Pierre Boulez gestorben

mick

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17. Juni 2013
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Am Dienstag ist Pierre Boulez gestorben. Er war Freund und Lehrer meines Vaters, ich durfte ihn vor ein paar Jahren in Baden-Baden persönlich kennenlernen. Ein großer Mensch, Komponist, Pianist und Dirigent ist für immer gegangen. :-(

Ich werde ihm zu Ehren seine erste Sonate lernen und in einem Klavierabend im Juni aufführen.

LG, Mick
 
(frei nach Verdi) Triste! Triste! Boulez è morto
R.I.P.
unvergänglich bleiben seine Kompositionen, unvergeßlich seine Dirigate (Ring, Parsifal, Sacre, Zappa)
 
Ich werde ihm zu Ehren seine erste Sonate lernen und in einem Klavierabend im Juni aufführen.
Eine recht lebendige Einführung in dieses Werk gibt es hier:



Vielleicht eine Gelegenheit, das Gesamtwerk für Klavier, zu dem neben den drei sehr unterschiedlich gearbeiteten Sonaten die frühen Notations, zwei Spätwerke und die beiden Bücher der Structures für zwei Klaviere zählen, ein wenig näher zu betrachten? Quantitativ im Vergleich zu dem seines Lehrers Messiaen überschaubar, aber in qualitativer Hinsicht lohnend.

(frei nach Verdi) Triste! Triste! Boulez è morto
R.I.P.
unvergänglich bleiben seine Kompositionen, unvergeßlich seine Dirigate (Ring, Parsifal, Sacre, Zappa)
Seine Aussage "Schönberg est mort" wollte richtig verstanden sein:
http://www.zeit.de/1995/13/In_meinem_tiefsten_Innern_bin_ich_ein_Utopist/seite-6

Auch war die mit seiner Person in Verbindung gebrachte Forderung, die Opernhäuser in die Luft zu sprengen, in einem übertragenen Sinne zu verstehen. Sonst hätte er zwangsläufig auf der Asche von Bayreuth den Ring dirigieren müssen... . Solche Aussagen haben die Eigenart, vielfach missverständlich beim Adressaten anzukommen - vergleichbar mit der verkürzt wiedergegebenen Gustav-Mahler-Aussage, Tradition sei Schlamperei.

Ein übrigens wenig bekanntes Frühwerk, das den Notations vorausging:



Dieses Stück fehlt auf der hier angebotenen Gesamtaufnahme aller Klavierwerke:
http://www.discogs.com/Pierre-Boule...Pierre-Boulez-Und-Das-Klavier/release/6273567

LG von Rheinkultur
 
Mit Boulez musste ich mich zu Schulzeiten beschäftigen als wir in die serielle Musik kamen. Ich habe mich für seine "Musik" nie begeistern können, sie hat mich nicht interessiert. Ich kann es mir auch absolut nicht anhören (ich weiss, ich bin ein Banause!). ABER: Seine Aufnahmen der Sinfonien von Mahler bei der DG sind grandios! Diese werden immer einen Ehrenplatz bei mir haben!
 
Mit Boulez musste ich mich zu Schulzeiten beschäftigen als wir in die serielle Musik kamen. Ich habe mich für seine "Musik" nie begeistern können, sie hat mich nicht interessiert. Ich kann es mir auch absolut nicht anhören (ich weiss, ich bin ein Banause!). ABER: Seine Aufnahmen der Sinfonien von Mahler bei der DG sind grandios! Diese werden immer einen Ehrenplatz bei mir haben!
da können wir uns die Hände reichen, stehe da aber nicht alleine.
 

Tombeau

Ich wollte letztes Jahr einen Geburtstags-Thread für ihn eröffnen (zum 90.), der allerdings nicht so schmeichelhaft ausgefallen wäre - weshalb ich verzichtet habe. Jetzt müßte ich mir die lästerlichen Kommentare erst recht verkneifen. Seine Attacken wider Schönberg und Leibowitz empfand ich als ungerecht und unredlich, gerade weil Boulez durch die beiden bzw. von ihnen so viel gelernt hatte. Sein Lehrer Messiaen hat zu Recht von einem ödipalen Wesenszug gesprochen. Noch übler war Boulez' Umgang mit John Cage, dem er ebenfalls viel verdankt, speziell zur Genese des seriellen Denkens, wie der Briefwechsel zeigt.

