Studium Hauptfach Klavier, unnötigstes Fach?

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Alter Tastendrücker

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31. Aug. 2018
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Hallo, viele, die hier mitdiskutieren haben irgendwann studiert. Ich nehme mal an in vielen Fällen Instrumentalpädagogik mit Hauptfach Klavier.
Dies zu ganz verschiedenen Zeiten.
Dumme Frage: "Was war das unnötigste Fach im Studium?"
Bei mir war die Methodik nicht gerade überwältigend, aber den geringsten Nutzen für den Beruf brachte die allgemeine Musikpädagogik.
 
Es gibt viele Dinge, die frontal am Besten zu vermitteln sind.
Du unterbrichst ja auch Dein Konzert nicht um Leute im Publikum zur Mitarbeit auf der Bühne aufzufordern.
Wenn der Kompetenzunterschied groß und der Gegenstand nach seinen Eigenschaften frontal zu vermitteln ist, dann ist das auch die beste Lösung!
Funktionierende Gruppenarbeit habe ich bisher nur bei seltenen Gelegenheiten erlebt, wenn es wirklich darum ging gemeinsam ein von allen intensiv angestrebtes Ziel zu erreichen.
Das gilt übrigens auch für Sitzungen, bei denen selten etwas Bedeutendes erreicht wird.
 
Es gibt viele Dinge, die frontal am Besten zu vermitteln sind.
Du unterbrichst ja auch Dein Konzert nicht um Leute im Publikum zur Mitarbeit auf der Bühne aufzufordern.
Wenn der Kompetenzunterschied groß und der Gegenstand nach seinen Eigenschaften frontal zu vermitteln ist, dann ist das auch die beste Lösung!
Funktionierende Gruppenarbeit habe ich bisher nur bei seltenen Gelegenheiten erlebt, wenn es wirklich darum ging gemeinsam ein von allen intensiv angestrebtes Ziel zu erreichen.
Das gilt übrigens auch für Sitzungen, bei denen selten etwas Bedeutendes erreicht wird.
Ich halte nicht sehr viel von Frontalunterricht. Jedenfalls dann nicht, wenn man will, dass die Teilnehmer lernen, selbständig zu arbeiten, selbst zu denken und nicht alles vorgekaut bekommen. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Gruppenarbeit gemacht (als Lehrer). Es ist allerdings viel Vorbereitungsaufwand. Frontalunterricht setzt bei den Teilnehmern relativ hohe Aufmerksamkeit und Konzentration voraus, sonst passiert der Klassiker: Leerer Blick, gedankliches Abschweifen, auf die Frage, ob man verstanden hat ein überzeugtes "Ja", bei der anschließenden Verständnisfrage dann totale Ahnungslosigkeit. Gruppenarbeit ist häufig entspannter für alle Beteiligten, interaktiver, weniger langweilig.

Ich sage das übrigens als jemand, der Gruppenarbeit in der Schule auch immer doof fand :) aber meine Unterrichtserfahrung und auch ein wenig die hochschuldidaktische Weiterbildung haben mich umgestimmt.

@Häretiker: Ich spreche von Unterrichtssituationen mit 15-30 Personen. Andere Gruppengrößen verlangen natürlich auch andere Methoden.

lg marcus
 
Ich denke, es kommt auch sehr auf den Inhalt an. Mathe z.B. eignet sich nicht als reiner Frontalunterricht - da muss auch eigene Tätigkeit dabei sein. Selbes gilt für Musiktheorie usw. Aber bei Musikgeschichte sehe ich das nicht so sehr, wenn wirklich nur der reine Inhalt vermittelt werden soll. Soll aber auch anderes vermittelt werden, z.B. die Fähigkeit zum Recherchieren, Zitieren, wissenschaftlichen Arbeiten etc., dann ist natürlich auch Einzel- und Gruppenarbeit nötig. In meinem Fall der Literaturkunde ist es für mich wirklich reines Interesse am Inhalt. Wie Radiohören, nur, dass ich auch nachfragen kann. Das war sehr schön (aktuell bin ich leider zeitlich verhindert...).
 
Einfach mal Spaß haben und den Prof. mit ungläubigem Gesicht dasitzen lassen.

Analyse.

Meine einleitenden Worte waren: Liebe Leute, vergesst Sekundärliteratur, die habe ich nicht gelesen, ich werde mich hier ausschließlich auf den Originaltext beziehen.

Ich werde Euch also etwas erzählen, ein paar Beispiele vorspielen und danach eine Conclusio vortragen, die möglicherweise nix mit dem zu tun hat, was man generell als Sekundärliteratur verpflichtend gelesen hätte haben sollen.

