Schumann: Klaviersonate fis-moll op.11

Beim Lesen des Themas, das @motz-art zu Schumanns Fantasie op. 17 erstellt hat, hat sich mir die Frage gestellt, wie Schumann eigentlich solche technisch schweren Werke wie seine Sonaten und die Fantasie komponieren konnte, obwohl sein Ringfinger durch falsches Üben doch steif geworden war und er damit einem beträchtlichen Hindernis ausgesetzt war. Oder konnte er selbst das alles gar nicht spielen?

Weiß da jemand Genaueres? Vielleicht @Stilblüte @Alter Tastendrücker oder @rolf ?
 
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Beim Lesen des Themas, das @motz-art zu Schumanns Fantasie op. 17 erstellt hat, hat sich mir die Frage gestellt, wie Schumann eigentlich solche technisch schweren Werke wie seine Sonaten und die Fantasie komponieren konnte, obwohl sein Ringfinger durch falsches Üben doch steif geworden war und er damit einem beträchtlichen Hindernis ausgesetzt war. Oder konnte er selbst das alles gar nicht spielen?

Lieber Demian,

In Schumanns Tagebuch schreibt er im Dezember 1828 im Alter von 18 Jahren:

„Der Arm schmerzt (...)“ und ein Jahr später: „an Fingerübungen und Tonleitern (...) nicht mehr zu gedenken“.

Er schrieb einen Monat später: „mein betäubter Finger“. Seine ersonnene Erfindung zur Stärkung des rechten 4. Fingers machte alles noch viel schlimmer. Alle ärztliche Kunst versagte, der Finger war und blieb gelähmt. Und die Erkrankung breitete sich aus über die Hand und den Arm. Zehn Jahre später schrieb er, dass er „zwei ganz schwache und gelähmte Finger an der rechten Hand (habe)“.

Er konnte also bestimmt nicht mehr diese Werke, die alle in den Dreißigern entstanden sind, so spielen, wie er sie sich vorstellte, vermutlich konnte er die rechte Hand nur andeuten.

Ich denke, dass es für ihn zwar sehr schmerzhaft war, seine Pianistenkarriere aufgeben zu müssen, dass es aber seine Qualität als Komponist keineswegs beeinträchtigte. Warum sollte man unbedingt spielen können müssen, was man komponiert?

Er konnte ja mal sehr gut Klavier spielen und das reichte ihm zum Komponieren dieser bedeutenden Klavierwerke. Er freute sich dann sehr, wenn Clara seine Werke in ihren Konzerten spielte.

Liebe Grüße

chiarina
 
@chiarina Danke dir für deine ausführliche Antwort!
Warum sollte man unbedingt spielen können müssen, was man komponiert?
Man muss doch beim Komponieren von Klaviermusik auch ausprobieren können, was man komponiert hat. Sicherlich ist es möglich, mit dem inneren Ohr zu hören, aber gerade die (für die damalige Zeit) avantgardistischen, manchmal flirrenden Klangeffekte, für die es ja noch kein kompositorisches Vorbild gab, sich vorzustellen und dann Note für Note aufzuschreiben ohne es selbst zu probieren, das kann ich mir wiederum kaum vorstellen.

Beethoven konnte zwar trotz Taubheit komponieren, aber bei ihm war es ja (schematisch gesprochen) eher architektonische Arbeit als Klangfarben-Suggestion. Aber es kann auch gut sein, dass ich Schumann da bisher unterschätzt habe.
 
Beethoven konnte zwar trotz Taubheit komponieren, aber bei ihm war es ja (schematisch gesprochen) eher architektonische Arbeit als Klangfarben-Suggestion.
Was meinst du denn damit?
Längst nicht alle Komponisten waren die besten Interpreten ihrer Werke. Mein geliebter Ravel zum Beispiel muss ein wirklich lausiger Pianist gewesen sein, trotzdem reichen die Werke an den höchsten Schwierigkeitsgrad unter der gängigen Klavierliteratur heran...
 
