Überlegungen zur Mensur beim Neubesaiten eines Trautwein-Klaviers

Hallo Georg,

Ich bin eigentlich auch von einer massiven Gussplatte ausgegangen bei meinen Überlegungen zur Neubesaitung. Die Stimmnägel würde ich nicht so sehr stärken bzw. verlängern. Bei 6,90x55 wäre das vielleicht 7,10x57 , längstens 7,10x60 / gebläut. Manchmal reicht eine Nummer zu erhöhen - also 7,00 . Man muss gleichfalls die Resonanzbodenstärke prüfen, die Berippung und den Druck, und erst dann die Zugkräfte auf diese Konstruktion fest legen.

Nach korrigiertem Stand der Dinge, also ein Klavier ohne Vollpanzer sind das max. 70kg p. Saite, so etwa 14,5 Tonnen verteilt, die ich in der Regel nicht überschreiten würde. Im Diskant kommst Du dann teilweise auf 60... Wenn die Raste entsprechend massiv ist und alle Verleimungen sehr gut, nirgendwo Risse oder Schwächen zeigt, der Resonanzboden eher stark usw. usw. - man muss wirklich die Konstruktion kennen - kann man u.U. etwas mehr wagen.

Restaurator hat sich wirklich viel Mühe gegeben. Alle Achtung!

LG
Michael
 
Nach korrigiertem Stand der Dinge, also ein Klavier ohne Vollpanzer sind das max. 70kg p. Saite...

Exakt meine Meinung!

Bei einer erneuten Berechnung bin ich von 2000N/Chor (statt vorher 2200N/Chor) ausgegangen.
Ich würde auf keinen Fall höher gehen!
Bitte schau Dir den Stimmstock in der Mittellage genau an (dort wo die Mensur viel zu lang ist).
Sehr wahrscheinlich sind dort bereits Schäden vorhanden (abgelöstes Stimmstock-Doppel, innere Risse, ovale Stimmnagellöcher etc.).

Bei so hohen Zugkräften (wie sie bei modernen Orchester-Konzertflügeln üblich sind) müssen bei so einer Konstruktion mit womöglich nur angesetzter Gußplatte über einen längeren Zeitraum zwangsläufig Schäden entstehen.
Instrumente dieser Art gibt es viele!
Manchmal kann man diese retten (wenn die Schäden mit vertretbarem Aufwand reparabel sind), indem man die Zugkräfte drastisch senkt und das Übel der "zu schön" klingenden Bereiche bewust in Kauf nimmt.

Hallo restaurator,
Wie ist das nach dem Runternehmen der Zugkraft mit dem gitarrenartigen Klang von dem Du ja selbst als Konsequenz sprichst. Passt das dann noch zum Klang im Diskant?

Wie schon gesagt, ist es nicht optimal aber eindeutig das kleinere Übel!

Ein kleiner Hinweis noch zu den Konstanten:
E_Röslau = 215000 N/mm² und K=3,3e15 für Röslau
passt nicht zu der allgemeinen Yuoungschen Formel in der E_modul und Dichte noch vorkommen.

b = [1731/(2×64)] (PI²*d² / f*f*l*l*l*l *(Q/ρ).

Das sieht man auch an der Gegenprobe. Nimmt man für Q das E_modul von Puresound E_PureSound = 187500 N/mm² und die Dichte p mit 7,97 kg/ dm3
kommt K auf 3,14* 10E15.
Wenn ich die Röslaudichte mit 7,85kg/dm3 ansetze muß das E_Röslau kleiner sein.
Ich hatte es mit 1965000 veranschlagt, was mit den K=3,3E15 ganz gut zusammenpasst.
Was nun stimmt weiss ich auch nicht.
Mit E_Röslau = 215000 N/mm² müsste man den K-Wert einiges höher ansetzen.
Hast Du eigene Quellen um das zu prüfen.
Georg

An der Berechnung der Saitenstärken ändert es nichts, ob man 7,85 kg/dm³ oder 7,9 kg/dm³ für Röslau-Draht nimmt. Die Unterschiede in den Zugkräften sind marginal.

Ich zitiere aus "Praktischs Handbuch der Klavierkonstruktion" (Fenner/Großbach):

"Die Konstante K hängt vom E-Modul des Saitenmaterials und außerdem zu einem gewissen Grad von der Qualität der Begrenzung der Schwingungslänge ab.
Der E-Modul E ist in der Konstante K als einfacher Faktor enthalten, sodaß K sich proportional zu E verhält.
Bei der Verwendung von Stahldraht mit einem Elastizitätsmodul von ca. 215000 N/mm² kann man mit einem Wert von K=3,3e15 rechnen."