Unabhängig davon war der frühe Boulez einer der interessantesten und besten Komponisten nach 1945 - was allerdings auch schon wieder ein Witz ist, denn nur als junger Mann hat Boulez richtig komponiert. Mitte Ende/Ende der 60er Jahre verstummte er kompositorisch und ging stattdessen aufs Dirigentenpult. Als Komponist hat er danach nur noch ältere Kompositionen revidiert, erweitert, neu instrumentiert; was er an Neuem schrieb, waren reine Gelegenheitswerke.

Seine kompositorische Intelligenz wandte sich den Stücken zu, die er dirigierte. Niemand hat beim Dirigieren die Orchesterpolyphonie in den Werken der Neuen Musik (Wiener Schule, Bartók, der frühe Strawinsky, Varèse, Messiaen) analytisch so durchdrungen und hörbar werden lassen wie er. Als Dirigent hat er sich - bei aller Abneigung - sogar der von ihm geschmähten Werke aus Schönbergs späterer Schaffensperiode angenommen und sie beispielhaft dirigiert. Als Dirigent aus der französischen Schule lagen ihm natürlich Debussy und Ravel. Im Alter wagte er sich an Mahler und Janácek heran, die er ebenfalls wunderbar analytisch durchdrang, ohne jedoch im Falle Mahlers der Musik ganz gerecht zu werden - leider, muß man sagen. Boulez' emotionale Distanz hinderte ihn wohl daran, die zu Mahlers Ausdrucksmitteln gehörende (parodistische) Übertreibung richtig zu würdigen. Aber seine Wundertaten mit Wagners "Ring" und "Parsifal" haben ihm sogar Anerkennung im Lager seiner Gegner verschafft.

Am interessantesten ist trotz allem der Komponist. Stilistisch läßt sich sein Schaffen definieren als eine Kombination aus den rhythmischen Erfahrungen bei Strawinsky ("Sacre") und Messiaen, übertragen auf die Harmonik der Wiener Schule (Schönberg, Webern, Berg), und dem in der Wiener Schule entwickelten Reihendenken, das er im Gedankenaustausch mit Cage Richtung Serialismus erweiterte. Die "Notations", die "Structures" und seine drei Klaviersonaten sind wahre Wunderwerke (die zweite - was Dauer und Kontrastreichtum betrifft - eine der extremsten Kompositionen für Klavier überhaupt). Seine frühen Kantaten auf surrealistische Texte von René Char knüpfen direkt an den Spätstil Anton Weberns an, wohingegen sich der berühmte "Marteau sans maître" eines der Hauptwerke der frühen Moderne zum Vorbild nimmt: Schönbergs "Pierrot lunaire", in einem seriellen Idiom ganz eigenständig weiterentwickelt. Sein interessantestes Orchesterwerk, die "Polyphonie X" hat er leider zurückgezogen und nicht mehr überarbeitet wie so vieles andere. Man kann von diesem atemberaubenden Werk nur den Mitschnitt der Uraufführung auf einer knisterigen Vinyl-Schallplatte hören; die Partitur ist gar nicht zugänglich.

Seriell heißt: nach einem vorweg entworfenen Formplan komponiert, mit Reihen für alle (Parameter genannten) Eigenschaften des Einzeltones, also auch für die Tondauer, Dynamik und Artikulation, als Generator für eine ganz unverbrauchte und von allem Subjektivismus befreite Tonsprache, wie die frühen Serialisten sie (im gerade von ****** befreiten Nachkriegseuropa) sich erhofft hatten. Sie kamen damit schnell an ihre Grenzen (Verhältnis von Determination zu Indetermination, zu schwierig, um es hier zu erklären). Die drei prominentesten Serialisten reagierten darauf unterschiedlich: Nono mit einer Flucht in den PCI-Aktivismus, Stockhausen mit einer Flucht in die privatreligiöse Selbstvergöttlichung und Boulez mit dem Gang zum Dirigentenpult.