Beethoven, Fuge der Hammerklaviersonate
Beethoven, Diabelli-Variationen
Scriabin, 9. Sonate

Herrje, hatte ich einen Spaß dabei.
 
Mathe z.B. eignet sich nicht als reiner Frontalunterricht

Und dennoch habe ich Leute kennen gelernt, die das hervorragend geschafft haben. Es gab ja auch noch Übungen ... übrigens auch als Frontalunterricht, aber 'etwas' kleiner. Und zuhause den Stoff nachbereiten, in dem man selbst rechnet. Aber der eigentliche Stoff wurde frontal vermittelt.

Lassen wir uns mal schauen:
vier Semester Höhere Mathematik für Physiker und E-Techniker: Super Vorlesung
zwei Semester Lineare Algebra für Mathematiker und Physiker: ziemliche Katastrophe
fünf Semester in der Lehrer: zwei Semester hervorragend (Analysis und LA), zwei Semester sehr gut (Numerische Mathematik) ein Semester so lala (Statistik)

Von 12 Semestern waren 8 mindestens sehr gut. Geht doch. :-)

Grüße
Häretiker
 
Ich denke, es macht einen großen Unterschied, ob man ein fertiges Set von Fakten/Regeln/Gesetzmäßigkeiten lernt oder ob man lernen muss, Argumente gegeneinander abzuwägen, eigene Positionen zu formulieren, fremde Positionen zu kritisieren etc. Das lernt man nicht durch Zuhören allein.

lg marcus
 

@Häretiker, wie schön! Da ich im Audimax schon zigmal aufgetreten bin, weiß ich, daß er sogar 1045 Plätze hat...
 
Ich werde Euch also etwas erzählen, ein paar Beispiele vorspielen und danach eine Conclusio vortragen, die möglicherweise nix mit dem zu tun hat, was man generell als Sekundärliteratur verpflichtend gelesen hätte haben sollen.
Ich habe ein paar Semester Musikwissenschaft studiert und dabei einige Male die entnervende Situation gehabt, dass ich mit viel Mühe (und Vergnügen!) eine Analyse erstellt hatte und vom Professor die Frage kam: "Wo haben Sie das her? was sind Ihre Quellen? ...".
Die Idee, dass man direkt und ohne Umweg mit dem Notentextes arbeitet wurde als befremdlich angesehen!?
 
Ich habe ein paar Semester Musikwissenschaft studiert und dabei einige Male die entnervende Situation gehabt, dass ich mit viel Mühe (und Vergnügen!) eine Analyse erstellt hatte und vom Professor die Frage kam: "Wo haben Sie das her? was sind Ihre Quellen? ...".
Die Idee, dass man direkt und ohne Umweg mit dem Notentextes arbeitet wurde als befremdlich angesehen!?
Ja! Danke! So sehe ich das auch. Warum soll ich abschreiben? Wenn ich etwas Neues schreiben soll, soll es auch etwas Neues sein!
Es sei denn, es ist Teil der Aufgabe, verschiedene Ideen zusammenzutragen oder zu vergleichen.
 
Diesem Wahn saß ich auch mal auf. Bis ich auf die Idee kam, eine Dissertation in einer Geisteswissenschaft zu schreiben. :schweigen:

Verstehe ich nicht. Eine Dissertation zu schreiben, ohne etwas Neues zu erarbeiten ist doch genau das Gegenteil von dem, was eine Dissertation ausmacht.

Ein Literaturverzeichnis zu erstellen und im Haupttext eine Zusammenfassung eben jener Literatur zu machen, das ist vielleicht eine akademische Fingerübung, aber doch keine Grundlage für eine Dissertation.
 
Eine Dissertation zu schreiben, ohne etwas Neues zu erarbeiten ist doch genau das Gegenteil von dem, was eine Dissertation ausmacht.

Ich habe mir als Student - da hat man noch Zeit für solchen Quatsch, auch wenn man 6-8 Stunden übt - mal den Spaß gemacht Musikwissenschaftliche Dissertationen durchzulesen, die in den Bibliotheken rumstanden.
Das Ergebnis war sehr deprimierend. Jedes Analyseseminar an der Musikhochschule, jede moderne Methodikveranstaltung, ... , alles war anspruchsvoller als 90% dieser zum Tragen des Doktortitels berechtigenden Schriften.
Wesentlich interessanter ist es die Thesen der Masterstudiengänge amerikanischer Universitäten zu lesen. Auch einiger Schrott, aber im Schnitt deutlich näher an der Praxis und an der Musik.
Das Lustigste aber sind die neueren "Doktorarbeiten" der Musikpädagogen!
"Niveau im Gruppenunterricht" u. Ä. (sinngemäß zitiert)
 