Auch in "Der Piano-und Flügelbau" (Junghans) wird E mit 215000 N/mm² angegeben.
Bei Fenners Doppelrechenstab ist 210808 N/mm² zugrundegelegt.

Wie dem auch sei, einen großen Unterschied macht es nicht aus und schon gar nicht bei der Berechnung der Saitenstärken.

Nimmt man den Faktor K für PureSound höher (z.B. 3,14e15) rutscht die Harmonizität etwas runter, ist aber immer noch höher als bei Röslau.

Hier nun die neue Berechnung mit 2000N/Chor (ca. 70kg/Saite) als Grundlage:

Trautwein_Clavio_Saitenzug.jpg Trautwein_Clavio_Harmonizität.jpg Trautwein_Clavio_Mensurliste1.jpg Trautwein_Clavio_Mensurliste2.jpg Trautwein_Clavio_ZugChor.jpg

Viele Grüße
 
Lieber Restaurator ! Ihre Tabellen in Ehren , jedoch ist in Beiden m.E. ein gravierender Fehler , - das Trautwein Pianino hat lt. Eigentümertabelle eine klingende Länge von 420 mm bei A ( Ton 49 ) , Ihre Tabellen nehmen als Berechnungsgrundlage 446 mm !!! am A , 420 mm am b !??
Könnten Sie das erklären ! Danach möchte ich mich dazu äussern .
 
Lieber Restaurator ! Ihre Tabellen in Ehren , jedoch ist in Beiden m.E. ein gravierender Fehler , - das Trautwein Pianino hat lt. Eigentümertabelle eine klingende Länge von 420 mm bei A ( Ton 49 ) , Ihre Tabellen nehmen als Berechnungsgrundlage 446 mm !!! am A , 420 mm am b !??
Könnten Sie das erklären ! Danach möchte ich mich dazu äussern .

Herzlichster klaviermacherwien!

Die Tabellen stimmen schon, wenn man die angegebenen Werte von Georg zugrunde legt. Er hatte wohl nur das a1 an der falschen Stelle rot markiert.
Wenn Sie einmal genau durchzählen, muss es so sein, da er genau 56 Zahlenwerte für den Diskant angegeben hat. Der Baß hat 13 x 1-ch , 16 x 2-ch macht zusammen 13+16+56=85 (bis a4).
Wenn Sie vom Übergang bis zum a1 zählen landen Sie bei 446 mm!

Übringens würde die Mensur mit 420mm bei a1 sehr gut aussehen!! Leider ist dem nicht so.

Grüße
 
Hallo , Sie haben recht , ich habe natürlich nicht nachgezählt . 446 am A ist eine extrem "lange Mensur " , obwohl es weiter oben relativ normal ist . Ich habe mich schon mehrfach mit sogg. Mensurprogrammen beschäftigt ( Stopper , ein englisches - Name vergessen ) , ehrlich gesagt , ich halte nicht sehr viel davon , sehr viel GRAUE Theorie ! "Ihre Mensur" 1) mit 13,5 soweit herunter oder gar Versuch 2) mit 13 und 13,5 soweit herunter ( die meisten Klaviere haben dort bereits 15 oder 15,5 Draht ) kann ich mir praktisch nicht vorstellen mit ordentlichem Ton . Seit Jahren vermesse ich bei allen möglichen und unmöglichen Marken vor Neubesaitung die Mensuren , man trifft manchmal auf ziemlich Aussergewöhnliches ,das auf theoretisches Nichtwissen schliessen lässt , aber SO eine Mensur habe ich noch nie gesehen . - Übrigens ,wo sind die Basssaiten in der Berechnung ??

Sehr wahrscheinlich ist auch die Längenvermessung nicht richtig ,denn : Das Klavier hat sicher min.130 cm Kastenhöhe ab Boden , d.i. ca. 120-122 cm Rastenhöhe .
Bei dieser Höhe eine kl. Länge des 1.Tones von 116 cm ist äusserst gering , das wäre fast geradesaitig !?

Im übrigen wird man aus einem Trautwein samt "Idealmensur" kein gutes Klavier machen können .
 
...sehr viel GRAUE Theorie ! "Ihre Mensur" 1) mit 13,5 soweit herunter oder gar Versuch 2) mit 13 und 13,5 soweit herunter ( die meisten Klaviere haben dort bereits 15 oder 15,5 Draht ) kann ich mir praktisch nicht vorstellen mit ordentlichem Ton .