Seine besten Arbeiten sind - neben dem seriellen "Marteau sans maître" - die ersten beiden Klaviersonaten, die Flöten-Sonatine, die 'Notations", das Streichquartett ("Livre" genannt) und die frühen Kantaten - wie beim geschmäht-bewunderten Schönberg Werke aus der Zeit vor dem verschärften Reihengebrauch.

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Zuletzt bearbeitet:
Ich habe gerade mit Josef Protschka telefoniert. Auch er sagte, seine Kompositionen seien nicht das Wahre gewesen ;)
Interessante Sichtweise: An der von ihm einige Jahre als Rektor geleiteten Kölner Musikhochschule unterrichtet jener Klavierprofessor, der in dem von mir verlinkten Video in die erste Boulez-Sonate einführt. Berührungsängste mit Musik der Gegenwart hatte Protschka lange vor seiner Rektoren-Zeit freilich nicht pauschal, zumal er einst als Knabensopran in Stockhausens Gesang der Jünglinge die Sopransoli sang:



Auch Stockhausen und sein Lehrer Frank Martin haben in Köln unterrichtet, ebenso wie Bernd Alois Zimmermann, Henze, Kagel und andere renommierte Komponisten.

LG von Rheinkultur
 
Oft ist gerade für etwas Jüngere der Tod der Anlass, das Werk eines Künstlers kennenzulernen.
Ohne mich mit Boulez’ Kompositionen näher befasst zu haben: Wer mit Offenheit an diese Musik herangeht, wer seine Erwartungen (um nicht zu sagen Traditionen) beiseite lassen kann, dem eröffnet sich auch dort, wo in der Analyse die Mathematik vorherrscht, ein sinnliches Erlebnis.
 
Interessante Sichtweise: An der von ihm einige Jahre als Rektor geleiteten Kölner Musikhochschule unterrichtet jener Klavierprofessor, der in dem von mir verlinkten Video in die erste Boulez-Sonate einführt. Berührungsängste mit Musik der Gegenwart hatte Protschka lange vor seiner Rektoren-Zeit freilich nicht pauschal, zumal er einst als Knabensopran in Stockhausens Gesang der Jünglinge die Sopransoli sang:



Auch Stockhausen und sein Lehrer Frank Martin haben in Köln unterrichtet, ebenso wie Bernd Alois Zimmermann, Henze, Kagel und andere renommierte Komponisten.

LG von Rheinkultur


Josef ist jemand, der grundsätzlich allem aufgeschlossen und neugierig ist. Es hat mich daher gewundert, dass er hier meiner Meinung ist.

Übrigens gewann mit Abel Sanchez 2011 ein Amateur den Open Piano competition in Turin. Er spielte die 2. Sonate von Boulez im Finale.... Auswendig!
 
Ich habe den Eindruck die überwiegende Mehrheit der Zuhörerschaft hat seine Leistungen als Dirigent sehr positiv aufgenommen und gewürdigt. Er selbst hat wohl sinngemäß gesagt er könne auf das Dirigieren verzichten, aber niemals auf das Komponieren. Zu komponieren war sein innerstes Bedürfnis.
 
RIP Pierre Boulez.

Leider erschloss sich mir seine Musik weder vor noch nach seinem Tod.
Ich wußte auch noch nie einen Anlass/Stimmung zu der ich mir seine "Musik?" anhören sollte. Sie erinnert an Anarchie, Zerstörung und vor allem an Verarschung (Putzfrau beim Abstauben der Klaviatur). Keine Melodie, keine Harmonie, kein Rhythmus.


Vor 50 Jahren, im Leistungskurs Musik, dachte ich, Boulez, Ligeti und Cage und Co. würden sich mir ja irgendwann mal erschließen - Pfeifendeckel - ich bin wahrscheinlich zu dumm dazu.

Keep on groovin'



 

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