@chiarinaMan muss doch beim Komponieren von Klaviermusik auch ausprobieren können, was man komponiert hat. Sicherlich ist es möglich, mit dem inneren Ohr zu hören, aber gerade die (für die damalige Zeit) avantgardistischen, manchmal flirrenden Klangeffekte, für die es ja noch kein kompositorisches Vorbild gab, sich vorzustellen und dann Note für Note aufzuschreiben ohne es selbst zu probieren, das kann ich mir wiederum kaum vorstellen.
Dann hat er es vielleicht von Chiarina resp. Clara sich vorspielen lassen.
 
@Stilblüte
Ok, das war mir noch nicht bewusst. Gerade im Hinblick auf Ravel wirklich erstaunlich.
 
Beim Lesen des Themas, das @motz-art zu Schumanns Fantasie op. 17 erstellt hat, hat sich mir die Frage gestellt, wie Schumann eigentlich solche technisch schweren Werke wie seine Sonaten und die Fantasie komponieren konnte, obwohl sein Ringfinger durch falsches Üben doch steif geworden war und er damit einem beträchtlichen Hindernis ausgesetzt war. Oder konnte er selbst das alles gar nicht spielen?
In seinen Aufzeichnungen ist vom dritten Finger, also Mittelfinger die Rede.
Hier ein interessanter Artikel von Eckart Altenmüller zu Schumanns motorischen Problemen.
 
Hetor Berlioz konnte nur Gitarre spielen. Kein Orchesterinstrument, kein Klavier. Aber so schlecht sind seine Werke für Orchester nicht... man soll nie die Kraft der Imagination unterschätzen.
Schumann hatte lange genug Klavier gespielt, so dass sein Geist und Körper nicht mehr "vergessen" konnten, wie sich das anfühlt.
 
@walsroderpianist
Das leuchtet mir auch ein. Bei Beethoven trotz Taubheit ebenfalls. Auf der anderen Seite: Nie da gewesene Klangeffekte auf dem Klavier zu komponieren, ohne auf einen Erfahrungsschatz zurückgreifen zu können oder es selbst ausprobieren zu können (bei Ravel noch erstaunlicher), grenzt für mich an das Unerklärliche. Bei Beethoven kann ich die Partitur lesen und im inneren Ohr hören, was er komponiert hat. Bei Schumann geht das nicht mehr und bei Ravel erst recht nicht. D.h. Notenbild und Klangergebnis sind nicht mehr selbstverständlich aufeinander zu beziehen. Aber vielleicht liegt das einfach nur daran, dass ich weder Schumann noch Ravel bin.:konfus:
 
Ravel konnte spielen. Nur nicht auf Weltklasseniveau, wie manch andere Komponisten, die sich fürs Klavier verdient gemacht haben.
 

In seinen Aufzeichnungen ist vom dritten Finger, also Mittelfinger die Rede.
Hier ein interessanter Artikel von Eckart Altenmüller zu Schumanns motorischen Problemen.

Lieber Stefan379,

danke für den interessanten Artikel! Fast noch interessanter ist für mich, wie Anekdoten durch Musikhochschulen geistern und dabei verfälscht werden. Ich hatte nicht nur von verschiedenen Professoren gehört, sondern auch gelesen, dass die von Schumann erfundene Apparatur dem Training des vierten Fingers diente. Schumann habe es gestört, dass der 4. Finger sich nicht so unabhängig heben ließe wie die anderen Finger und deshalb die Mechanik erfunden. Auf Grund dessen - Überstrapazierung des 4. Fingers - habe er sich die Probleme eingehandelt, die dann zur Aufgabe seiner Pianistenkarriere geführt hat. So steht es auch in diversen Büchern. Und es erschien mir logisch. :003:

Vielleicht hat sich die Mär aufgebaut, weil Schumann in einem Brief an A. Carus schrieb, dass ihm der Ringfinger weh täte. Aus dem lesenswerten Artikel von Altenmüller jedenfalls geht hervor, dass es der dritte Finger war, der sich (Altenmüller schließt auf fokale Dystonie) einrollte und weswegen Schumann die Apparatur baute.