Also graue Theorie hin oder her. Die Saitenzugkraft zu berechnen ist nicht sonderlich anspruchsvoll und kein großes Geheimnis.
Der Klang wird einem mit diesen optimierten Saitenstärken nicht vom Hocker hauen, aber die Stimmhaltung/Stimmbarkeit und statische Sicherheit ist gegeben. Und wenn Georg das Klavier nicht entsorgen möchte (vielleicht sollte man ihm dazu raten), ist das eine gute Lösung.

Übrigens ,wo sind die Basssaiten in der Berechnung ??
Sehr wahrscheinlich ist auch die Längenvermessung nicht richtig ,denn : Das Klavier hat sicher min.130 cm Kastenhöhe ab Boden , d.i. ca. 120-122 cm Rastenhöhe .
Bei dieser Höhe eine kl. Länge des 1.Tones von 116 cm ist äusserst gering , das wäre fast geradesaitig !?

Der Baß interessiert hier doch gar nicht. Es geht laut Ausgangsfrage von Georg darum, ob man für das Dilemma Zugkraftverkleinerung und daraus resultierender viel zu hoher Harmonizität in der Mittellage eine Lösung finden kann.
Antwort: ein klares NEIN, auch nicht mit PureSound o.ä.!

Im übrigen wird man aus einem Trautwein samt "Idealmensur" kein gutes Klavier machen können .

Da stimme ich Ihnen vollkommen zu!
 
Stimmhaltigkeit und stat. Sicherheit ist recht u. schön , doch m.E. kann diese umfangreiche Arbeit - noch dazu offenbar von einem Laien ausgeführt - doch NICHT NUR
dazu führen . Schliesslich hat man ein Klavier zum Spielen und dabei sollte doch auch die tonl. Leistung ziemlich im Vordergrund stehen .
Im übrigen , so ganz uninteressant ist der Bassbezug nicht , denn vorausgesetzt ein Original - BassBezug mit sehr hoher Zugkraft und dann beim Blankbezug Ihre dünnen Saiten mit wenig Zug - ergibt sicher nicht das gelbe Ei betr. Statik ! Entsorgen ist wohl der richtige Rat ,ausser der Eigentümer wollte unbedingt ein Privatissimum über Trautwein machen .
 
Da ist was Wahres dran...lol...Wie sagte mein Großvater: Wer viel misst, misst viel Mist.

Ich bleibe dabei, insgesamt ne halbe Stärke runter gehen und wenn es ein Mischbezug sein soll, die letzten Chöre am Übergang - die letzten 6 - mit Puresound beziehen...

Diese Belastung (ne halbe Stärke runter) würde der sehr wahrscheinlich ohnehin schon angeschlagene Stimmstock nicht sehr lange überleben... aber egal, ich bin auch der Meinung, dies Klavier zu entsorgen!

Es ging mir in erster Linie um den direkten Vergleich Röslau - Puresound (da ist es mir eigentlich egal ob es ein Trautwein oder ein Steinway ist) .

Ich glaube Puresound im Übergang kann man sich bei diesem Klavier auf jeden Fall sparen!!
 
Im übrigen , so ganz uninteressant ist der Bassbezug nicht , denn vorausgesetzt ein Original - BassBezug mit sehr hoher Zugkraft und dann beim Blankbezug Ihre dünnen Saiten mit wenig Zug - ergibt sicher nicht das gelbe Ei betr. Statik !

Der Baß müsste natürlich der Belastung des Blankbezugs angepasst werden, was heißt neue Baßsaiten (einfach dünner umsponnen).
 
Hallo zusammen,

Weil so viele Beiträge eingegangen sind will ich mich mal an alle wenden und erst mal bei allen bedanken.
Tut mir Leid, das hier so viel Hirnschmalz verwendet wird für ein Klavier, das die Experten hier als reif für den Sperrmüll bewerten.

Wie restaurator richtig gemerkt hat, mein a1 in der Längenangabe lag eins daneben. Sorry,war einfach zu müde.
Die Mensur ist überlang, stimmt leider.
Was die bei Trautwein sich wohl dabei gedacht haben, das mit dicken Saiten ausgleichen zu wollen? Fragen kann man da keinen mehr.

Was die Zugkräfte im Bass angeht, die hab ich in meinem Mensurprogamm berücksichtigt und weiter oben in die Grafik mit übernommen.
Die sind eher moderat. Mit Ausnahme vielleicht der einchörigen Saiten. Allerdings ist die Messung der doppelt umsponnenen Saiten und die Berechnung der Kupfermasse mit größeren Fehlern behaftet.
Die Wirbel im Bass halten den Saitenzug. Leichtergängige Wirbel sind noch im 3-chörigen Bereich.

