... habe ich noch einige Fragen an @chiarina zu ihrem Beitrag :
Wie würdest Du das Prélude als konkretes Beispiel angehen? Was wäre „Zeitlupe“, wie schnell die Tempostufen steigern, auf was achten?
Lieber Debösi,
unabhängig von der Klangqualität der Sechzehntel gehe ich bei einem Stück immer vom Großen zum Kleinen. Ich schaue mir also erst die große Form an, finde große Formabschnitte heraus, die ich dann in immer kleinere Teile aufteile. Ich schaue mir die Vortragsbezeichnungen an, überlege, was für einen Charakter das Stück hat, stelle mir vor, wie das Stück klingt, wie seine Entwicklung ist, spiele es auch vom Blatt und spiele auch mit Hilfe des Weglassens von Tönen die grobe Struktur.
So gewinne ich einen Überblick, der mir auch bei kleinschrittigem Üben hilft.
Du hast jetzt ja schon eine Klangvorstellung, kennst das Stück schon und willst die Sechzehntel perlend haben. So stelle ich mir sie auch vor.
Als allererstes würde ich diese Sechzehntel im Tempo oder in einem Tempo, das klappt, spielen und hören, wie sie klingen. Wenn du das machst, bist du dann zufrieden oder unzufrieden mit dem Klang? Klingen sie perlend, so wie du dir das vorstellst?
Wenn ja, ist alles super und du brauchst das nicht zu üben, weil es ja schon bestens klingt.
Wenn nein, besteht Handlungsbedarf. Der richtet sich nach dem, WIE du die Sechzehntel spielst. Es gibt viele Übestrategien und sie richten sich nach dem, was ich bei dir hören und sehen würde. Leider fällt diese Möglichkeit hier weg.
Welche Erfordernisse brauchen diese Sechzehntel? Sie sind oft sehr leise (pp) und dann auf jeden Fall in Richtung leggiero (jeu perle) zu spielen an der Auslösung, so wie es
@hasenbein beschrieben hat. Innerhalb der pp-Sechzehntel schon in Takt 1 sind aber nicht alle Sechzehntel gleich zu spielen, das a' z.B. hat Vorhaltcharakter und wird deshalb intensiver/in Verbindung zum auflösenden g klingen. Bestimmte Töne sind wichtiger als andere, Richtungen, dynamische Entwicklung und musikalische Ausssage der Sechzehntel ändern sich und so ist eine große klangliche und damit auch technische Flexibilität erforderlich. Es kommen z.B. ff-Sechzehntel vor, die sehr brillant (Glocke) klingen müssen.
Entscheidend bei allen Sechzehnteln ist die Armführung, die die musikalischen Bausteine zusammenfasst, im 1. Takt z.B. zwei Bausteine a sechs Sechzehntel, die mit rechts in Ellipsen gegen den Uhrzeigersinn ausgeführt werden. In dieser zusammenfassenden und übergeordneten Armbewegung machen die Finger die Detailarbeit. Sie zupfen mehr oder weniger je nach Klang die Taste ab, im pp an der Auslösung, im ff bis zum Tastengrund. Je nach gewünschtem Klang kann man das ff von einem schnellen non legato bis zu einer brillanten legato-Verbindung der Töne spielen (auf den Anfang der Töne hören etc., wie ich in meinem letzten Beitrag geschrieben habe).
Da ich dich nicht "vor Ohren" habe, kann ich hier nur einige Möglichkeiten aufzählen und du probierst aus:
Für ein perlendes leggiero:
a) spiele die Sechzehntel forte bis fortissimo und staccatissimo mit einem starken Fingerimpuls (Abzupfen). Höre auf die Pausen, die zwischen jedem Ton entstehen! Lass zu, dass das Hinterland von Hand und Arm auf diesen starken Impuls reagiert. Das ist sehr langsam, etwas ein Sechzehntel pro Sekunde oder noch langsamer. Natürlich kannst du da keine übergeordnete elliptische Bewegung des Arms machen, sondern der Arm reagiert auf jeden einzelnen Fingerimpuls. Der Impuls kommt aber nicht vom Arm!
