die Komponisten lernt und einen Überblick in Musikgeschichte bekommt, und wo möglich auch noch (fast) fehlerfrei spielt. - Ich sehe beim zweiten Lehrer/Schüler-Paar die Gefahr, dass dem Lehrer der Schüler abhanden kommt, bevor er einigermaßen hörbar spielen kann.
Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen diesen beiden Lehrer/Schüler-Paaren.
Das noch höhere Ziel eines Lehrers müsste sein, seinen Schüler selbständig zu machen, ihn in die Lage zu versetzen, sich selbst - ohne am Tropf eines Lehrers zu hängen - weitere Literatur zu erarbeiten. Sich selbst einen Weg zu bahnen, auf dem er im Laufe der Zeit besser wird und vor allem, dass er bei der Stange bleibt.
Wo sind alle die ehemaligen Klavierschüler, die bei den vielen, ach so guten Klavierlehrern Unterricht hatten, aber nicht so viel Motivation mitbekommen haben, dass sie als Erwachsene auch noch mit Vergnügen spielen wollen (und den Kindern ein Vorbild sein könnten)?
Wenn ich mir die hiesige Musikschule angucke - wie viele Klavierschüler gehen da durch! Sie müssten eigentlich waschkörbeweise zu Jugend musiziert kommen, aber da sieht das eher mau aus! Ich bin überzeugt, dass ein höherer Prozentsatz der Schüler den Ehrgeiz hätten, da mitzumachen, wenn ihnen nur ein Weg gezeigt würde. - Es ist natürlich für einen KL immer eine Anspannung, einen Schüler zum Wettbewerb vorzubereiten und anzumelden. Es ist einfacher, sich diesen Aufwand zu ersparen.
Die gleiche Anspannung ist übrigens das jährliche Brot der Gymnasiallehrer und auch der Realschullehrer, die ihre Schüler auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten, mit ihnen mitfiebern und sich dann über die gezeigte Leistung mitfreuen können.
Ganz ähnlich im Sport bei Sportler/Trainer - Paar. Die haben den Ehrgeiz, im Wettkampf zusammen was zu erreichen. Nur so vor sich hin zu sportlern, das ist ihnen zu wenig.
Ich gehörte zum ersten Lehrer/Schüler-Paar, spiele übrigens immer noch mit wachsender Begeisterung Klavier und versuche, andere in dieser Hinsicht anzustecken.
Grüße - Walter