Danke und liebe Grüße!

chiarina
 
So, für alle, die es interessiert: Den ersten Satz der fis-moll-Sonate habe ich nun komplett „erschlossen“. Nun habe ich mir zumindest ein Bild von der Klanglandschaft gemacht. Jetzt erarbeite ich die musikalische Gestaltung* und werde damit einhergehend auch das Tempo erhöhen.

Es ist auf jeden Fall nach vielen Stunden noch immer ein gewaltiges Stück Arbeit vor mir. Aber wenn ich mir meine Lieblingsaufnahme (Sokolov) anhöre, weiß ich, dass ich die Sonate wirklich unbedingt spielen muss - und sei es auch eine Lebensaufgabe.

* Ja, ich weiß, technisches und musikalisches Üben gehören zusammen, aber weil ich solch einen großen Respekt vor diesem gewaltigen Werk habe, wollte ich zunächst primär sehen, ob der erste Satz zumindest theoretisch technisch zu bewältigen ist. Und das ist er (glaube und hoffe ich).
 
Hallo @Demian, ich kann zwar nichts zu deinem Vorhaben beitragen, habe aber lustigerweise die fis-moll in einer gebrauchten Henne-Ausgabe mit bekannt exquisiten Theopold-Fingersatz hier liegen. War ein Musikwunsch einer Angehörigen, persönlich habe ich keinen Bezug zum Stück. Souverän bewege ich mich bei Henne 3-4 und unter fachkundiger Anleitung meiner KL erklimme ich mit viel Mühe so manchen 5er-Gipfel. Oder anders ausgedrückt: Von diesem Werk bin ich so weit weg wie von einer erfolgreichen Mondlandung.

Aus gegebenen Anlaß werde ich dein Projekt aber interessiert verfolgen. :-)
 
Ich bewege mich souverän bei Henne 7-8. Die fis-moll-Sonate ist schon eine echte Herausforderung. Ich muss mir da wirklich komplett neue Wege überlegen, um die Tücken zu meistern. Ob mir das gelingen wird, ist fraglich. Aber ich lasse mir viel Zeit, das zu bewältigen. Das war mir ja von Anfang an klar.
 
Nach sieben Wochen intensiven Übens bin ich nun so weit, dass ich euch eine Aufnahme vom ersten Satz (leider nur als mp3) präsentieren kann. (Wegen der hochladbaren Dateigröße sind Introduzione und der restliche Satz aufgeteilt).

Weit davon entfernt, wirklich zufrieden damit zu sein, habe ich nun den Notentext erarbeitet. Wirklich verinnerlicht, geschweige denn in der gesamten Detailtiefe gestaltet (hinsichtlich Dynamik, Agogik, Klangbalance), ist der Satz allerdings noch nicht. Dafür muss ich ihn wohl erstmal eine Zeitlang weglegen, damit er sich "setzen" kann.

Ich bin dankbar für eure Gedanken dazu, für Anregungen und Kritik.
 

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  • Schumann 1. Satz (Introduzione) mp3.mp3
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  • Schumann 1. Satz (2)mp3.mp3
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Ich bin dankbar für eure Gedanken dazu, für Anregungen und Kritik.

