Früher gab es eine ganz andere Rechtslage, eine andere Sensibilität und lauter Hasenbeinige an den Stellen, die davon ausgehen, Frauen provozierten Übergriffe und fänden sie eigentlich OK (sonst würden sie ja vollverschleiert in einem schwarzen Zelt herumlaufen bzw. die eigenen 4 Wände nicht verlassen, wie es in vielen Weltregionen noch heute gilt).
Bis vor noch nicht allzu langer Zeit musste die Betroffene noch nachweisen, dass sie heftige Gegenwehr zeigte (und somit ausgeschlagene Zähne, Fausthiebe ins Gesicht u.ä. riskierte), damit in den Augen der "Juristen" überhaupt eine Vergewaltigung stattfand. Wenige Jahre ist diese Gesetzesänderung erst her! Ich fand den Ausschnitt aus dem Buch sehr zutreffen, von
@beo zitiert: Anzeige schön und gut, aber welchen öffentlichen Rattenschwanz zieht das nach sich (die blöde Kuh will den Ruf und die Karriere des Täters ruinieren, sie lügt, sie will sich rächen, sie will sich interessant machen blabla).
Ich bezweifle außerdem, dass es Mädchen/Frauen gibt, die lebenslang niemals Gegenstand einer männlichen Machtdemonstration (aka "sexueller" Übergriff) werden. Ab wann zeigt man an? Was muss passieren, damit man den ganzen Ärger und Huddel mit Anzeige & Co. auf sich nimmt? Das Grapschen im Gedränge anonymer Personen – zeigt man das an, wie macht man den anonymen Grapscher gegenüber der Polizei überhaupt greifbar? Was muss frau notgedrungen hinnehmen, ehe sie anzeigt? Ist die Grenze erst dann erreicht, wenn sie körperlichen Schaden nehmen?
Normal ist für mich, dass die Frau dem Kerl eine knallt, wenn er ungewollt übergriffig wird. Hilft das nicht, Tritt in die Eier, (um Hilfe) schreien wie am Spieß, weinen, flehen.... das sind für mich stinknormale, sogar instinktive Wehrmechanismen.
Das klingt für alle erst mal logisch. Schade, dass solche Situationen keinem logischen Plan folgen. Die Anzeige bekommt dann die In-die-Eier-Tretende, nämlich wegen Körperverletzung, Verleumdung & Co. Suuuper.
Immer und immer wieder gibt es die Frage von Außenstehenden – es ist eher ein Vorwurf als eine Frage: "Warum hat sie sich denn nicht gewehrt?" (die blöde Kuh, selbst dran schuld ... ein bisschen Spaß hat es ihr offenbar doch gemacht ... sie hat das provoziert und den armen Kerl in eine Falle gelockt)
Die Betroffenen schildern eine Schockstarre, sie haben Mühe zu realisieren, was gerade abgeht, fühlen sich gelähmt und verabschieden sich sogar zeitweilig aus der Realität, sind benommen, ohne konkrete Erinnerung, wie nach einem "Schlag auf den Kopf". Das Gehirn ist so schnell nicht in der Lage, das Ungeheuerliche zu verarbeiten, und schaltet automatisch auf Standby.
Ein Grund , warum Opfer sich nicht wehren, ist unter anderem Angst, furchterregende Angst. In solch einer Situation zu sein können sich die meisten hier wahrscheinlich nicht ansatzweise vorstellen.
Die Situation eines Machtübergriffs passt glücklicherweise nicht ins Welt- und Menschenbild. Die Attacke ist nicht nur ein Angriff gegen die persönliche Integrität, sondern auch auf die Vorstellung, "wie die Welt ist". Sie ist absurd, surreal, angsteinflößend und bedrohlich zugleich. Es erfolgt eine paradoxe Reaktion (freeze statt fight/flight, Passivität statt Gegenaggression oder Flucht), ganz viele Opfer berichten davon.
Aber es hilft ja nix. Wenn man seine beschwerliche Situation verbessern will, geht das nur durch Konfrontation mit der Situation. Anders ist das nicht möglich. Deshalb bringt es auch gar nichts und ist der falsche Weg, immer und immer wieder Verständnis dafür auszudrücken, dass die Leute schweigen oder erst nach Jahren den Mund aufmachen. Nein! Man muss jeden Menschen dazu ermuntern, nicht zu schweigen und das Schwein sofort und auf der Stelle anzuprangern, Verständnis hin oder her. Jede einzelne Minute später als sofort tut dem Opfer weiter weh, schützt den Täter und hat mitunter weitere Opfer zur Folge.
Hier und jetzt, gemütlich am Läppi sitzend, mit einem schönen heißen Kaffee neben mir, würde ich auch sofort sagen: Ja klar doch! Volles Geschütz!
Falls bei dem Übergriff die Frau nicht grün und blau geschlagen wird (was sie durch Passivität zu verhindern versucht), ist das aber alles eine Grauzone. Eine Freundin von mir hat mir mal eine Vergewaltigung geschildert, bei der ich als locker-flockige Außenstehende und Nichtbetroffene nicht verstehe, warum sie so passiert ist, wie sie passierte. Sie hätte vor keinem Gericht der Welt auch nur eine Zulassung des Verfahrens bekommen. Die Schockstarre ist ein paradoxes Verhalten, das die Betroffenen im Nachhinein selbst nicht erklären können, sie können noch nicht einmal präzise sagen, was sie gedacht haben.
Nur eines können sie sicher sagen: Sie haben sich ganz sicher nicht deshalb
nicht gewehrt, weil es ihnen "doch irgendwie gefallen" hat.