Auch einiger Schrott, aber im Schnitt deutlich näher an der Praxis und an der Musik.
@Alter Tastendrücker
woher hast du das implizierte Märchen, dass musikwissenschaftliche Publikationen der Praxis dienen müssten bzw auf diese hin orientiert sein sollten???
...es gibt zahlreiche Literaturwissenschaften (Germanistik, Romanistik, Slawistik usw.) und keine davon versteht sich als Schreib- oder Rezitierlehre für den jeweiligen Sprachraum, um dort Dichter oder Rezitatoren hervorzubringen.

Musikwissenschaft hat als Gegenstand Musik, und das ist ne gehörige Menge... um es ganz bösartig sachlich zu benennen: die gesamte Klimperei macht nur einen sehr kleinen Teil dieses Gegenstands aus, und die Sorgen und Nöte der Klimperfritzen beim realisieren der Klimperei sind die allergeringste Sorge der Musikwissenschaft. Denn sie ist nicht dazu da, dem Sänger das singen, dem Dirigenten das dirigeren oder dem Pianisten das klavierspielen beizubringen.

Und bevor jetzt losgewettert wird: das ist eine große Chance für jeden Instrumentalisten, sowohl eine sachlich-nüchterne Perspektive als auch eine historisch-kritische, rezeptionsgeschichtliche und rein "theoretische" Perspektive auf seinen Lieblingsbestandteil der Musik werfen zu können, um so seinen Horizont zu erweitern. Hierbei gibt es sehr wohl fachlich exzellente und obendrein gut lesbare musikwissenschaftliche Arbeiten - um nur ein Beispiel zu nennen: Prof. Werner Breigs Aufsatz über Chopin und Wagner (wo Harmonik und Formverläufe von Lohengrin und Polonaise-Fantasie verglichen werden, um zu testen, ob Chopins Harmonik tatsächlich Einfluß auf den Komponisten der späteren Tristanharmonik hatte) Fürs singen der Elsa oder fürs spielen der Polonaise-Fantasie mag das nicht hilfreich sein, aber dafür wars auch nicht geschrieben ;-)

Als versöhnlicher Tipp: man kann ja statt Schrott auch vernünftige/gelungene musikwissenschaftliche Arbeiten lesen - es wird nicht schaden!

(kennst du die nene Tschaikowskiausgabe? ...puh...der Anmwerkungen- und Variantenapparat ist selbst mir zu viel... schon monströs, wie die neopositivistische Überkorrektheit da papierfressend jede Miniäbweichung breit auswalzt...….)
 
Prof. Werner Breigs Aufsatz über Chopin und Wagner (wo Harmonik und Formverläufe von Lohengrin und Polonaise-Fantasie verglichen werden, um zu testen, ob Chopins Harmonik tatsächlich Einfluß auf den Komponisten der späteren Tristanharmonik hatte) Fürs singen der Elsa oder fürs spielen der Polonaise-Fantasie mag das nicht hilfreich sein, aber dafür wars auch nicht geschrieben

Natürlich ist dies genau der Teil der Musikwissenschaft, der interessant und lesenswert ist! Vielen Dank für den Hinweis! Und dergleichen hilft natürlich die Polonaise-Fantaisie besser zu gestalten.
Dazu gibt's einen großen Bereich der Musikwissenschaft, der uns direkt und elementar betrifft: die Textkritik und damit zusammenhängend das Erstellen verläßlicher Ausgaben.
Aber Du wirst ja wohl nicht in Abrede stellen, dass viele der Elaborate eher weniger erhellend sind!
Die Musikwissenschaft hat seit einiger Zeit übrigens die Interpretation als Gegenstand entdeckt. Mit sehr unterschiedlichen Qualitäten.
 
Aber Du wirst ja wohl nicht in Abrede stellen, dass viele der Elaborate eher weniger erhellend sind!
...das ist in allen Literatur- & Kulturwissenschaften so, da hat die Musikwissenschaft keine Sonderrolle... leider... (was hat es nicht alles für Quark über "Dekonstruktivismus" in der Lit.Wiss. gegeben...)

...übrigens bezweifle ich, dass es in den Naturwissenschaften anders wäre: z.B. in der Medizin gibt es genügend paar Jahre alte Publikationen, welche heute veraltete (und inzwischen als kontraproduktiv bewertete) Therapien vehement verfochten - - Wissenschaftsgeschichte ist auch was feines :-D
 

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