Lieber Demian,

herzlichen Glückwunsch zu deiner bisherigen Arbeit - aus meiner Sicht hast du eine solide Basis geschaffen, mit der du weiter arbeiten kannst! Mir gefällt auch insgesamt dein leidenschaftlicher Zugang zum Stück und die Führung der Stimmen! :001:

Ich meine ja, das du dich jetzt mit Aufnahmen auseinandersetzen kannst. :004: Ich kann hier nur grob meine Sicht auf das weitere Vorgehen wiedergeben und ich hoffe auf dein Verständnis, dass ich deswegen eine von mir geschätzte Aufnahme verlinke (ich mache das eigentlich ungern):



Ein bisschen detaillierter: mir gefällt dein Klang zu Beginn, aber die Triolenachtel links dürfen m.E. nicht so statisch sein. Das liegt auch am (zu?) langsamen Tempo. Du spielst die Achtel sehr einzeln und ich meine, sie müssen bei allem Nachdruck auch einen Klangteppich bilden, der die Melodie stützt. Bei dir hört man zu oft, wie die Achtel die langen, leiser werdenden Töne rechts in ihrem Klangverlauf stören, so dass man eher auf links hört und der Melodiebogen verloren geht. Man müsste ein Tempo wählen, in dem so etwas nicht passiert und natürlich entsprechend dynamisch differenzieren.

Es ist auch die Frage, ob du wirklich so leise wirst (und im Tempo nachgibst), wenn Melodie und Begleitung wechseln. Denn dadurch nimmst du das wunderbare sotto voce vorweg, das dann nicht mehr wie aus einer anderen Welt erklingt (dort könnte man auch 2. Pedal nehmen).

Beim Allegro finde ich am wichtigsten, dass du das schön gearbeitete Kleinteilige nun zusammenfasst. Die großen Bögen fehlen. Das liegt auch an der Dynamik, die noch deutlich klarer strukturiert werden muss. Es klingt noch zu gleich und vor allem im Leisen kann noch mehr differenziert werden. Pedalisierung und Artikulation kann dabei auch noch verfeinert werden. Man merkt, dass du noch kämpfst.

Aber ich glaube, das wird sehr schön werden! :011: Ich persönlich würde das Stück nicht weglegen, sondern mich von einer anderen Seite nähern. Z.B. die großen Bögen herausarbeiten, überlegen, wie die einzelnen Phrasen zueinander stehen, bis du eine Art Kathedrale erschaffen hast, bei der die Klangräume klar sind und jeder Stein im Gefüge weiß, wo er hingehört und warum er dort steht.

Viel Freude weiterhin!!! :026:

chiarina
 
@chiarina
Danke für deine Ideen! Vor allem dein Vorschlag, mich dem Satz von einer anderen Seite zu nähern, nämlich die großen Zusammenhänge zu betrachten, überzeugt mich davon , es nicht zu lange wegzulegen. Dennoch möchte ich jetzt erstmal den (relativ kurzen) zweiten Satz spielen, sozusagen als Intermezzo (übetaktisch gemeint, nicht musikalisch).
 
Nun habe ich den zweiten Satz der Sonate erarbeitet. Ich bin damit schon ziemlich zufrieden, auch wenn das eine oder andere Detail sicherlich noch anders geestaltet werden will. Vor allem habe ich das Gefühl, dass die zarte, sehnsüchtige Stimmung, die manchmal ausbrechen will, ganz gut erfasst ist. Ich freue mich wieder über Rückmeldungen.

Inzwischen habe ich auch wieder Lust, am ersten Satz weiterzuarbeiten, möchte jetzt aber doch erstmal den dritten Satz angehen, einfach um mir einen Überblick über die ganze Sonate zu verschaffen. Dass ich mich das kommende Jahr mehr oder weniger komplett mit der gesamten Sonate beschäftigen werde, ist mir sowieso klar.
 

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  • Schumann 2 mp3.mp3
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Hier kommt eine Aufnahme vom dritten Satz der Sonate, dem Scherzo. Auch hier ist der Prozess noch nicht abgeschlossen, aber dies ist, wie bei den anderen Sätzen auch, ein Zwischenergebnis. Gebt gerne Feedback.
 

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  • Schumann 3 mp3.mp3
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