Jetzt bin ich doch wieder verunsichert, ob die Umsaitung wagen soll.
Nicht dass ich mir das nicht zutraue.
Ich hatte die Neubesaitung erst erwogen nachdem eine kleinere Stimmstockschwäche erfolgreich geleimt und die leichtgängigsten 10 Wirbel gegen 7,1mm x 60mm getauscht waren, so dass sie die Stimmung wieder hielten.

Andererseits hab ich schon so viele Stunden übend mit dem Klavier verbracht. Ich hätte ja nicht gedacht, dass man da so eine Art Beziehung aufbaut.
Ich werde wohl doch nochmal überlegen , ob es nicht einen Mittelweg gibt, der man Stimmhaltung; Zugkraftverteilung und Klang unter einen Hut bekommt.

Auch wenn sich die Fachleute nicht einig sind.
Anregungen habe ich dadurch jetzt mehr als genug bekommen.

Kommt gut in die neue Woche,
Georg
 
Hallo zusammen,

das Trautwein- Klavier wollte ich noch nicht entsorgen.

Also machte ich mich letztes Wochenende endlich ans Umsaiten des Blankbezugs.
Der Bassbezug sollte nur die neuen Wirbel bekommen. Für Spannung war also gesorgt, bis die letzte Basssaite wieder hochgezogen war.
Da ich das noch nie gemacht hatte hat es am Ende mit ein paar Verschönerungen drei Tage gedauert, bis zum ersten mal wieder gespielt werden konnte.

Ich habe nicht die radikale Reduzierung der Saitenstarken gewählt, aber auch nicht die generelle Zurücknahme um eine halbe Stärke.
Nur der Zugkraftberg in der Mittellage wurde auf einem kleineren Hügel zurückgestutzt. Die Zugkraftverteilung ist jetzt weit ausgeglichener als vorher.

Die durchschnittliche Zugkraft pro Saite liegt mit 716 Newton noch etwas hoch, schien mir aber vertretbar, wenn man bedenkt, dass Stimmstock und Gußrahmen gut hundert Jahre fast 800 Newton ausgehalten hat. ( Bis auf die Stelle, wo z.T. über 900 Newton das Stimmstockdoppel angegriffen hatten).
Von Mensuration scheinen die Trautweiner vielleicht nicht so viel Ahnung gehabt zu haben. Das verarbeitete Holz und die Verleimungen, sei es an Gehäuse, Rasten , Stimmstock und Resonanzboden sind aber, mit kleinen Einschränkungen, durchaus solide. Der Resonanzboden hat nicht mal einen Haarriss.

Nach zweimaligem Stimmen hält die Stimmung schon ganz gut.
Die Wirbel sitzen fest. Einige Wirbel im Diskanz leider schon etwas zu fest.
Da könnte ich nacharbeiten, falls das auf Dauer vielleicht schlecht für den Stimmstock sein sollte. Bin mir aber nicht sicher, ob es nötig ist.
Bis auf diese Kandidaten ist die Stimmbarkeit nun wesentlich besser.

Ich kann als Fazit sagen, es hat sich gelohnt, der Drahtkommode noch eine Chance zu geben.
Klanglich war ich nach dem ersten Hochzupfen der Saiten noch nicht so ganz überzeugt. Der alte laut- brillant-schrille Klang der Mittellage war als Referenz noch im Kopf. Die neuen Saiten klangen auch irgendwie noch nicht so gut, wie jetzt nach ein paar Tagen. (Ist das so , oder bilde ich mir das ein?)
Ganz großer Vorteil: Nun kann endlich auch mal differenziert leise gespielt werden.

Nur dort, wo die Inharmonizität durch die dünneren Saiten sehr stark abgenommen hat, ist mir der Klang noch ein bisschen zu sauber, zu gundtönig. Das liegt aber wohl auch daran, dass ich die frühere Schärfe in dem Bereich wegintonieren wollte. Vorsichtig zwar, aber zu den dünneren Saiten würde der alte harte Hammerkopf wahrscheinlich besser passen.


Kommt gut ins Wochenende,
Georg
 

Hallo Georg, ich find solche "Verrückte" wie Dich einfach klasse! Ohne Euch (auch in anderen Bereichen) wäre die Welt arm dran. Viel Erfolg weiterhin!
 
Hallo Georg,

Freut mich, dass Dir die Arbeit gelungen ist!
Was sind schon drei Tage zu hundert Jahren....

Viel Spaß mit musizieren wünsch ich Dir.

LG
Michael
 

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