Apropos 1864er Steinways...,.. überlesen bisher. So far so sorry. Zweie davon kenne ich, beides Semikonzertflügel um die 220cm. Einer steht im Elisabeth-Saal des Heimatmuseums Seesen am Harz. Exakt aus 1864. Der war im Eigentum einer Hamburger Familie neu, und diente dann jahrzehntelang dem Männnerchor Seesen, bis der sich in den frühen 2000er Jahren auflöste. Ich habe den Flügel gespielt, und es könnte ... u.U. noch eine originale uralte Mechaink drin sein. Nicht sicher. Ich empfehle Kontaktaufnahme mit dem Museumsleiter Friedrich Orend oder Nachfolger.
Ein weiterer Flügel aus dieser Zeit steht im Brüsseler Musikinstumentenmuseum. Dieser Flügel birgt ein Geheimnis insofern, als er zu diesem sehr frühen Zeitpunkt schon alle 88 Tasten hat (ohne ein Konzertflügel zu sein...), was sonst bei den Semikonzertern erst mit der Ablöse der Parlor Grands 1886 kam, als der heutige C-227-Typ aus dem D-Flügel "herunterskaliert" wurde. Kuratorin der Tasteninstrumente ist Madame Docteur Pascale Vandervellen. Schönen Gruß ggfs. aus Kamen.
Ansonsten, mal komplett abseits Steinway, wer unter den "Hämmerfexen" auch als Koryphäe gilt, ist der Franzose Patrick Desfougeres, der irgendwo am Fuße der Pyrenäen arbeitet. Ihn konsultieren viele Leute, die einen Pariser Flügel von Erard oder Pleyel aus der Zeit von Henri Herz, dem jungen Franz Liszt und Frederick Chopin zeitgemäß sanieren möchten.
Man mache sich klar, dass Steinway mit beginn des eigenen Flügelbaues 1856 bereits andere Saitenmaterialien verarbeitete, und auch mit Dolge, dem US-Hammerspezialisten, zusammenarbeitete, we-sent-lich vereinfachte Hämmer..., sodass das Klangprofil der Steinway-Flügel schon in den Anfangstagen sich deutlich abhob von dem, was einst die superiore Qualität der Pariser Flügel ausmachte. Originale Hämmer aus der Zeit um 1840/45 haben teils die Instrumente von Dr. Cobbe und aus den Resten der nach der großen Versteigerung der Finchcock-Sammlung übergebliebenen Instrumente im Privatbesitz von Richard Burnett in Südengland.
Ich mag das Thema zu primitiv sehen, aber es gibt für mich mal frech gesprochen nur fünf Klangbereiche von Tasteninstrumenten.
1- Orgel. Mag ich nicht.
2- Cembali. Teils sehr interessant und schön, zumeist aber laut und unangenehm.
3- Ganz frühe Hammerklaviere. Sehr fein, gewöhnungsbedürftig zu spielen, aber im Klang oft berückend, anmutig, wundervoll, zum Spielen hingegen im Tastaturgefühl ganz oft mist und extrem gewöhnungsbedürftig.
4- Die Entwicklungen Broadwood, Clementi Collard & Collard, Herz, Erard, Pleyel, die in den Flügeln der 1840er kulminierten. Die schönsten Klaviere ever & in eternam, Amen. Für mich.
5- Steinway, Dolge und all der andere neuere Krams nach 1850/55, Stahlsaiten statt schmiedeeisernes, kennt man, mag man, oder mag man nicht. Ich mag es, mag aber die 1840er lieber.
Subjektive Präferenzen.
Betreffs Machbarkeit eines Nachbaues von 1857er Hämmern... sollte man zweierlei in der Peilung haben. Geld allein, und die Chance, einen guten Klaviertechniker (definiere "gut"...) herumschicken zu können reicht u.U. nicht. Es fehlt ... allenthalben und weitenteils an einer akustischen Referenz, weil zu jener Zeit noch keine Tonkonserven existierten. Selbst wenn man erkennt, dass ... diese alten Flügel "anders" klingen, heißt das
a- weder, dass das der Klang ihrer Jugend originaliter war,
b- noch heißt es nicht, dass da nicht noch mehr geht. ...
Und es sind einige der damalig vom Monsieur Pape, Herz etc. verwendeten Materialien nicht mehr existent, nicht mehr greifbar, bestimmte Gerbmethoden von Leder längst ausgestorben, oder die Chemie unbekannt oder verboten.., und gleiches dürfte für Kaninchenfelle und bestimmte Filz-Fertigungstechniken gelten. Und bestimmte Hölzer u.U. nicht mehr in "Klangqualitäten" greifbar...
Der Klang der uralten Pariser Konzertklaviere köntne ein ähnliches Mysterium bergen, wie das entschwundene Wissen um die Qualität der Cremonenser Violinen. Mit dem einen dicke dicken Unterschied, dass die Wertschätzung der Cremonenser in die Millionenwerte zielte, es demgegenüber aber kaum eine Sau zu interessieren scheint, dass "vor Steinway" die Klaviere anders waren und anders klangen, und 98.7% der heutigen Musikwelt eh die modernen Instrumente als die Besten Verfügbaren beschreien. Was immer mit Verve geschieht, immer ex cathedra, immer mit der Reputation der "Top Profis" und der erfahrensten Konzertpianisten garniert..., sodass sich der das "Andere" Mögende kaum mal noch traut, überhaupt noch zu SAGEN, dass da mal was anderes war, und dass man das eventuell wertschätzen könnte...
Auch wenn es unbefähigt ist, die Carnegie Hall zu beschallen. Und nicht willens und in der Lage, 52gr Spielgewicht zu machen - was ein Frederic Chopin ganz sicher als Zumutung für sich abgelehnt hätte.
Was bewirken könnte, dass sich "in echt" (lang, hart, heftig und teils schmutzig) niemand auf den eminent mühevollen Weg machen könnte, wirklich und in aller Konsequenz die sämtlichen Methodologien damaliger sieben- bis neunlagiger Hämmer, der Saitenmaterialien, der Dämpfungsmaterialien, der Klangböden - und -hölzer tutti completti so einzuarbeiten, dass man das alte Wissen und die alte Pracht, Finesse, das FEUER wieder verfügbar hätte. Dass also vice versa, mangels Engagement, mangels des hierzu erforderlichen Fanatismus PLUS der wirtschaftlichen Möglichkeiten... , die Renaissance alter Klangqualitäten, die wir bei den Violinen haben erleben dürfen nach jahrzehntelanger Forschungsarbeit, beim Klavier auf immer unterbleiben könnten.
1857? Blüthner?
Wir reden über eine verlorene Klangwelt. Die in einzelnen, noch die alte Technik bergenden Instrumenten mit einer Ahnung alter Glorie noch aufscheint, sehr gelegentlich, und erkennbar nur dem hierfür Sensitivierten....
Ehre dem, der sich auf diesen Weg macht....