b) nun machst du das Gleiche, aber etwa mf (also leiser) und schneller (etwa zwei Töne pro Sekunde. Der Arm reagiert immer noch auf jeden Impuls, aber nicht mehr so viel, weil der Impuls durch das leisere mf ja schwächer ist. Er fasst aber mit einer elliptischen Bewegung schon die ersten sechs Sechzehntel zu einer Bewegung zusammen.
c) das Gleiche noch schneller und leiser. Der Arm reagiert nicht mehr auf die einzelnen Fingerimpulse, die jetzt piano klingen, sondern führt die Ellipse aus (Gegenbewegung zum Uhrzeigersinn). Die Finger zupfen ganz leicht an der Auslösung ab. Der Klang wird noch leiser und ich probiere aus, was im Leisen möglich ist. Ich fühle sehr den Auftrieb der Taste mit der Auslösung. Ich werde alles jetzt ins Endtempo bringen und dabei die Ellipse verkleinern (weit genug nach links gehen, um den Daumen zu erreichen! - der Daumen ist beim a' noch nicht auf dem d', sondern geht die Bewegungen immer völlig entspannt mit). Vom Gefühl her bin ich sehr nahe/in der Taste und spiele mit winzigen abzupfenden Bewegungen der Finger die Sechzehntel.
Gleichzeitig werde ich mit dem a (vermutlich der 4. Finger) ein bisschen in die Taste eintauchen und dann sofort an der Oberfläche weiter spielen, damit ich den Vorhaltscharakter etwas heraushebe.
* * *
Das betraf nun das leggiero. Ich will aber mehr und noch größere Flexibiltät erwerben im Umgang mit den perlenden Sechzehnteln. Also werde ich auch die Methode wählen, die ich in meinem vorherigen Beitrag beschrieben habe:
d) Du kannst gleich die ff-Stelle nehmen, das aber auch an den pp-Sechzehnteln üben. Ich mache das eigentlich erst an Tonleitern und erst dann an Stücken, um die generelle Anschlagsart zu üben.
Dabei spielst du nun jeden Ton portato und forte. Etwa alle 2 Sekunden einen Ton (totale Zeitlupe). Du hörst auf den Anfang des Tones und gehst mit einem schnellen Fingerimpuls bis zum Tastengrund. Durch das forte muss der Arm reagieren - auf keinen Fall unterdrücken!
Du lässt dich dann von der Taste hochtragen, Hand und Arm werden dazu ganz leicht. Der Ton insgesamt soll voll sein, nicht hart (hart bedeutet immer zuviel Spannung).
e) Das Gleiche nun im legato, d.h., die Töne werden miteinander verbunden. Allerdings hörst du immer noch auf den Anfang jedes Tones (Glocke, die ja auch nach dem "Anschlag" leiser wird) und machst nach dem Anschlag Hand und Arm so leicht wie möglich. Das Tempo ist immer noch totale Zeitlupe (gleiches Tempo wie bei d).
f) Nun bleibt alles gleich, aber du steigerst das Tempo. Der Klang ist immer noch forte, aber voll, nicht hart (Glockentöne). Wenn man Schwierigkeiten mit bestimmten Passagen hat, kann man jetzt rhythmisiert üben, auf langem Ton entspannen und so leicht wie möglich machen.
Das Tempo wird weiter gesteigert, möglichst ins Endtempo. So kann man auch sehr schnelles non-legato spielen, aber auch ein brillantes legato. Ohne eine gute Armführung klappt das nicht, weil man dann verkrampft. Natürlich wird man das auch im piano und mf etc. spielen und probieren. Der Klang wird nicht so leicht sein wie beim leggiero, sondern etwas mehr Kern und Brillanz haben. Er wird aber auch nicht schmierig klingen, sondern glockenhaft.
Es ist sehr schwierig, dass verbal zu beschreiben. Zeigen geht viel besser - wir können es ja beim nächsten Mal probieren, wenn wir uns wieder sehen.
Ist es denn jetzt klarer geworden?
Liebe Grüße
chiarina